IHK-Studie zur Technologiepolitik: Bürokratie, Fachkräftemangel und fehlendes Eigenkapital hemmen Innovationen – Neue Landesregierung ist gefordert

„Die IHK-Studie zeigt, dass die Unternehmen bei den Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung in verschiedenen Bereichen zum Teil erheblichen Verbesserungsbedarf sehen. Hier muss die neue Landesregierung anpacken. Das Thema Innovationen muss hohe Priorität haben. Denn Innovationen sind essentiell für Arbeitsplätze und Wohlstand in Baden-Württemberg“, sagt Wolfgang Grenke, Präsident der in Technologiefragen federführenden IHK Karlsruhe und BWIHK-Vizepräsident. „Die IHKs sind bereit, auch die neue Landesregierung weiterhin als Partner zu unterstützen“, so Grenke weiter.

„FuE-Investitionsschere“ öffnet sich weiter
Die Studie zeigt, dass ein zunehmender Anteil an Unternehmen Schwierigkeiten hat, in Forschung und Entwicklung (FuE) zu investieren. Einer ebenfalls zunehmenden Zahl an Unternehmen gelingt es dagegen, ihr Innovationspotenzial durch umsatzanteilig höhere FuE-Investitionen als noch vor einigen Jahren weiter zu steigern. Das heißt, die bereits bestehende „FuE-Investitionsschere“ öffnet sich weiter. Am weitesten klafft sie bei den kleinen Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern auseinander. „Es ist bedenklich, wenn der Unterschied bei den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) am größten ist. Denn sie sind bislang das „Rückgrat“ der baden-württembergischen Wirtschaft und stellen das Gros unserer sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze. Es besteht offensichtlich die Gefahr, dass viele KMU beim Thema Innovationen abgehängt werden. Hier muss eine Trendumkehr erreicht werden“, fordert Grenke.

Als stärkste Innovationshemmnisse empfinden die Unternehmen Bürokratie sowie eine hohe Steuer- und Abgabenlast. Denn es werden Zeit und Kapital gebunden, die in Forschung und Entwicklung investiert werden könnten. „Vor allem kleinere Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern beklagen fehlendes Eigenkapital für Innovationen. Hinzu kommt, dass der Zugang zu Fremdkapital für FuE gerade für diese Unternehmen schwierig ist. Deswegen halten wir es für dringend geboten, die Eigenkapitalbasis der Unternehmen durch eine steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung zu stärken, und zwar zusätzlich zur bereits bestehenden Projektförderung. Die neue Landesregierung muss sich auf Bundesebene mit Nachdruck dafür einsetzen“, erklärt Grenke.

Auch der Fachkräftemangel hemmt die Unternehmen zunehmend bei ihren Innovationsaktivitäten. Aktuell fühlen sich hier deutlich mehr Unternehmen (57 %) beeinträchtigt als noch vor fünf Jahren (48 %). Waren bislang eher größere Unternehmen betroffen, klagt jetzt auch deutlich mehr als die Hälfte der KMU über fehlendes Fachpersonal für Forschung und Entwicklung. „Der Fachkräftemangel ist in der Breite der Wirtschaft angekommen. Vor allem die Landespolitik ist gefordert, ein ausreichendes Angebot an Fachkräften für Forschung und Entwicklung sicher zu stellen“, mahnt Wolfgang Grenke an.

„Förderlücke“ im Mittelstand
Seit 2008 gibt die Landespolitik mit Erfolg sogenannte Innovationsgutscheine für KMU aus. Diese unterstützen als Zuschuss Innovationsvorhaben von Unternehmen. Die IHK-Studie zeigt aber noch Optimierungsbedarf. Denn mehr als ein Drittel der KMU investiert pro FuE-Projekt typischerweise zwischen 10.000 und 50.000 Euro. Sowohl die Innovationsgutscheine des Landes  als auch das ebenfalls bewährte ZIM-Programm des Bundes fördern hier bislang nicht passgenau. Während die Fördersummen der Innovationsgutscheine zu niedrig sind, hält der vergleichsweise hohe Beantragungsaufwand die Unternehmen davon ab, ZIM-Zuschüsse in dieser Größenordnung zu beantragen. „Hier besteht de facto eine „Förderlücke“, die durch einen Gutschein mit höherer Fördersumme (bspw. 40.000 Euro) geschlossen werden muss. Um die Breitenwirkung der Innovationsgutscheine insgesamt weiter zu erhöhen, sollten diese auch für Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern (bisher 100 Mitarbeiter) zugänglich sein“, erklärt IHK-Präsident Wolfgang Grenke.

„Weiter zeigen unsere Untersuchungen, dass den Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe, die Bedeutung von Innovationen bewusst ist. So hat sich die Kooperationsneigung im FuE-Bereich bei den Unternehmen in den letzten Jahren insgesamt deutlich erhöht. Zunehmende technische Komplexität von Produkten und immer kürzere  Produktzyklen führen dazu, dass viele Unternehmen Innovationen nicht mehr im Alleingang entwickeln, beispielsweise weil nicht alle notwendigen Fachkompetenzen im eigenen Betrieb vorgehalten werden können. Sie setzen deshalb auch zum Teil stärker auf Innovationspartner wie Universitäten, Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen“, erklärt IHK-Präsident Grenke.

