Kreis-Sozialausschuss: Aktueller Bericht über die Situation der Flüchtlinge und Asylbewerber

„Absolut kritisch“, so fasste Landrat Edgar Wolff die momentane Lage bei der Unterbringung der zahlreichen Flüchtlinge im Landkreis zusammen. 384 Flüchtlinge sind für den laufenden September angekündigt, 260 hiervon sind noch nicht da, aber 70 auf dem Weg. Wenn alle 260 heute und morgen kommen, gibt es ein Problem, da nicht genug Plätze zur Verfügung stehen. „Dann haben auch wir schnell Zelte stehen, warnte Wolff.

Zugangszahlen im Landkreis Göppingen:

Jahr                       Asylbewerber   Sonstige Personen (überwiegend Folgeantragsteller) Gesamt

2010                      99                           20                                                                                                         119

2011                      115                        13                                                                                                         128

2012                      195                        17                                                                                                         212

2013                      334                        16                                                                                                         350

2014                      529                        50                                                                                                         579

31.08.2015          631                         69                                                                                                         700

Prognose

2015                                                                                                                                                                   2.746

Mittlerweile geht das Land für das Jahr 2015 von ca. 104.000 Flüchtlingen aus. Dies bedeutet für den Landkreis Göppingen für dieses Jahr voraussichtlich 2.746 Zuweisungen. Am 31.08.2015 befanden sich 1.358 Personen im Leistungsbezug nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Ein Jahr zuvor, am 31.08.2014 lag diese Zahl noch bei 758 Personen. Die Flüchtlinge kommen aus 25 Nationen. Die größte Einzelgruppe kommt aus dem Kosovo mit 196 Personen, gefolgt von Syrien (169 Personen), Albanien (134 Personen) und Serbien (98 Personen). Die Gruppe der Flüchtlinge aus den Balkanstaaten (557 Personen) stellt mehr als die Hälfte der Leistungsbezieher nach dem AsylbLG dar.

Unterbringungssituation:

Zum 31.08.2015 gab es im Landkreis 980 Unterbringungsplätze, welche mit 1.028 Flüchtlingen belegt waren. Die Gesamtplätze verteilen sich auf 42 Objekte. Aufgrund der gestiegenen Prognosen werden bis Jahresende landkreisweit 2.000 Unterbringungsplätze benötigt. Hierüber wurden alle Kommunen mit Schreiben des Landrats vom 07.09.2015 informiert.

Um der gesetzlichen Aufnahmeverpflichtung des Landkreises nachzukommen, arbeitet die im Landratsamt eingerichtete Koordinierungsgruppe Asyl mit Hochdruck an der Schaffung weiterer Unterbringungsmöglichkeiten. Sowohl von Privatleuten als auch von den Kreisgemeinden gehen hier Angebote für Objekte bzw. Grundstücke ein, wobei diese nicht immer für Zwecke der Unterbringung geeignet sind. Kritischster Faktor bei der Bereitstellung von Unterkünften ist aber die Zeitschiene, da Objekte zum Teil umgebaut werden müssen (Brandschutz) bzw. Container eine Lieferzeit  von bis zu mehreren Monaten haben.

Der Landkreis musste daher im Berufsschulzentrum Geislingen im August unter großen Anstrengungen eine Turnhalle belegen, da er sonst seiner Aufnahmeverpflichtung nicht hätte nachkommen können. Mittlerweile ist die Halle mit einer Kapazität von insgesamt 128 Plätzen voll belegt. Es handelt sich um Familien aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und dem Westbalkan. Seit Ankunft der ersten Familien am 25.08.2015 gab es, nicht zuletzt durch das große ehrenamtliche Engagement des Arbeitskreises Asyl und der Geislinger Bevölkerung keinerlei Probleme. Der insbesondere für die Sportabiturklassen notwendige Sportunterricht wird durch die Nutzung anderer Hallen (z.B. in Kuchen und Reichenbach im Täle) sichergestellt. Derzeit werden zwei Containeranlagen auf dem Sportgelände der Schule mit einer Gesamtkapazität von rund 225 Plätzen errichtet. Ziel ist es, nach Fertigstellung der Anlage bis voraussichtlich Ende November 2015 die Wölk-Halle wieder ihrer eigentlichen Bestimmung zu übergeben. Aufgrund der anhaltenden Dynamik ist die Belegung weiterer Turnhallen oder anderer Notlösungen derzeit nicht auszuschließen.

Sprachförderung:

