Beate Müller-Gemmeke ist Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion für ArbeitnehmerInnenfragen und als solche interessiert an allen Themen rund um das Thema Arbeit. Und obwohl es nirgends in Europa weniger Arbeitslose gibt als in Deutschland, liegt hier auch vieles im Argen. Über ganze Gruppen von Menschen wird nicht gesprochen, sie bleiben vom Arbeitsmarkt ausgesperrt, Hilfen werden sogar gekürzt.
Beate Müller-Gemmeke besuchte deshalb im Kreis Göppingen ganz bewusst Organisationen, die sich gerade dieser Menschen annehmen und hörte sich deren Probleme an.
Die gemeinnützige Staufen Arbeits- und Beschäftigungsförderung GmbH (SAB) in Jebenhausen hat es sich zur Aufgabe gemacht, schwervermittelbare Arbeitslose, Langzeitarbeitslose, jugendliche Arbeitslose und Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten in ein arbeitstherapeutisches Beschäftigungsverhältnis aufzunehmen und deren Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu fördern. Besondere Schwerpunkte sind dabei neben der beruflichen Qualifikation die soziale und sozialpädagogische Betreuung dieses Personenkreises. Die SAB hat zurzeit etwa 150 Menschen in der Betreuung, ihre bisher geleistete Arbeit wird allseits gelobt und der Erfolg ist unbestritten, trotzdem wurden Mittel verschiedener europäischer und bundesrepublikanischer Förderprogramme radikal gekürzt. Mittel wurden umgeschichtet, immer neue Förderrichtlinien werden gestrickt, der Verwaltungsaufwand bei der SAB steigt ins unermessliche. Wegen der Arbeit, die ohne Sozialpädagogen nicht möglich ist, benötigt die SAB dringend Geld, das aber trotz mannigfaltiger Versprechen nicht fließt. Die Geschäftsführerin der SAB, Karin Woyta, macht gegenüber Beate Müller-Gemmeke ganz klar, die SAB steht kurz von der Insolvenz. Die Bundesregierung hat, und das bei einer SPD-Sozialministerin, fast alle Mittel für die Betreuung und Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen gestrichen. Noch mehr ärgert Karin Woyta die oft undurchsichtige Vergabepraxis der Mittel. Der eine Träger bekommt, der andere nicht, warum bleibt offen.
Beate Müller-Gemmeke pflichtete ihr bei, so gut die Beschlüsse der Bundesregierung zum Mindestlohn oder zur Rente sind, gerade bei der Betreuung und Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen hat die Regierung katastrophal versagt. Der Arbeitsmarkt ist inzwischen so kompliziert geregelt, dass selbst Politiker die Regelungen nicht mehr durchschauen, und die SPD hat das Problem noch nicht einmal mehr im Wahlprogramm sondern konzentriert sich auf den Mindestlohn und die Rente mit 63.
Wir müssen den Menschen wieder in der Vordergrund stellen, warnte Beate Müller-Gemmeke, die davor warnte, Flüchtlinge, Langzeitarbeitslose und andere bedürftige Menschen gegeneinander auszuspielen.
Bei einem anschließenden Besuch der Lebenshilfe-Werkstätten in Eschenbach konnte sich Beate Müller-Gemmeke ein Bild von den Arbeitsbedingungen eines Teils der 640 Mitarbeiter mit Behinderungen machen. Die Werkstätten der Lebenshilfe sind im ganzen Landkreis verteilt und teilweise sogar in den Betrieben der Auftraggeber integriert, so erklärte der Geschäftsführer der Lebenshilfe, Uwe Hartmann. Beschäftigt werden Menschen mit geistiger Behinderung und mit Mehrfachbehinderung. Dabei, so versicherte Uwe Hartmann, seien die Werkstätten keine Bastelstube sondern ein Unternehmen, das flexibel und qualitätsorientiert als Zulieferer für diverse Firmen tätig ist. Die Mitarbeiter werden gemäß ihrer Leistungsfähigkeit eingesetzt und vollbringen oft ganz erstaunliche Leistungen.