Allerdings bewertet rund ein Drittel der Unternehmen die Transparenz über Technologieangebote öffentlicher FuE-Einrichtungen immer noch mit „mangelhaft“. Zudem haben KMU mehr Schwierigkeiten geeignete Kooperationspartner bei Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen zu finden als größere Unternehmen. „Landespolitik, Wissenschaft und Wirtschaft müssen deshalb weiter gemeinsam an der Verbesserung des Technologietransfers zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in Baden-Württemberg arbeiten. Die Installation von Technologietransferbeauftragten mit KMU-Fokus an unseren Hochschulen wäre hier ein Schritt in die richtige Richtung“, regt Wolfgang Grenke an.

„Grundsätzlich gilt: Eine wesentliche Voraussetzung für ein FuE-starkes Baden-Württemberg ist die weitere Stärkung der Universitäten und Hochschulen in den Bereichen Forschung, Lehre und Technologietransfer. Hierfür sind weitere öffentliche Investitionen notwendig – und zwar zusätzlich zum Hochschulfinanzierungsvertrag Baden-Württemberg 2015-2020“, ergänzt Grenke.

Eine starke öffentliche Forschungsinfrastruktur ist Grundlage dafür, dass Unternehmen auch zukünftig ihre Innovationen hierzulande entwickeln. „Zusammen mit der Politik müssen wir deshalb weiter an der Verbesserung der Rahmenbedingungen für unternehmerische FuE arbeiten. Unsere aktuelle Untersuchung zeigt, dass fast die Hälfte (46 %) der größeren Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitern plant, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Ausland zukünftig zu steigern. In Deutschland (inkl. Baden-Württemberg) planen das lediglich 29 % dieser Unternehmen, während hier gleichzeitig 8 % von einer Verringerung ausgehen. Bei den größeren Unternehmen zeigt sich also eine Tendenz zur überproportionalen Verstärkung von FuE-Investitionen im Ausland“, warnt IHK-Präsident Grenke. „Gerade größere Unternehmen tragen aber einen erheblichen Teil der privaten FuE-Investitionen in unserem Land. Eine Verlagerung dieser Investitionen in größerem Umfang ins Ausland muss vermieden werden“, so Grenke weiter.

Den meisten Unternehmen ist bewusst, dass die Digitalisierung der Wirtschaft – Stichwort Industrie 4.0 – Produktionsprozesse und industrielle Wertschöpfung verändert. Acht von zehn größeren Unternehmen (> 249 Mitarbeiter) und mehr als die Hälfte der KMU sind hier laut der IHK-Umfrage bereits aktiv geworden oder planen dies in nächster Zeit. KMU fühlen sich jedoch unsicherer hinsichtlich ihres Wissensstands und dessen praktischer Umsetzung.

„Unsere Unternehmen gehen Industrie 4.0 von der eher technologischen Seite an“, fasst IHK-Präsident Grenke zusammen. “Produktionsprozesse, Produkte und interne IT stehen im Fokus. Kundenservices und neue Geschäftsmodelle spielen dagegen, anders als beispielsweise in den USA, noch eine eher geringe Rolle. Für die hiesigen Unternehmen besteht damit die Gefahr der Verdrängung ihrer „klassischen“ produkt- und technologieorientierten Geschäftsmodelle. Landespolitik und Wirtschaftspartner müssen gemeinsam noch stärker für die Chancen auf neue Geschäftsmodelle und Dienstleistungen durch Industrie 4.0 werben“, fordert Grenke.

„Aber auch die strukturellen Rahmenbedingungen für die Digitalisierung müssen stimmen“, so Grenke weiter. „Aktuell leiden bei fast der Hälfte der KMU (< 249 Mitarbeiter) Innovationsaktivitäten unter einer nicht ausreichenden Breitband-Internetanbindung, im Vergleich zu unserer IHK-Umfrage 2010 ein deutlicher Anstieg. Der Ausbau der Breitband-Infrastruktur in Baden-Württemberg scheint trotz aller Bemühungen noch nicht mit dem Bedarf der Wirtschaft Schritt zu halten. Für den digitalen Wandel hin zu einer Industrie 4.0 ist schnelles Internet jedoch Grundvoraussetzung. Der Breitbandausbau, vorzugsweise mit Glasfaser, muss deshalb in Baden-Württemberg weiter zügig vorangebracht werden“, betont IHK-Präsident Grenke.

Hintergrund
Unter Federführung der IHK Karlsruhe haben die zwölf baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern (IHK) nach 2006 und 2010 wieder Unternehmen zu den Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung in Baden-Württemberg befragt. Mehr als 700 Unternehmen aller Industriebranchen und ausgewählter wissensintensiver Dienstleistungen haben sich an der landesweiten Umfrage beteiligt. Die Auswertung der Umfrage steht auch im Internet unter folgender Adresse als PDF-Datei zur Verfügung: www.karlsruhe.ihk.de (Dok.-Nr. 3303502).

PM

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