Naturschutzgebiete „Haarberg-Wasserberg“ und „Dalisberg“ im Landkreis Göppingen werden 25 Jahre alt

Die vom Regierungspräsidium Stuttgart ausgewiesenen Naturschutzgebiete „Haarberg-Wasserberg“ und „Dalisberg“ feiern in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen. Darauf weist Regierungsvizepräsident Dr. Christian Schneider hin und erläutert: „Es handelt sich um die größten und schönsten Wacholderheiden im Oberen Filstal. Die Vielzahl an licht- und wärmebedürftigen Tier- und Pflanzenarten, darunter viele Orchideen, machen dieses Naturschutzgebiet so besonders.“

NSG Haarberg-Wasserberg_Luftbild_RPSEine besondere Landschaftspflege-Kooperation erhält die Naturschutzgebiete. „Der Landschaftspflegetrupp des Regierungspräsidiums Stuttgart, der Landschaftserhaltungsverband im Landkreis Göppingen und mit Unterstützung des Revierförsters auch die Gemeinde Deggingen arbeiten hier erfolgreich zusammen“, so Schneider. Selbst tierische Helfer sind engagiert: „Um den Lebensraum der geschützten Arten zu erhalten, ist die Beweidung durch Schafe, unerlässlich.“

Das Regierungspräsidium selbst hat hier übrigens eine Patenschaft für die Küchenschelle im Rahmen des 111-Artenkorbs übernommen. Wegen ihrer landschaftlichen Schönheit dienen der Haarberg und der Wasserberg Besucherinnen und Besuchern als Ruheoase und Ausflugsziel. Um die Schutzziele des Naturschutzgebietes und die Erholungsbedürfnisse der Bevölkerung miteinander zu vereinbaren, wurde ein Konzept entwickelt, das interessierten Spaziergängern wie geschützten Tier- und Pflanzenarten zugutekommt. Der Regierungsvizepräsident: „Die Besucherlenkung funktioniert prima. So gelingt es uns, Bürgerinnen und Bürger Natur genießen zu lassen und sie für den Natur- und Artenschutz zu sensibilisieren.“

Wacholderheiden sind keineswegs von Natur aus vorhanden, sondern das Ergebnis jahrhundertelanger Beweidung. Im Oberen Filstal, auch „Goißatäle“ genannt, war einst die Ziegen- und Schafhaltung weit verbreitet. Während man den schmalen Talgrund für den Ackerbau benötigte, ließ man Ziegen und Schafe an den steilen Talhängen weiden. Die Tiere fraßen außer den stacheligen Wacholderbüschen fast alles ab. So entstanden die Wacholderheiden. Noch vor hundert Jahren waren die Hänge an Haarberg und Dalisberg weitgehend waldfrei. Seit die Wanderschäferei ab etwa 1950 immer seltener wurde, verbuschten die Heiden und wurden sogar stellenweise zu Wald. Als die beiden Gebiete 1990 unter Naturschutz gestellt wurden, waren die Wacholderheiden an vielen Stellen schon stark zugewachsen. Es war höchste Zeit, durch Auslichten einen Zustand zu schaffen, der Schafen wieder den Zugang auf die Heide ermöglichte.

Nach der Unterschutzstellung stellte das Regierungspräsidium für beide Naturschutzgebiete Pflege- und Entwicklungspläne auf. Der Landschaftspflegetrupp des Regierungspräsidiums, die Gemeinde Deggingen, Landwirte und Naturschutzgruppen wie Schwäbischer Albverein und Bund Naturschutz Alb-Neckar haben über viele Jahre hinweg am Haarberg umfangreiche Pflegearbeiten durchgeführt. Dank der regelmäßigen Beweidung durch die Schäferei Hertler aus Deggingen ist die Heide heute großenteils in makellosem Zustand, was Einheimische und Gäste immer wieder erfreut.

Besucher können viele Pflanzen- und Tierarten entdecken – vor allem natürlich die Charakterarten der Albheiden: Silberdisteln, Enziane und Küchenschellen. Die Küchenschelle ist eine lichtbedürftige Pflanze, die nur auf offenen Heiden vorkommt. Ohne Pflege und Schafbeweidung hat sie keine Chance gegenüber den konkurrenzstärkeren Gräsern und Sträuchern. Um die Küchenschelle zu fördern, beteiligt sich das Regierungspräsidium Stuttgart seit 2008 am 111-Artenkorb und führt jedes Jahr im Oktober einen Pflegetag durch. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen legen gemeinsam Hand an und befreien die Wuchsorte der Küchenschelle von aufkommenden Gehölzen.