Der Lohn der Mitarbeiter wird auf die Grundsicherung angerechnet, weshalb ihnen für die geleistete Arbeit kaum ein geldlicher Mehrwert bleibt. Sie haben aber durch ihre Arbeit einen geregelten Tagesablauf und ein soziales Umfeld, in dem sie sich sichtbar wohl fühlen.
Die Kunden der Lebenshilfe-Werkstätten schätzen die Kompetenz und die Zuverlässigkeit, so der Leiter der Eschenbacher Werkstatt, trotzdem müsse man sich in einem hart umkämpften Markt behaupten.
Beate Müller-Gemmeke würde einen Mindestlohn befürworten, der auch in Werkstätten gilt. Entgelt statt Grundsicherung, so sehe ihr Traum aus, versicherte Beate Müller-Gemmeke.
Der dritte Besuch an diesem Tag galt dem DGB-Kreisvorsitzenden Wolfgang Scholz. Hier waren der Mindestlohn, die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung, die Rente mit 63 sowie die Anhebung der Rentenbezüge wichtige Gesprächsthemen. Kritisiert wurden die Arbeitsagenturen dafür, dass sie Arbeitslose sofort zu Zeitarbeitsfirmen schicken. Hier forderte Beate Müller-Gemmeke für Leiharbeiter den gleiche4n Lohn wie für Festangestellte plus einem Fexibilisierungszuschuss von 10 %. So werden Leiharbeiter dann wirklich nur noch für Arbeitsspitzen eingestellt satt als billige Alternative zu Festangestellten. Heute lassen die Gesetze es zu, dass Firmen ganz ohne eigenes Personal, nur mit Leiharbeitnehmern arbeiten. Das darf nicht mehr sein, forderte Müller-Gemmeke, die die weiteren Forderungen der Grünen zusammenfasste: Anhebung des Rentenniveaus, Mütterrente aus Steuermitteln, Abschaffung der Riesterrente, Streichung der Abschläge bei Erwerbsminderungsrente, Garantierente nach 30 Arbeitsjahren sowie die Anhebung des Mindestlohns, der auch für anerkannte Flüchtlinge gelten muss.
Der Tag endete mit einer öffentlichen Veranstaltung zum Thema „Zukunft der Arbeit“. Hier freute sich die Bundestagsabgeordnete aus Reutlingen natürlich über die guten Arbeitsmarktzahlen und die Verdienste der Grünen in Baden-Württemberg. Man habe das Tariftreue- und Mindestlohngesetz, das Bildungszeitgesetz und das Landesprogramm für Langzeitarbeitslose beschlossen.
Trotz des Mindestlohn sei die Arbeitslosenquote zurückgegangen, die prognostizierten negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt seien ausgeblieben, stattdessen konnte man sogar einen Rückgang bei den Minijobs verzeichnen.
Aber immer noch verdienen viele Menschen so wenig, dass sie mit ALG II aufstocken müssen. Das verdiente Geld reicht nicht für eine Familie, so berichteten auch Teilnehmer der Versammlung aus eigener Erfahrung.
Ein weiteres Problem der Arbeitswelt seien die immer weiter um sich greifenden Befristungen vor Arbeitsverträgen. Hier ist keine Lebensplanung möglich, dies zerrt an der Psyche, so Müller-Gemmeke, die auch die zunehmenden Belastungen am Arbeitsplatz kritisierte. Stress führe immer mehr zu krankheitsbedingten Fehlzeiten und frühzeitiger Rente, die dann direkt in die Altersarmut führt. Hier haben wir im Arbeitsschutzgesetz ein deutliches Regelungsdefizit, beschrieb Müller-Gemmeke die Ursachen. Taktarbeit am Band, permanente Überwachung der Arbeit, ausufernde Arbeitszeiten seinen nur einige der Ursachen für Stress und Krankheit.
Die Arbeitswelt wird sich weiter ändern, dafür brauchen wir angepasste Gesetze und Verordnungen, die auch die Arbeit von Zuhause aus, die flexible Arbeit, die Arbeit auf Abruf beinhaltet und berücksichtigt.