Während Politik und Gesellschaft das Thema der Flüchtlinge und Asylsuchenden kontrovers diskutieren und nach Lösungen suchen, kann die Justus-von-Liebig-Schule in Göppingen bereits seit 2012 auf ein erfolgreich umgesetztes umfassendes Konzept zur Integration von Flüchtlingen im Schulalltag blicken.
Im laufenden Schuljahr werden nun 114 Jugendliche aus 21 Nationen im Rahmen der VABO-Klassen (Vorqualifikation Arbeit und Beruf für Jugendliche ohne Deutschkenntnisse) praxis- und handlungsorientiert unterrichtet.
„Viele der Schüler haben eine dramatische Flucht hinter sich und waren über Monate auf sich alleine gestellt“, weiß der technische Lehrer Steffen Kurz aus persönlichen Gesprächen. Manche wissen nicht einmal, ob ihre Familie noch lebt. Solche traumatischen Erfahrungen prägen die jungen Menschen tief, weswegen neben fachlicher Kompetenz bei den Lehrkräften auch empathisches und flexibles Reagieren gefragt ist. Die überaus heterogenen Klassen werden von erfahrenen Pädagogen daher sensibel und zielgerichtet geführt.
Wille zum Lernen
„Die Jugendlichen selbst wollen so schnell wie möglich Deutsch lernen“, berichtet Studiendirektorin Anita Groh-Allgaier. Um dies möglichst effektiv und gleich zusammen mit praktisch anwendbaren Kompetenzen zu vermitteln, setzt die Schule neben reinen Sprachstunden auf sogenannten „handlungs-orientierten Unterricht“ in den Bereichen Gartenbau, Floristik, Hauswirtschaft, sowie Holz- und Metallverarbeitung. Hierbei lernen die Schüler neben der technischen Kompetenz und dem allgemeinen Spracherwerb auch gleich Fachbegriffe wie „Tomatenmark“, „Mazeration“ oder „Hohlbeitel“ anzuwenden, was ihnen einen besseren Einstieg in den Beruf ermöglicht.
Außerdem hilft das Kollegium durch Projekte und Exkursionen den Schülern, Menschen und Kultur im ganz normalen Alltag zu erleben und dadurch neben der Sprache auch gesellschaftliche Regeln und Gepflogenheiten zu verinnerlichen.
Learning by doing
Ein Leuchtturmprojekt ist die gelungene Kooperation mit dem Staatstheater Stuttgart, im Rahmen derer das Drama Peer Gynt inszeniert wurde. Regisseur Christopher Rüping beschreibt das Epos als „Lebensgier der Jugend“ und erzählt von der durch Schiffbruch und Irrungen geprägten Reise des Träumers Peer Gynt auf der Suche nach dem „Kern des Lebens“ vor dem Hintergrund traumatischer Kindheitserlebnisse. Die erfolgreiche öffentliche Aufführung am 13. Juli 2015 in Stuttgarter Schauspielhaus Nord ließ die Schüler im Rahmen der kreativen Arbeit aufblühen und ermöglichte es ihnen auch mitunter negative Erlebnisse zu verarbeiten.
Dies zeigt, dass die Integration von Flüchtlingen nicht etwa in einer Parallelwelt abläuft. So begegnet auch den Schülern der regulären Klassen an der Justus-von-Liebig-Schule das Thema „Flüchtlinge“ nicht nur auf den Gängen im Schulhaus: Ein Seminarkurs zum Thema „Arm sein in einem reichen Land“ beinhaltete für die Schüler des sozial-wissenschaftlichen Gymnasiums im letzten Schuljahr eine Kooperation mit einer der VABO-Klassen.
Der Erfolg dieser Kooperation spornte Schülerinnen des beruflichen Gymnasiums an, eine Aktion ins Leben zu rufen, bei der sie „Patenschaften“ für Schüler der VABO-Klassen übernehmen.
Bislang haben sich bereits über 100 Schüler bereit erklärt, den Flüchtlingen zu helfen und für sie da zu sein, in der Schule, aber auch beim Einleben in Göppingen, in Baden-Württemberg und in Deutschland.
PM