Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist beliebt, das ist bekannt, immerhin liegt Zustimmung bei der Wahlbevölkerung zu seiner Person bei 71 %. Da wir es schon mal schwer die geeignet großen Veranstaltungsräume zu finden. In Geislingen fand man sie in der Jahnhalle, die mit 500 Besuchern voll besetzt war, in Göppingen waren in der Stadthalle nur noch die gekoppelten Märklinsaal und Schulersaal frei. Hier passten 350 Bürger rein. Rund 200 weitere Bürger mussten draußen bleiben, was vor allem den Göppinger Kandidaten der Grünen, Alexander Maier schmerzte. Leider standen Alternativen in Eislingen und Uhingen nicht zur Verfügung.
Sowohl in Geislingen, hier stellte der Bad Boller Moderator Jobst Kraus dem Ministerpräsidenten Fragen, als auch in Göppingen, hier hielt Kretschmann eine Rede, begeisterte der Landesvater durch seine sachliche, staatstragende Art. Keine Angriffe auf den politischen Gegner, höchstens einmal ein kleiner Seitenhieb, dafür aber das Eingeständnis eigener Fehler brachte dem Ministerpräsidenten viel Sympathie ein.
Zu Beginn der Versammlungen stellten sich die beiden grünen Kandidaten, Eckhart Klein in Geislingen und Alexander Maier in Göppingen, vor. Klein berichtete von seinen Träumen, die er als Ehemann und Familienvater für die Zukunft habe: Ich träume von einer Zukunft, in der Menschen wegen ihrer Herkunft, ihrem Glauben, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Behinderung, ihrer Überzeugung weder bevorzugt noch benachteiligt werden. Er ist aber auch Realist, so Klein, der heute entscheiden muss, was machbar ist, dabei geht es um den Ausbau der B10, den Metropolexpress, die Energieeinsparung oder auch die Förderung erneuerbarer Energien.
Alexander Maier dagegen hielt eine durchaus kämpferische Rede in der er für den Fortbestand der grünroten Regierung warb und in der er das Bindeglied sein wolle zwischen dem Wahlkreis Göppingen und dem Land.
„Wir sind sozialer und ökologischer geworden und dabei weltoffen geblieben“, zog Kretschmann Bilanz der letzten fünf Regierungsjahre, wir sind pragmatisch aber nicht beliebig“.
Einen breiten Raum nahm in beiden Veranstaltungen das Thema Flüchtlinge ein. Kretschmann stellte sich hierbei voll hinter der Bundeskanzlerin Angela Merkel und setzt sich hiermit deutlich von seinem CDU-Kontrahenten Wolff ab, der seine eigene Parteivorsitzende für ihre Politik lieber kritisiert. Kretschmann verteidigte die Asylpolitik, die kein Gnadenrecht sondern ein Grundrecht sei. Er forderte einen pragmatischen Humanismus, den Schutz von Flüchtlingen aus Kriegs- und Bürgerkriegsregionen, aber auch die Zurückweisung von reinen Armutsfüchtlingen. Hier forderte er Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut, um so die Ursachen der Flucht zu bekämpfen. Insbesondere forderte er Investitionen in den afrikanischen Ländern um Arbeitsplätze zu schaffen.
Das immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen sei kein Wunder, so Kretschmann, wir tun nichts dafür, Kriege zu verhindern oder zu beenden, wir unterstützen die Flüchtlinge nicht in der Lagern in Jordanien, dem Libanon oder der Türkei, geben ihnen hier nichts zu essen, kein festes Dach über dem Kopf und auch keine Schulen, in die die Kinder gehen können. Nur die Verzweiflung treibe die Flüchtlinge nach Europa, nicht deren Abenteuerlust.
Aber noch größer als die Flüchtlingskrise sei der Krise der europäischen Idee. Wenn alle Staaten zusammenhalten würden, gäbe es bei 700 Mill. Einwohnern keine Flüchtlingskrise.
Eindeutig wandte sich der Ministerpräsident gegen sexuelle Übergriffe auf deutsche Frauen. Vorkommnisse wie in Köln dürfen nicht toleriert werden, diese Flüchtlinge haben ihren Flüchtlingsstatus verwehrt. Rechtfreie Räume dürfen wir nicht zulassen, dies dient auch dem Schutz der anderen Flüchtlinge vor Vorurteilen. Vehement wandte sich Kretschmann gegen die von der CDU geforderte Umstellung der den Flüchtlingen gewährten Geldleistungen auf Sachleistungen. Für eine Unterkunft mit zum Beispiel 4.000 Flüchtlingen bedeute dies den Aufbau eines riesigen Lagers, in dem von der Socke über den Teebeutel bis zum Tampon alles vorgehalten werden muss. Jede Abgabe muss penibel dokumentiert werden, eine riesige „Zettelwirtschaft“, mahnte Kretschmann, der stattdessen die Ausgabe von Bargeldkarten anregte, mit der die Flüchtlinge dann in jedem beliebigen Laden einkaufen können.
