Wichtige Achsen Baden-Württembergs im Bundesverkehrswegeplan 2030 enthalten Gesamtstrategie für verkehrs-, finanz- und klimapolitische Ziele fehlt

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat in den am Mittwoch, 16. März 2016, veröffentlichten Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030 (BVWP) zentrale und wichtige Neu- und Ausbauprojekte in Baden-Württemberg aufgenommen. „Fast alle gewünschten Straßenbauprojekte sind in den Vordringlichen Bedarf aufgenommen worden, wir vermissen allerdings eine Reihe von Schienenprojekten. Wenn wir das Pariser Klimaabkommen ernst nehmen, müsste viel stärker in die Schiene investiert werden, das sehen wir im vorliegenden Entwurf nicht”, so Winfried Hermann, badenwürttembergischer Minister für Verkehr und Infrastruktur, kurz nach Bekanntwerden des Entwurfs. „Mit einem Gesamtvolumen von rund 5,5 Milliarden Euro liegt die Straßenliste des ‚Vordringlichen Bedarfs„ und des ‚Vordringlichen Bedarfs Engpassbeseitigung„ gleichzeitig deutlich über den zur Verfügung stehenden finanziellen Möglichkeiten. Eine eindeutige Priorisierung ist nicht erkennbar. Hier hätten wir uns eine realistischere Perspektive mit einer Auflistung der tatsächlich finanzierbaren Bauvorhaben gewünscht und keine lange Wunschliste, die die derzeitigen jährlichen Mittelansätze für den Straßenbau um das Dreifache übersteigt.“ Der BVWP 2030 setzt den Rahmen für die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur für die nächsten fünfzehn Jahre und soll offiziell bis zum Jahr 2030 gelten.  

Wie vom Land vorgeschlagen, hat der Bund den Ausbau großer Teile der Autobahnachsen A 5, A 6, A 8 und A 81 in den ‚Vordringlichen Bedarf Engpassbeseitigung„ sowie den ‚Vordringlichen Bedarf„ aufgenommen. Gleiches gilt für die entscheidenden Hauptachsen im Schienenverkehr wie beispielsweise die Rheintalbahn, die Neubaustrecke Rhein/Main – Rhein/Neckar und die Neubaustrecke Stuttgart – Ulm sowie die überregionalen Achsen Südbahn und Allgäubahn. Aber auch der Ausbau der Neckarschleusen von Mannheim bis Plochingen wurde in den Entwurf aufgenommen. „Allerdings hat der Bund die Chance vertan, endlich eine ressortübergreifende Gesamtstrategie zur Erreichung verkehrs-, finanz- und klimapolitischer Ziele vorzulegen“, sagte Minister Hermann. „Bedauerlich ist es, dass bei der Vielzahl der Straßenprojekte im ‚Vordringlichen Bedarf„ ausgerechnet die A 5 zwischen Freiburg-Mitte und Teningen und ein Großteil der A 6 zwischen Autobahnkreuz Weinsberg und der bayrischen Landesgrenze in der Dringlichkeit abgestuft wurde. Auch dass die vom Land angemeldeten Eisenbahnstrecken zwischen Oberzentren und zur Beseitigung von Engpässen im Güter- und Personenverkehr wie zum Beispiel die Hochrheinbahn, die Bodenseegürtelbahn, die Zollernbahn, die Brenzbahn sowie weitere wichtige überregionale Schienenachsen fehlen, ist bedauerlich. Außerdem: Gäubahn und Murrbahn sind bis jetzt nur im nachrangigen, ‚potentiellen Bedarf„ aufgeführt.“

Eine erste Einschätzung aus Landesssicht im Überblick:

 Vom Land Baden-Württemberg wurden 157 Straßenbauvorhaben angemeldet. Es wurden 5 Projekte in den ‚Vordringlichen Bedarf Engpassbeseitigung„, 80 Projekte in den ‚Vordringlichen Bedarf„ und 16 Projekte in den ‚Weiteren Bedarf mit Planungsrecht„ und 16 Projekte in den ‚Weiteren Bedarf„ aufgenommen.

 Derzeit sind 20 Projekte im Bau. Dazu kommen Baufreigaben für weitere zehn Maßnahmen. Mit den darüber hinaus im Bezugsfall des BVWP enthaltenen Maßnahmen ist dies ein Gesamtbedarf von ca. 3,7 Mrd. Euro für laufende und fest disponierte Vorhaben. Daneben sind 85 Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von 5,5 Mrd. Euro dem ‚Vordringlichen Bedarf Engpassbeseitigung„ und dem ‚Vordringlichen Bedarf„ zugeordnet. Bei einer mittelfristigen Mittelzuweisung von 200 bis 250 Mio. Euro pro Jahr ergäbe sich daraus ein Realisierungszeitraum von bis zu 50 Jahren. Damit sind der ‚Vordringliche Bedarf„ und der ‚Vordringliche Bedarf Engpassbeseitigung„ wesentlich überzeichnet.  Ein Kernproblem des Plans bleibt damit die mangelnde Umsetzung einer Priorisierung. Obwohl eine zusätzliche Kategorie geschaffen wurde, ergibt sich keine nachvollziehbare Rangfolge von Projekten, die je nach Mittelverfügbarkeit begonnen werden sollen – so wie es Baden-Württemberg mit seiner 2013 erfolgten Priorisierung vorgemacht hat.  Statt einer unfinanzierbaren unrealistischen Wunschliste müsste der Bundesverkehrswegeplan zu einem Bundesnetzplan bzw. Bundesmobilitätsplan weiter entwickelt werden, der die Wirkungen für ein Gesamtnetz fokussiert.

 Die Engpassbeseitigung ist ein Baustein für eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse. Leider werden vergleichsweise günstige Lösungen wie temporäre Seitenstreifenfreigaben oder der 3-streifige Bundesstraßenausbau als Zwischenlösung nicht ausreichend im BVWP betrachtet.

 Aus klimapolitischer Sicht werden in den nächsten fünfzehn Jahren vor allem auch an den Verkehrssektor extrem hohe Anforderungen gestellt. Ohne eine ressortübergreifende Gesamtstrategie zur Erreichung verkehrs-, finanz- und klimapolitischer Ziele sind diese Anforderungen nicht realisierbar und schon gar nicht das ambitioniertere 1,5- Grad-Ziel von Paris. Der Investitionsschwerpunkt des BVWP müsste daher auf der Schiene liegen, wenn man das Paris-Abkommen ernst nimmt.

 Die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Verfahrens ist verbesserungswürdig. Die Beteiligung erfolgt über das Internet und in Baden-Württemberg über die Auslegung von Unterlagen in Stuttgart und Freiburg. Von Seiten des Bundes wird das komplexe Plan- und Bewertungsverfahren den BürgerInnen nicht näher erläutert. Echte Öffentlichkeitsbeteiligung sieht anders aus. Das Land wird für interessierte Bürgerinnen und Bürger insgesamt drei Veranstaltungen durchführen, bei denen der Plan und das weitere Vorgehen erläutert werden.

Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg wird den Entwurf des BVWP nun gründlich betrachten und seine Stellungnahme unter Beachtung der Interessen der Landesziele und der Hauptbetroffenen abgeben.

PM

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