„Menschenwürde beruht auf Gleichberechtigung und Gerechtigkeit“ – Diakonie Württemberg zum Weltfrauentag am 8. März 2016

Altersarmut ist weiblich. Hunger ist weiblich. (Sexueller) Schmerz ist weiblich. Die Diakonie Württemberg weist anlässlich des Internationalen Frauentags erneut auf spezifische Risiken und Verletzungen der Menschenrechte hin, denen Frauen und Mädchen ausgesetzt sind. Mit rund 40.000 hauptamtlichen und mehr als 35.000 ehrenamtlichen Mitarbeitenden setzt sich die Diakonie in Württemberg und weltweit für die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen in Notlagen und für Gleichberechtigung ein.

Seit fast 40 Jahren ist der Internationale Frauentag am 8. März der offizielle Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden. Er erinnert an die historisch tradierte Benachteiligung von Frauen und fordert gezielte zum Handeln auf, um die Lebensbedingungen von Frauen zu verbessern. „Die UNO mahnt mit damit ausdrücklich an, dass Weltfrieden auch mit der Wahrung der Frauenrechte verquickt ist.,“ unterstreicht Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg. „Dass die Würde des Menschen auf Gleichberechtigung beruht, sagt schon Paulus in aller Deutlichkeit. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ‚einer‘ in Christus Jesus (Gal 3,28). Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit sind unverzichtbare Säulen unserer Gesellschaft. Sie gewährleisten den sozialen Frieden und stabilisieren unser Zusammenleben. Für ein friedliches Miteinander setzen wir uns als Diakonie, als Kirche – als Menschen ein. Was wir auf der ganzen Welt gerade erleben, sind die dramatischen Folgen globaler Ungerechtigkeit.“

Armut

Die statistischen Erhebungen der Europäischen Kommission zeigen, dass Frauen in Europa, in Deutschland und auch in Baden-Württemberg von Armut stärker betroffen sind als Männer, stärker als die Bevölkerung insgesamt. Der im November 2015 vorgelegte erste Bericht zu Armut und Reichtum in Baden-Württemberg weist aus, dass die Armutsrisikoquote in Baden-Württemberg insgesamt bei 14,7 Prozent liegt (gemessen am durchschnittlichen Einkommen in Baden-Württemberg), wobei Männer mit 13,6 Prozent gut ein Prozent darunter und Frauen mit 15,8 Prozent gut ein Prozent darüber liegen. Hauptursache ist der Verdienstunterschied: Der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen lag 2013 in Baden-Württemberg bei 16,05 Euro, während Männer durchschnittlich 21,89 Euro erhielten. Somit lag der Stundenlohn von Frauen 27 Prozent unter dem Stundenlohn von Männern. Dieser Abstand ist höher als im Bundesdurchschnitt (22 Prozent), und es ist bundesweit der relativ höchste Abstand zwischen Frauen- und Männerlöhnen. Hinzu kommt, dass Frauen häufiger als Männer für die Familienarbeit auf eine eigene berufliche Tätigkeit verzichten und sehr viel häufiger in Teilzeit und in prekären Arbeitsverhältnissen arbeiten.

Die langfristigen Auswirkungen dieser Unterschiede spüren Frauen vor allem im Alter. Aktuelle Daten des Landesarmutsberichtes weisen für ältere Menschen mit 17,1 Prozent ein höheres Armutsrisiko (AR) aus als für die Gesamtbevölkerung. Seit langem weisen Sozialwissenschaftler darauf hin, dass aufgrund der zurückgehenden Bedeutung des tariflich abgesicherten Normalarbeitsverhältnisses das Armutsrisiko bei älteren Menschen sehr viel größer ist als das der Gesamtbevölkerung. Das gilt in einem weitaus höheren Maße für ältere Frauen (AR 19,1 Prozent) als für ältere Männer (AR 14,6 Prozent). In den Fällen, in denen die Rente nicht zur Existenzsicherung reicht, müssen Menschen die staatliche Grundsicherung in Anspruch nehmen. Auch davon sind Frauen mit 62,3 Prozent sehr viel häufiger betroffen als Männer.

Bei der Unterscheidung nach Haushaltstypen haben die Alleinerziehenden (eine erwachsene Person mit einem oder mehreren Kindern) das höchste Armutsrisiko; 90 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen. Ihr Armutsrisiko lag 2012 bei 45,8 Prozent. Es ist umso höher, je mehr Kinder im Haushalt leben. Eine unmittelbare Auswirkung ist, dass sich Alleinerziehende häufig keinen ausreichen Wohnraum mehr leisten können. Alleinerziehenden Müttern standen 2012 pro Haushaltsmitglied nur 39,1 m² Wohnfläche zur Verfügung, während in nicht armutsgefährdeten Haushalten 58,4 m² pro Haushaltsmitglied zur Verfügung standen.