Er werde oft als „Kanzlerinversteher“ verspottet, aber es bestehe die Gefahr, dass Europa an der Flüchtlingsfrage zerbricht. Dies wäre eine epochale Katastrophe, warnte Kretschmann. 70 Jahre Frieden im Kernbereich Europas stehen auf dem Spiel. Er warnte vor einer weiteren Stärkung nationaler Tendenzen, die Auslöser beider Weltkriege waren. Angela Merkel ist die einzige Regierungschefin in Europa, die das Format hat, Europa zu leiten und voran zu bringen.
Die SAP sei die einzige deutsche, zum Glück baden-württembergische Firma, die zu den 20 größten IT-Firmen in der Welt gehört. Wenn der deutsche Mittelstand im digitalen Zeitalter den Anschluss nicht verlieren will, muss viel mehr investiert werden als bisher. Mit Kupferkabel als Datenautobahn ist das nicht getan, konnte er sich einen Seitenhieb auf Bayern nicht verkneifen. Hier investiert man in eine veraltete Technik. Baden-Württemberg fördert nur noch den Ausbau von Glasfaserverbindungen.
Klimaschutz ist keine grüne Spielwiese, sondern unsere Zukunft. Zusammen mit Kalifornien, der zehngrößten Volkswirtschaft der Welt habe Baden-Württemberg Forderungen aufgestellt, um den Temperaturanstieg auf unter 2 Grad zu reduzieren. Inzwischen haben sich über 120 Regionen und Staaten dieser Forderung angeschlossen. Ziel ist hierbei, nicht nur Ziele zu fordern, sondern auch zu zeigen, dass man mit der Umsetzung Geld verdienen, den Wohlstand der Staaten steigern kann.
Bildung ist die Voraussetzung für alles, resümierte Kretschmann, und deshalb ist es das Ziel der Landesregierung, die Bildung unabhängig von der wirtschaftlichen Lage der Eltern zu machen. Gleiche Bildungschancen für alle, individuelle Förderung um den bestmöglichen Schulabschluss zu bekommen und hierbei die Schwachen genauso wie die Exzellenten gezielt zu fördern. Die Gemeinschaftsschulen sind hierbei eine Möglichkeit, auch in ländlichen Regionen alle Schulabschlüsse in vertretbarer Entfernung anbieten zu können. Wie viel Geld das Land in die Kinder- und Jugendförderung steckt, zeigt sich am Beispiel von Göppingen, wo die Förderung von 600.000 EUR auf 3 Mill. Euro gestiegen sei.
Wir sind ein schönes Land, aber die Industrie macht Druck auf die Natur. Wir müssen eine Balance finden zwischen den Ansprüchen der Industrie nach neuen Industriegebieten und den Ansprüchen der Bevölkerung nach einer vielfältigen Kulturlandschaft mit einem hohen Erholungswert. Diese Balance will man mit der Schaffung von großräumigen Schutzgebieten wie dem Naturpark Schwarzwald gewährleisten.
Im Netz gibt es eine Sprache, die einem frieren lässt, bedauert Kretschmann. Um hier entgegenzuwirken fördert die Landesregierung eine Bürgergesellschaft mit engagierten Bürgern, die in vielfältigen Vereinen und Organisationen demokratisch und zivilisiert für ihre Interessen eintreten.
In Geislingen wurde Winfried Kretschmann auch nach seinen politischen Anfängen und seinen größten Fehlern gefragt. Wichtig war, so blickte Kretschmann zurück, dass man auch in der Opposition nur Forderungen stellt, die man später in der Regierungsverantwortung auch erfüllen kann. Sonst verspielt man das Vertrauen der Bürger. Die CDU mache heute den Fehler gleichzeitig neue Ausgaben aber auch eine Haushaltskonsolidierung zu fordern.
Er selbst habe bei der Regierungsübernahme eine motivierte und loyale Beamtenschaft vorgefunden, die ihm das Arbeiten leicht gemacht habe. Man habe aber mit der Regierungsübernahme keine Macht bekommen, man stellt nicht alles auf den Kopf, man muss immer wieder um Mehrheiten kämpfen.
Die Niederlage bei der Abstimmung zu Stuttgart 21 war sein härtester Tag der bisherigen Regierungszeit, aber jetzt wird es gemacht, ich stehe mit aller Macht dahinter, was das Volk beschlossen hat, auch wenn ich selber vorher zehn Jahre dagegen gekämpft habe.
Viele Bürger möchten Kretschmann auf jeden Fall wieder als Ministerpräsidenten sehen, was sollen sie machen, wenn sie die Grünen eigentlich nicht so mögen, wurde er gefragt. Dann müssen sie in den sauren Apfel beißen und Grün wählen, so Kretschmann, nur wer grün wählt bekommt Kretschmann.