„Verantwortlich für das, was wir tun, und für das, was wir unterlassen“ Kein langweiliges Nebeneinander von Statements, sondern eine lebendige Diskussion fordern Eckhart Klein (Die Grünen) Sascha Binder (SPD) und Hans-Peter Semmler (FDP) im Vorgespräch. Auf Einladung der Evang. Kirchengemeinde Heiningen diskutieren die Wahlkreiskandidaten der im Landtag vertretenen Parteien zum Thema „Flüchtlinge in Baden- Württemberg, Perspektiven innerhalb der Landespolitik“. Seitens der Kirchengemeinde moderieren Linde Janke und Dr. Peter Richter die Veranstaltung. Sie bedauern die Absage von Nicole Razavi, (CDU) die sich aus Termingründen entschuldigt habe.
Der große Saal im Ökumenischen Gemeindehaus in Heiningen hat sich gefüllt, als Dr. Richter die Anwesenden mit einem Zitat von Moliére begrüßt: „Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“ Das Podium diskutiert zunächst Fluchtursachen und ihre mögliche Überwindung durch Außenwirtschaftsförderung und Regulierung. Dr. Richter bringt als Beispiel: „Minderwertige Hühnerteile wie Innereien, Flügel, Hälse und genießbare Fleischabfälle wie Chickenbacks überschwemmen lokale afrikanische Märkte. Afrikanische Geflügelbauern müssen aufgeben.“ Klein skandalisiert, „EUÜberschüsse werden runtersubventioniert und zerstören die Märkte vor Ort“. Der Landespolitiker Binder berichtet von einer Bauerngenossenschaft im Partnerland Burundi. Von der Entwicklungszusammenarbeit des Landes unterstützt, produzieren 770 burundische Kleinbauern Fairtrade Kaffee. Semmler sieht auch den Verbraucher in der Pflicht: Geiz ist geil Mentalität oder nachhaltiger Konsum? Angesprochen auf die Handlungsoptionen des Landes im Hinblick auf Rüstungsexporte äußern sich alle drei Kandidaten verhalten. Man hält reale Anreize für Konversion, beispielsweise durch Steuererleichterungen oder durch die Übernahme von Beratungskosten für denkbar, die Realisierung relevanter Programme könne man sich nicht vorstellen.
„Sind Flüchtlinge in Baden-Württemberg willkommen?“ Linde Janke thematisiert die Verschärfung der Asylgesetze. Deutschland setze den Familiennachzug aus, die Balkanroute schließe sich. „60% der Flüchtlinge auf der Balkanroute sind Frauen und Kinder. Ihnen bleibt nur der lebensgefährliche Weg über das Wasser.“ Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Herkunftsländern, auch bedrohte Minderheiten, würden abgeschoben. Die Kandidaten nehmen Stellung. Der Unternehmer Eckhardt Klein (Die Grünen) hält es aus humanitären und demografischen Gründen für falsch, den Familiennachzug zu begrenzen und plädiert für ein Einwanderungsgesetz. Er verweist auf die Klage der Grünen. Der Menschengerichtshof solle prüfen, ob es zulässig sei, den Familiennachzug von Minderjährigen zu verbieten. Binder rechnet mit Verzögerungen aufgrund der Bearbeitungsrückstände: „Nur ein anerkannter Flüchtling kann einen Familiennachzug beantragen“. Abschiebungen in Westbalkanländer hält er für richtig, wobei er betont, die überwiegende Mehrheit der Westbalkanflüchtlinge im Land kehrten freiwillig zurück. Der Politiker berichtet, das Land engagiere sich vor Ort, beispielsweise mit 2,5 Mio Euro für Müllentsorgung und Infrastruktur in Dohuk, Irak. Die Region habe 1,4 Mio Einwohner und beherberge zusätzlich 700.000 Flüchtlinge. Semmler, Vorsitzender des FDP Ortsverbands Voralb, schildert das persönliche Beispiel gelungener Integration und seine Erfahrungen in der Arbeit mit Armutsflüchtlingen. Er fordert, die Antragsbearbeitung müsse verkürzt werden. Hier könne das Land helfen. Klein kritisiert, Maghreb-Staaten wie Marokko, Tunesien und
Algerien wurden zu sicheren Herkunftsländern erklärt. Es gebe keine Rückführungsabkommen. Der individuelle Anspruch auf Asyl müsse überprüft werden. Unter Beifall des Publikums lobt Binder das Engagement der Kommunen im Landkreis. Die Zuwanderung sei eine Chance, bislang vernachlässigte soziale Aufgaben für alle Gruppen anzupacken, wie z.B. weitere Investitionen in den Sozialen Wohnungsbau. Der Rechtsanwalt und SPD Abgeordnete im Landtag und im Kreis betont den notwendigen Zugang zu guter Bildung und guter Ausbildung, „für die, die hier sind und für die, die zu uns kommen“. Zusätzliche Mittel wurden bewilligt. Hans-Peter Semmler (FDP) ergänzt aus der Sicht des Unternehmers, Handwerk, Industrie, Dienstleister stünden bereit und benötigten öffentliche Mittel, beispielsweise um Sozialversicherungsbeiträge für Flüchtlinge abzufedern.
Nach an der Sache orientierter fairer Diskussion verabschieden sich die Kandidaten mit dem Appell an die Anwesenden: „Machen Sie von Ihrem Wahlrecht Gebrauch. Wählen Sie demokratisch!“
Linde Janke, Dr. Peter Richter