Hunger und Mangelernährung

Weltweit leiden über zwei Milliarden Menschen an Hunger oder Mangelernährung. 70 Prozent der Hungernden sind Frauen und Mädchen. Jeder fünfte Mensch weltweit ist eine mangelernährte Frau oder ein mangelernährtes Mädchen. In ländlichen Regionen ärmerer Länder sind es Frauen, die die Hauptlasten zur Versorgung der Familien tragen. Häufig müssen sie sich von dem ernähren, was übrig bleibt. Die Folge sind Mangelernährung und Hunger. Die Zahl der allein von Frauen geführten Haushalte steigt aufgrund von Kriegen, HIV/AIDS und der Abwanderung vieler Männer.

Frauen werden vielfach diskriminiert: Ihnen wird das Recht auf Grund und Boden sowie auf Wasser verweigert – mangelnde Rechtstaatlichkeit manifestiert diese Situation. Sie dürfen nicht zur Schule gehen und haben keinen Zugang zu Bildung. Als Konsequenz führt das zur Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt. Sie haben kaum oder wenig Zugang und damit geringe oder keine Möglichkeit, ein eigenes Einkommen zu erzielen.

Gewalt und Flucht

49 Prozent aller Flüchtlinge weltweit sind laut UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees) Frauen; etwa 75 Prozent sind Frauen und Kinder. Frauen und Mädchen sind besonders betroffen von geschlechtsspezifischer Verfolgung und Gewalt in ihren Heimatländern: Zwangsheirat, Frauenhandel, Genitalverstümmelung, Vergewaltigungen, häusliche Gewalt. Kennzeichnend für diese spezifische Gewalt ist, dass das Geschlecht entweder den Grund für die Verfolgung darstellt oder die Art der Verfolgung bestimmt.

Die Unterbringungssituation für geflüchtete Menschen ist derzeit sehr angespannt. Bei der Unterbringung in Hallen und Zelten ist die Privatsphäre der Menschen eingeschränkt. Die Abgrenzung der Schlafbereiche ist häufig nur durch einen dünnen Sichtschutz gegeben. Dies ist besonders für Frauen schwierig. Oft haben sie im Heimatland oder auf der Flucht diskriminierende oder sogar sexuell übergriffige Erfahrungen gemacht. Nun müssen sie auf engstem Raum mit fremden Männern leben, ohne Privatsphäre, ohne Rückzugsmöglichkeiten.

Ehe und Familie sind im Grundgesetz mit einem besonderen Schutz versehen. Das Thema Familienzusammenführung nimmt momentan einen breiten Raum ein. Viele verheiratete Männer und Familienväter haben sich zunächst alleine auf die kostspielige und lebensgefährliche Flucht nach Europa und Deutschland aufgemacht, in der Hoffnung, dann auf sicheren Wegen ihre Frauen und Kinder nachholen zu können. Diese warten im Herkunftsland oder in Erstaufnahmelagern in Anrainerstaaten. Dort sind sie kriegerischen Angriffen und/oder einer sehr schlechten Versorgungslage ausgesetzt. Nahrungsmittel fehlen, die Kinder können keine Schule besuchen. Eine Aussetzung des Familiennachzugs betrifft damit die besonders verwundbare Gruppe der Frauen und Kinder.

Unterstützung durch die Diakonie Württemberg

Die Diakonie Württemberg setzt sich für die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen in Notlagen ein. Die Hilfen stehen Notleidenden unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion etc. zur Verfügung. Im Bereich der internationalen diakonischen Arbeit ist es ein wesentliches Ziel, Fluchtursachen zu mindern. Die Schwesterorganisationen Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe und die Aktion Hoffnung für Osteuropa leisten dazu humanitäre Hilfe und Nothilfe sowie Unterstützung zur Selbsthilfe  vor Ort in Krisen- und Notstandsgebieten.

Mehr Info: www.diakonie-wuerttemberg.de/spenden

Das Diakonische Werk Württemberg
Das Diakonische Werk Württemberg mit Sitz in Stuttgart ist ein selbstständiges Werk und der soziale Dienst der Evangelischen Landeskirche und der Freikirchen. Auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes unterstützt der Wohlfahrtsverband im Auftrag des Staates hilfebedürftige Menschen. Das griechische Wort „Diakonia“ bedeutet „Dienst“. Die Diakonie in Württemberg ist ein Dachverband für über 1.200 Einrichtungen und Dienste. Über 40.000 hauptamtliche Mitarbeiter und mehr als 35.000 Ehrenamtliche betreuen über 275.000 Menschen in Beratungsstellen oder Einrichtungen, in denen sie leben. Es sind Kinder, Jugendliche und Familien, Menschen mit Behinderungen, alte und pflegebedürftige Menschen, Arbeitslose, Wohnungslose, Überschuldete und andere Arme, Suchtkranke, Migranten und Flüchtlinge sowie Mädchen und Frauen in Not. Täglich erreicht die württembergische Diakonie über 100.000 Menschen. Das Diakonische Werk Württemberg ist ebenfalls Landesstelle der Internationalen Diakonie, Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe und Hoffnung für Osteuropa.

PM

 

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