Gute Nachricht für Verbraucherinnen und Verbraucher in Baden-Württemberg und Europa: Ab heute gibt es in der Europäischen Union die Möglichkeit, Streitigkeiten mit Unternehmen nach Online-Geschäften auch direkt im Netz zu klären. Über eine neue Online-Plattform der Europäischen Kommission sollen Streitfälle schneller und kostengünstig beigelegt werden.
„Die alternative außergerichtliche Streitbeilegung bietet Verbraucherinnen und Verbrauchern eine gute Möglichkeit, ihre Rechte bei Streitigkeiten mit Unternehmen besser und leichter durchzusetzen. Die neue Online-Plattform der EU ist hier ein wichtiger Baustein, denn sie ermöglicht unkomplizierte Lösungswege beispielsweise bei Konflikten nach einem Einkauf im Internet“, sagte Verbraucherminister Alexander Bonde.
Dass der Bedarf an solchen Konfliktlösungen groß ist, zeigen die Ergebnisse des Verbrauchermonitors Baden-Württemberg 2015, einer repräsentativen Umfrage unter Bürgerinnen und Bürgern im Land: Knapp jeder dritte Befragte hat beim Kauf von Produkten und Dienstleistungen im Internet schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht. Doch oft beschweren sich Verbraucherinnen und Verbraucher nicht, weil sie Sorge haben, dass ein Verfahren zu lange dauern oder keine brauchbare Lösung bringen könnte. „Die neue Online-Plattform der EU-Kommission erleichtert es Verbraucherinnen und Verbrauchern, Streitfälle mit Online-Händlern auch aus anderen EU-Staaten außergerichtlich sowie schnell und kostengünstig direkt online zu klären“, betonte Bonde. Mit der Europäischen Plattform für Online-Streitbeilegung schafft die EU eine interaktive, kostenlose Webseite. Diese fungiert bei Streitigkeiten wegen online abgeschlossener Kauf- oder Dienstleistungsverträge als zentrale Anlaufstelle: Die Plattform hilft Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Unternehmen dabei, in solchen Situationen die richtige Schlichtungsstelle zu finden.
„Online-Schlichter“ war Vorreiter für europäische Plattform
Das Land Baden-Württemberg hat mit der Förderung des Pilotprojekts „Der Online-Schlichter“ bereits langjährige Erfahrungen bei der alternativen Streitbeilegung im Bereich des Online-Handels gesammelt. Die beim Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz e.V. in Kehl angesiedelte Schlichtungsstelle gilt bundes- und europaweit als Erfolgsprojekt. Mittlerweile haben sich die Bundesländer Bayern, Hessen, Berlin, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz sowie Wirtschaftsunternehmen und -verbände als Finanzierungspartner dem Online-Schlichter angeschlossen. „Der Online-Schlichter ist ein wegweisendes Beispiel, wie außergerichtliche Streitbeilegung attraktiv und qualifiziert funktioniert“, so Bonde. Seit der Gründung gingen etwa 5.000 Fälle ein, die durchschnittlich innerhalb von nur eineinhalb Monaten geklärt werden konnten. „In rund 70 Prozent der Fälle konnte die Online-Schlichtungsstelle eine außergerichtliche Einigung erreichen. Kein Wunder, dass der Online-Schlichter heute quasi eine Blaupause für die Einrichtung weiterer Schlichtungsstellen ist“, so Bonde.
Deutschland und die EU auf dem Weg zu einer neuen Schlichtungskultur
In Deutschland und anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union existieren bereits zahlreiche Einrichtungen zur außergerichtlichen Streitbeilegung. In Deutschland spezialisieren sich solche Stellen meistens auf die Lösung von Streitfällen aus einzelnen Branchen und werden deshalb oft von der Wirtschaft, wie zum Beispiel die Schlichtungsstelle Energie e.V., oder auch von Behörden getragen, wie beispielsweise die bei der Bundesnetzagentur angesiedelte Schlichtungsstelle Telekommunikation. Die Zuständigkeiten und Bezeichnungen variieren jedoch stark, weshalb vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht bekannt ist, ob für ihren individuellen Problemfall eine solche Schlichtungsstelle existiert und wie diese zu finden ist.
Auch der europäische Gesetzgeber hat EU-weit starke Unterschiede in Bezug auf Verfügbarkeit, Qualität und Bekanntheit solcher Einrichtungen festgestellt. Die EU hat mit ihrer Richtlinie über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten die EU-Mitgliedsstaaten daher zur flächendeckenden Einrichtung staatlich anerkannter Schlichtungsstellen für alle gängigen Kauf- oder Dienstleistungsverträge verpflichtet. Sie hat dabei einheitliche Anforderungen an deren Fachwissen, Unparteilichkeit, Transparenz und das Schlichtungsverfahren festgelegt. Mit dem sogenannten Verbraucherstreitbeilegungsgesetz, das in Kürze in Kraft tritt, hat die Bundesregierung diese Verpflichtung nun umgesetzt. Danach werden bestehende und neue Schlichtungseinrichtungen die Möglichkeit haben, sich vom Bundesamt für Justiz zur „Verbraucherschlichtungsstelle“ nach den EU-Kriterien anerkennen zu lassen. „Ich hoffe, dass sich der Erfolg des baden-württembergischen Pilotprojektes zur Online-Schlichtung jetzt auch auf EU-Ebene weiter fortsetzt. Damit wären Deutschland und die EU auf dem Weg zu einer neuen Schlichtungskultur, die im Sinne aller Beteiligten ist – und Verbraucherinnen und Verbrauchern viel Geld, Zeit und Ärger ersparen kann“, so Bonde abschließend.
Die neue EU-Plattform kann ab heute abgerufen werden und funktioniert folgendermaßen: Wer Probleme beim Online-Einkauf hat, kann eine Beschwerde gegen das betreffende Unternehmen kostenlos und in der Sprache seiner Wahl einreichen, indem sie oder er ein elektronisches Beschwerdeformular auf der Online-Plattform ausfüllt. Das Unternehmen wird dann von der OS-Plattform über die Beschwerde informiert. Die Verbraucherin oder der Verbraucher und das Unternehmen vereinbaren anschließend, von welcher Einrichtung der alternativen Streitbeilegung der gemeinsame Konflikt bearbeitet werden soll. Sobald sie sich auf eine dieser staatlich anerkannten Schlichtungsstellen geeinigt haben, werden der gewählten Einrichtung über die Online-Plattform Einzelheiten zur Streitigkeit übermittelt. Auch die Streitschlichtung selbst wird von den Schlichtungseinrichtungen online und auf elektronischem Weg durchgeführt – so können Konflikte schneller gelöst werden als bisher.
Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz: Verbraucherschutz
Verbraucherportal Baden-Württemberg
PM