Wie in der Sozialausschusssitzung am 30.06.2015 ausgeführt wird der Landkreis motivierten Flüchtlingen, welche den „Grundkurs“ erfolgreich absolviert haben, eine weitere Sprachförderung bis zum A 1 Niveau anbieten. Ein erster Kurs findet seit dem 03.08. statt ein weiterer ist im September gestartet. Mittlerweile liegt die Verwaltungsvorschrift des Integrationsministeriums zum Programm „Chancen gestalten – Wege der Integration in den Arbeitsmarkt öffnen“, insbesondere zur Sprachförderung vor. Ein wesentlicher Bestandteil des Programmes ist die gezielte Sprachförderung, um den Flüchtlingen einen Zugang zum Arbeitsmarkt bzw. Ausbildung zu ermöglichen. Gefördert werden in der Regel Sprachkurse mit einem Umfang von 300 Unterrichtseinheiten, welche zum A 1 Sprachniveau führen sollen. Bei entsprechender Qualifikation sind Aufbaukurse möglich. Das Angebot soll sich vorrangig an Flüchtlinge mit einer Bleiberechtsperspektive richten. Für Flüchtlinge ohne hinreichende Bleiberechtswahrscheinlichkeit bleibt das Angebot der Vermittlung von Grundkenntnissen der Sprache bestehen. Die Verwaltungsvorschrift sieht die Gründung eines Netzwerkes bzw. Anpassung bestehender Netzwerke vor. Aufgabe der Partner des Netzwerkes ist es, die Maßnahmen zu steuern und so die Flüchtlinge bei der Arbeitsmarktintegration zu unterstützen. Für das Jahr 2015 ist eine Antragstellung auf Fördermittel bis zum 30.09.2015 möglich. Der Bewilligungsrahmen für den Landkreis beträgt dieses Jahr rund 108.000 €. Die Mittel wurden beim Integrationsministerium angefordert.

Koordinierungsstelle für Ehrenamtliche

Das ehrenamtliche Engagement im Bereich der Flüchtlinge ist im Landkreis Göppingen erfreulicherweise sehr groß und vielfältig. Zur Unterstützung und besseren Vernetzung wird der Landkreis eine Koordinierungsstelle für Ehrenamtliche im Umfang von 0,5 Vollzeitäquivalent (VZÄ) einrichten. Eine entsprechende Stelle wurde von der Verwaltung für den Stellenplan 2016 beantragt. Der Landkreis hat für diesen Zweck Fördermittel beim Programm „Gemeinsam in Vielfalt – Lokale Bündnisse für Flüchtlingshilfe“ in Höhe von 25.000 Euro beantragt. Das Förderprogramm hat eine Laufzeit bis 15.12.2016. Die Verwaltung beabsichtigt aktuell, innerhalb der Abteilung Asyl- und Flüchtlingswesen aus den vorhandenen Personalressourcen diese Koordinierungsaufgabe wahrzunehmen. Allerdings gestaltet sich dies aufgrund der extrem hohen Flüchtlingszahlen sehr schwierig, da die Mitarbeiter/Innen mit den eigentlichen Kernaufgaben mehr als ausgelastet sind und ständig neues Personal benötigt wird.

Eine Aufgabe der Koordinierungsstelle wird auch die Einberufung eines landkreisweiten Runden Tisches Asyl sein. Das Staatsministerium Baden-Württemberg hat vor kurzem das Handbuch „Willkommen“ für ehrenamtliche Flüchtlingshilfe herausgebracht. Ob darüber hinaus für den Landkreis eine Info-Broschüre erforderlich ist, wird von der Koordinierungsstelle im Zusammenwirken mit den haupt- und ehrenamtlich Tätigen zu klären sein.

Übertragung der Sozialbetreuung auf die Ligaverbände

In der Anlage zu § 6 der Durchführungsverordnung zum Flüchtlingsaufnahmegesetz (DVO FlüAG) ist geregelt, dass während der vorläufigen Unterbringung eine qualifizierte flüchtlingsspezifische soziale Beratung und Betreuung zu gewährleisten ist. Die Aufgabenträgerschaft liegt bei den unteren Aufnahmebehörden. Für die soziale Beratung und Betreuung von Flüchtlingen können auch Angebote geeigneter Dritter, beispielsweise Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege berücksichtigt werden. Im Landratsamt Göppingen wird die Betreuung durch beim Landratsamt angestellte Sozialbetreuer wahrgenommen. Derzeit sind 9 Sozialbetreuer/Innen mit 8,0 VZÄ beschäftigt. Es liegt ein Betreuungsschlüssel von 1:120 zu Grunde.

Die Landkreisverwaltung beabsichtigt auch künftig die Sozialbetreuung durch eigenes Personal wahrzunehmen, da hierbei klare Strukturen und Zuständigkeiten bestehen und durch „kurze Wege“ innerhalb der Verwaltung flexibel reagiert werden kann.

In den anschließenden Wortbeiträgen kam schnell die große Einigkeit der im Kreistag vertretenden Parteien zum Vorschein. Alle Parteisprecher lobten das große Engagement der haupt- wie ehrenamtlich Tätigen in der Flüchtlingsarbeit. Gemeinsam wurde gefordert statt der 50%-Stelle für die Koordinierung eine 100%-Stelle einzurichten und auch gemeinsam wurde befürwortet, einen Informationsflyer für die Bürger zu erstellen.

Gefordert wurde aber auch, die im Kreis arbeitenden kommunalen Wohnungsgesellschaften in die Arbeit einzubinden. Der soziale Wohnungsbau kommt dabei nicht nur den Flüchtlingen zugute, wurde im Ausschuss festgestellt. Wohnungsmangel gibt es auch bei anderen benachteiligten Personengrüppen.

Landrat Wolff geht davon aus, dass das Land alle Kosten der Flüchtlingsbetreuung übernimmt, so dass es keine Auswirkungen auf den Kreishaushalt hat.

 

Der Ausschuss beschloss:

Dem Kreistag wird empfohlen, die Schaffung einer 50 % – 100% Koordinierungsstelle für Ehrenamtliche in Entgeltgruppe 10 TVöD im Rahmen des Stellenplans 2016 zu beschließen.

 

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