1.730 Gebäudereiniger im Kreis Göppingen leiden unter dem Kampf „Mensch gegen Minute“ – Neue Tarifrunde – letzte Chance: Gebäudereiniger-Konflikt spitzt sich zu

Wenn beim Putzen immer die Stoppuhr mitläuft: Reinigungskräfte im Kreis Göppingen kämpfen nicht nur gegen Staub, Dreck und volle Papierkörbe. Sie kämpfen immer häufiger vor allem gegen die Uhr. Das hat die Gebäudereiniger-Gewerkschaft IG BAU Stuttgart kritisiert. Von den Reinigungskräften werde verlangt, immer mehr Fläche zu machen – ohne dafür allerdings mehr Zeit zu bekommen.

Eine aktuelle Herbst-Umfrage der IG BAU unter Beschäftigten der Branche, an der auch Gebäudereinigerinnen und Fensterputzer aus dem Kreis Göppingen beteiligt waren, habe gezeigt: 57 Prozent der Reinigungskräfte haben in den letzten zwei Jahren ein größeres Reinigungsrevier zugewiesen bekommen – und das bei gleichbleibender Stundenzahl. Neun von zehn der Befragten hätten angegeben, bei der Arbeit unter großem Zeitdruck zu stehen.

„Das Putz-Tempo nimmt zu. Der Druck auf die Reinigungskräfte ist dabei enorm. Es ist der Kampf ‚Mensch gegen Minute‘. Im Flur vom Altenheim, im Klassenzimmer, im Büro – das ,Turbo-Putzen‘ ist überall dort, wo gewischt und gesaugt wird. Wenn eine Gebäudereinigerin exakt 2 Minuten und 19 Sekunden Zeit hat, um ein 18-Quadratmeter-Büro sauber zu machen, dann ist das eine Unverschämtheit und Putz-Stress pur“, sagt IG BAU-Bezirkschef Mike Paul. Ein Großteil schaffe es gar nicht mehr, die zugeteilten Reinigungsflächen in der vorgegebenen Zeit zu erledigen.

Im Kreis Göppingen arbeiten nach Angaben der Gewerkschaft derzeit 1.730 Beschäftigte in der Gebäudereinigung. Davon seien jedoch 72 Prozent lediglich Mini-Jobber. Die IG BAU Stuttgart schätzt, dass nur jeder dritte Arbeitsplatz in der heimischen Gebäudereinigung ein Vollzeit-Job ist. „Die Branche hat ein Vollzeit-Job-Problem: Immer häufiger werden reguläre Arbeitsplätze abgeschafft und durch Teilzeitkräfte oder Mini-Jobber ersetzt. Das Prinzip, das dahinter steckt, ist klar: Je mehr Menschen man beschäftigt, desto mehr Überstunden kann man denen auch aufbrummen“, so Mike Paul.

Die Branchen-Umfrage habe ergeben, dass 28 Prozent der Beschäftigten täglich Überstunden machen müssten. Darüber hinaus rechne gut die Hälfte der befragten Reinigungskräfte damit, immer wieder Mehrarbeit vom Arbeitgeber angewiesen zu bekommen. Als „besonders dreist“ wertet der Vorsitzende der Gebäudereiniger-Gewerkschaft in der Region, dass Überstunden in rund 30 Prozent der Fälle nicht einmal bezahlt würden. Das habe die Umfrage klar gezeigt.

Die IG BAU will die Arbeitgeber bei der nächsten Runde der Tarifverhandlungen am kommenden Donnerstag mit den Missständen im Gebäudereiniger-Handwerk konfrontieren. Darüber hinaus fordert sie ein Lohn-Plus. So soll etwa die niedrigste Lohngruppe für die Reinigungsbranche um 80 Cent auf dann 10,35 Euro pro Stunde angehoben werden.

„Bislang schalten die Arbeitgeber immer noch auf stur. Sie tun so, als würde in der Reinigungsbranche alles picobello laufen und ein sauberer Lohn bezahlt. Das ist aber bei weitem nicht der Fall. Die letzte Chance, einzulenken und einen ‚Tarifvertrag der fairen Arbeit‘ abzuschließen, kommt beim nächsten Treffen. Danach ist Schicht im Schacht“, macht Paul deutlich.

Die IG BAU hat eine klare Erwartung an die Arbeitgeber: „Sie müssen bei der nächsten Tarifverhandlung ein Angebot vorlegen, das der Arbeit der Gebäudereiniger gerecht wird. Sollten die Bosse der Reinigungsfirmen bei ihrer bislang demonstrierten ‚Geiz-ist-geil-Mentalität‘ bleiben, stehen die Zeichen auf Sturm. Der Frustfaktor unter den Beschäftigten ist jedenfalls hoch“, so Paul.

PM

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