Wie steht der UN-Menschenrechtsrat zu den Staaten, die durch Menschenrechtsverletzungen die Flüchtlingsströme auslösen?
„Menschenrechte überall – was können wir dafür tun? war das Motto der Veranstaltung am Montag in der Eislinger Stadthalle. MdL Peter Hofelich erläuterte, dass es gerade in bewegten Zeiten wie diesen wichtig sei, dass sich jede und jeder in der Bürgerschaft diese Frage stelle. Außer Frage stehe jedoch, dass es in Deutschland keine kulturellen oder religiösen Rabatte für eine Einschränkung der Menschenrechte, zum Beispiel für die Einschränkung der Rechte der Frau, gebe.
Angesichts der derzeitigen Flüchtlingssituation betonte Dr. Rücker: „Menschenrechte muss man immer mitdenken. Auch im Umgang mit Migranten. Manche kommen zu uns, weil die Menschenrechte in ihrem Land verletzt werden; manche wegen sozialen oder wirtschaftlichen Menschenrechtsverletzungen. Das heißt natürlich nicht, dass man alle reinlassen muss. Man muss sich aber bewusst sein, dass die Fluchtursache die Verletzung individueller Menschenrechte ist.“
Auf die Frage, was wir hier bei uns tun können zur Wahrung der Menschenrechte, erklärt der Vertreter Deutschlands in Genf: „Zunächst ist es in diesen Zeiten wichtig, Dinge richtig einzuordnen. Migration ist nicht Schlimmes. Konkret könne man sich als Bürgerin oder Bürger z.B. bei NGOs wie Amnesty International engagieren. „Oder im Konsumverhalten auf fair gehandelte Waren achten“, bemerkt Walter Scheck, Pfarrer a.D. Auf die Nachfrage des Eislinger Flüchtlingspaten Peter Ritz aus dem Publikum, wie man denn bei den Vereinten Nationen zum jüngsten Beschluss der Bundesregierung stehe, den Familiennachzug für zwei Jahre auszusetzen, antwortet Rücker: „Die Hochkommissare wollen sich nicht zu sehr in die Innenpolitik von Ländern einmischen. Sie äußern sich natürlich politisch, können den einzelnen Regierung jedoch nichts verbieten.“
„Im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik drängen sich zur Zeit zwei Fragen auf: Wie geht es weiter? Und, schaffen wir das überhaupt? Auf der nationalen und internationalen politischen Agenda hat die Lösung des Syrienkonflikts sowie die Bekämpfung der Fluchtursachen oberste Priorität. Während wir hier bei der Veranstaltung sitzen, spricht der UN- Sondergesandte mit der syrischen Opposition“, erläutert Dr. Joachim Rücker, der Vorsitzende des UN-Menschenrechtsrats aus dem Jahr 2015. Wichtig sei in Krisenzeiten vor allem eine kluge Außenpolitik, wie sie der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier gestaltet, da in einer globalisierten Welt eine enge Verknüpfung von Innen- und Außenpolitik bestehe.
Die internationale Herausforderung besteht laut Dr. Joachim Rücker darin, dass auch Länder im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen sitzen, die Menschenrechte mit der Begründung religiöser Werte relativieren. Diese Länder dürften jedoch nicht aus dem Rat gedrängt werden, da sie durch ihre Mitgliedschaft wenigstens Mitreden und möglicherweise auch in Rechtfertigungsdruck geraten. Man dürfe niemanden aus der universellen Geltung der Menschenrechte entlassen. Allein die Empörung über Staaten, in denen die Scharia gelte, würde nicht weiterbringen. Entscheidend sei der Diskurs mit diesen Ländern. Der Umgang mit solchen Ländern sei auch deshalb nicht einfach, da der Menschenrechtsrat über keine direkten Sanktionsmöglichkeiten verfüge und außerdem unterfinanziert sei. Allerdings könne man Staaten, durch Dokumentation der Menschenrechtsverletzungen durch NGOs und den Diskurs im UN-Menschenrechtsrat unter Rechtfertigungsdruck setzen. Weiterhin gebe es auch politische Erwägungen die Länder, die Menschenrechtsverletzungen begehen nicht gänzlich auszuschließen. Letzten Endes bleibe Rücker zufolge immer noch das Mittel der Suspendierung von Ländern von der Teilnahme am Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen.
Peter Hofelich wurde gefragt, wie er dazu stehe, dass auch baden-württembergische Unternehmen angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen, Geschäfte mit dem Iran und Saudi-Arabien machen würden, ungeachtet der dortigen Menschenrechtsverletzungen. Staatssekretär Peter Hofelich dazu: „Waffenlieferungen sind natürlich Bundesaufgabe. Ich persönlich würde in diesem Punkt eine restriktivere Linie befürworten. Im Allgemeinen nimmt die internationale Kommunikation zu, und das ist gut so. Natürlich geht niemand naiv in solche Staaten, aber Kommunikation ist in der heutigen Zeit wichtiger denn je. Wenn der Iran sich politisch bewegt, sollten auch wir diese Chance nutzen. Es gibt natürlich immer eine moralische Grenze, die man nicht überschreiten soll.“ „Wandel durch Annäherung ist heutzutage so wichtig wie zu Zeiten Willy Brandts“, ergänzt Dr. Joachim Rücker.
Arnulf Wein erkundigte sich, wie man seitens der UN damit umgehe, dass Mittel für Flüchtlingslager und -versorgung auf internationaler Ebene, gekürzt wurden. „Die UN ist so gut oder so schlecht wir ihre Mitglieder und kein Abstraktum. Wenn Mitgliedsstaaten nicht genug für Flüchtlinge geben, gibt es für diesen Bereich nur geringe Mittel. Das ist aber eher ein Versagen der Mitgliedsstaaten und nicht der UN.
Auf eine kritische Nachfrage, warum es trotz Menschenrechtsverletzungen Annäherung bei einem möglichen EU-Beitritt der Türkei gebe, erläutert Rücker: „Selbstverständlich ist die Voraussetzung für einen Beitritt die Einhaltung der Menschenrechte seitens der Türkei.“
PM