Regionale Wirtschaft muss sich auf mehr Risiken einstellen – IHK-Präsident: Keine zusätzlichen Belastungen für Betriebe!

Die Unternehmen in der Region Stuttgart müssen sich auf mehr globale Risiken einstellen. Dazu gehören laut Georg Fichtner, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart, Grenzschließungen in Europa, ein Scheitern der EU durch Flüchtlingskrise und Brexit, schwächeres Wachstum in China und – wegen des niedrigen Ölpreises – in den Förderländern, aber auch internationale Konflikte in Osteuropa sowie im Nahen und Mittleren Osten. „Die gute Konjunktur ist kein Selbstläufer“, so Fichtner. Die Politik dürfe daher die Unternehmen nicht zusätzlich belasten, wie dies der Berliner Koalitionsvertrag noch vorsehe – beispielsweise durch die Einführung einer Lebensleistungsrente. Dies würde ein Abflauen der Konjunktur nur beschleunigen.

Als größtes Risiko für die Konjunktur sehen die Betriebe die Entwicklung der Inlandsnachfrage. Sie werde von Investitionen im Inland bestimmt, deren Volumen im Exportland Baden-Württemberg stark vom Auslandsgeschäft abhänge, erläutert Fichtner. Für die weitere Entwicklung der Konjunktur spiele auch der innereuropäische Warenaustausch eine große Rolle, der durch Grenzschließungen behindert werden könnte. „Wenn die Lieferketten in Europa nicht mehr funktionieren, könnten Unternehmen mit Zielmärkten außerhalb Europas künftig eher nah an diesen Märkten und nicht mehr in Europa investieren und produzieren“, beschreibt Fichtner eines der Risiken bei Grenzschließungen.

Steigt der Ölpreis, dürfte dies den privaten Konsum und damit einen wichtigen anderen Teil der Inlandsnachfrage schwächen. Höhere Kosten bei Transport und Heizung schränkten dann auch Investitionsspielräume der Betriebe ein. Andererseits würden viele erdölexportierende Länder wie Russland, Venezuela aber auch Saudi-Arabien wieder über mehr Investitionsmittel verfügen. Denn derzeit sei der niedrige Ölpreis eine Investitionsbremse in den Ölförderländern, so der IHK-Präsident.

Zwei Seiten hat auch die Entwicklung des Euro-Wechselkurses, der sich seit mehr als einem Jahr gegenüber dem US-Dollar auf einem relativ niedrigen Niveau bewegt. „Deutsche Lieferungen in Drittstaaten sind durch den niedrigen Euro relativ günstig. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft hat sich international damit wieder spürbar verbessert“, sagt Fichtner. Zu den negativen Effekten der Euroschwäche gehörten steigende Importpreise und ein durch die Dollarstärke verursachter Druck auf die US-Konjunktur. Denn ein starker Dollar verteuere Exporte der Amerikaner, was sich wiederum negativ auf die Investitionstätigkeit in den USA auswirken könne.

Zum nachlassenden Wirtschaftswachstum Chinas erklärt Fichtner, dass dies viele Exportbetriebe in den letzten Monaten gespürt hätten, insbesondere im Maschinenbau. So seien 2015 die Exporte Baden-Württembergs nach China gegenüber 2014 um 0,8 Prozentpunkte auf 13,9 Milliarden Euro gesunken. „Viele Unternehmen konnten die schwächere Nachfrage aus China zum Teil durch Wachstum in anderen Märkten ausgleichen, zum Beispiel USA, Mexiko und Korea.“ betont Fichtner. Die Unsicherheiten aufgrund des Umbaus der chinesischen Wirtschaft zu einer mehr auf den Binnenmarkt und neue Technologien ausgerichteten Volkswirtschaft blieben aber ein Risikofaktor für die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Baden-Württemberg und China.

Angesichts der Bedeutung der USA für den Export aus Baden-Württemberg verfolge die Wirtschaft auch die US-Präsidentschaftswahlen mit Interesse. Die Hoffnungen richteten sich auf Fortsetzung und Abschluss des TTIP-Handelsabkommens sowie keine Verschärfung von Einreise- und Handelsformalitäten.

Eine Hemmung des Handels mit Großbritannien erwartet Fichtner bei einem Austritt des Landes aus der EU. Zudem würde es Jahre dauern, bis – ähnlich wie mit der Schweiz– unzählige Vereinbarungen ausgehandelt und ratifiziert sind, die die Zusammenarbeit mit der EU regelt. Der Handel würde dann richtig teuer – insbesondere für Großbritannien. Auch die hiesigen Betriebe bekämen die negativen Auswirkungen zu spüren, denn bei den Ausfuhren aus Baden-Württemberg steht das Vereinigte Königreich auf Rang vier nach USA, Frankreich und China.

PM

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