Vielen Besuchern ist der Haarberg auch wegen seiner Orchideen bekannt, wie der violett blühenden Mücken-Handwurz mit ihren großen Blütenständen, der Pyramiden-Hundswurz, dem Helm-Knabenkraut oder der Bienen-Ragwurz. Zahlreiche Schmetterlings- und Heuschreckenarten finden auf den kurzrasigen Wacholderheiden und den blütenreichen Salbei-Glatthaferwiesen ideale Lebensräume. Eine Rarität aus dem Insektenreich ist der seltene Libellen-Schmetterlingshaft, ein gelb-schwarz gefärbter Netzflügler, der wie eine Kreuzung aus Libelle und Schmetterling aussieht und bei Sonnenschein auf den Heiden dicht über dem Boden in rasantem Flug nach kleinen Insekten jagt.

Ihren Artenreichtum und das Vorkommen zahlreicher seltener, bedrohter Arten verdanken die beiden Jubiläums-Naturschutzgebiete aber nicht nur ihren Wacholderheiden, sondern der engen Verflechtung mit Laubmischwäldern, Hecken und Salbei-Glatthaferwiesen. In den lichten, wärmebegünstigten Buchenwäldern kommen beispielsweise Ästige Graslilie und die Orchideenarten Bleiches Knabenkraut und Weißes Waldvögelein vor. In den Hecken brüten die Vogelarten Neuntöter und Dorngrasmücke. Die blütenreichen Salbei-Glatthaferwiesen spenden Pollen und Nektar für Wildbienen und viele andere Insekten.

Für die Entwicklung der beiden Naturschutzgebiete ist von Bedeutung, dass sie in das Fauna-Flora-Habitat-Gebiet „Filsalb“ und in das Vogelschutzgebiet „ Mittlere Schwäbische Alb“ einbezogen wurden und damit zu Natura 2000, dem europäischen Schutzgebietsnetz, gehören. Insbesondere die Wacholderheiden, die Kalk-Magerrasen und die mageren Flachland-Mähwiesen – für Natura 2000 bedeutende Lebensraumtypen – kommen auf größerer Fläche vor. Regierungsvizepräsident Schneider: „Für das Gebiet wird derzeit vom Regierungspräsidium ein Managementplan (MaP) erstellt, der Ziele zur Erhaltung und Entwicklung der Arten und Lebensraumtypen festlegt und Maßnahmen für eine geeignete Nutzung und Pflege aufzeigt.“ Dieser Plan bilde die Grundlage für weitere Fördermöglichkeiten und wird nach seiner Fertigstellung für die Öffentlichkeit im Internet zur Verfügung stehen.

 

Hinweise für Besucher:
Auf Infotafeln, die an allen wichtigen Zugängen zum Naturschutzgebiet stehen, sind Wege und Pfade dargestellt, die einen Rundgang lohnen. Ein günstiger Startpunkt ist der Hexensattel zwischen Unterböhringen und Reichenbach im Täle. Der am meisten begangene Weg führt von dort auf dem breiten, gleichmäßig ansteigenden Forstweg mit der Markierung rote Raute in etwa einer Stunde zum Wasserberghaus, einem Wanderheim des Schwäbischen Albvereins. Es gibt aber auch einen kleinen und einen großen Rundweg (zwei und acht Kilometer) und einen zwei Kilometer langen Beobachtungspfad, für den festes Schuhwerk empfohlen wird.
Auf den Infotafeln wird auch darauf hingewiesen, was zum Schutz der Natur nicht erlaubt ist, nämlich die Wege zu verlassen, Pflanzen zu pflücken, Feuer zu machen und zu reiten.

Eine ausführliche Beschreibung dieser wie auch aller übrigen Naturschutzgebiete im Landkreis Göppingen findet sich im Buch „Die Naturschutzgebiete im Regierungsbezirk Stuttgart“ von Reinhard Wolf und Ulrike Kreh (Hg.), Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2007. Weitere Informationen zu dem Thema auch auf www.rp-stuttgart.de/Themen/Umwelt/Natur- und Artenschutz

PM

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