Der Nieselregen setzte pünktlich mit der Abfahrt ein, doch das sollte der Stimmung keinen Abbruch tun: Am vergangenen Samstag, dem 01.08.2015, fand die alljährliche geführte Radtour des Landratsamts statt, die seit geraumer Zeit gemeinsam mit dem ADFC angeboten wird. Jedes Jahr gibt es einen anderen Themenschwerpunkt, an dem sich die Routenführung der Tour orientiert. In diesem Jahr stand die Radtour ganz im Zeichen des Klimaschutzes: Wie ist der Landkreis Göppingen in Sachen Klimaschutz aufgestellt? Welche Anlagen für die Produktion erneuerbarer Energien gibt es hier und was können sie leisten? Diese Fragen sollten auf der ganztägigen Tour durch Vor-Ort-Termine anschaulich beantwortet werden.
Los ging es am Samstagmorgen mit einer Sonderfahrt des neuen RadWanderBusses zum Reußenstein. Mit 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war die Tour komplett ausgebucht, sodass alle zur Verfügung stehenden Plätze auf dem Radanhänger ausgenutzt werden konnten. Wer nur 3 km Fahrrad pro Tag fährt, spart in einem Jahr rund 219 kg CO2 ein. Somit kann man auch im Kleinen im Alltagsverkehr einen wichtigen Beitrag für umweltfreundliche Mobilität leisten..
Am kühlen Reußensteinparkplatz angekommen, ging es mit reichlich Fahrtwind zum “Bahnhöfle” mit Traumblick auf die Burgruine. Ganz im Sinne des spürbaren Windes hielten Klimaschutzmanagerin Cathleen Forst und Ralf Ewald vom Umweltschutzamt informative Kurzvorträge zur Windkraft im Landkreis Göppingen. Nach Weiterfahrt durch das idyllische Hasental entlang der Filstal- und Albtraufroute fand der erste Vor-Ort-Termin an der neuen Wasserkraftanlage in Deggingen statt. Die Einweihung fand erst im vergangenen Dezember statt. Volker Hartmann, Investor und Betreiber der Anlage, erklärte auf anschauliche Art und Weise die Funktion und Versorgungskapazität seiner Anlage: “Die Anlage produziert ca. 230.000 kWh im Jahr. Damit können rund 63 Haushalte versorgt werden.” Der in Deggingen produzierte “grüne” Strom wird in das Netz des Albwerks in Geislingen eingespeist. Der trockene und heiße Sommer macht sich allerdings auch an der Wasserkraftanlage bemerkbar: Hartmann erläuterte, dass sich die wassergetriebene Turbine aufgrund der aktuell geringen Wassermassen nur sehr langsam bewege – hier gibt es also aktuell noch Luft nach oben. Während seiner Erläuterungen zur Turbine demonstrierte er des Weiteren die daneben liegende Fischtreppe, die aufgrund rechtlicher Vorschriften eingerichtet werden musste. Abschließend öffnete der ebenfalls passionierte Radfahrer Hartmann die Türen des Kraftwerkhäuschens und bot somit einen einmaligen Einblick in das Innenleben der Anlage.
Nach kurzer Stärkung am Mittag ging es zurück in Richtung Mühlhausen und von dort aus nach Gruibingen. Hier wurde der nächste Stop an der Photovoltaikanlage eingelegt, die sich zwischen der Boller Straße und der A8 befindet und den Lärmschutzwall der Autobahn nutzt. Otto G. Moll, der Initiator dieser Anlage, verdeutlicht, wie eine auf der ersten Blick eher unattraktive Lage mit einem Mehrwert für die regionale Bevölkerung nutzbar gemacht werden kann: “Der Hang hier an der A8 ist normalerweise für viele Nutzungen ungeeignet. Für die Solarkraft aber ist er geradezu ideal: Die platzintensiven PV-Module profitieren von dem weitläufigen Grundstück, der Hangneigung und der überdurchschnittlichen Anzahl von Sonnenstunden in Gruibingen. Insgesamt werden ca. 400 Haushalte mit der Anlage versorgt werden, sodass jährlich bis zu 1000 Tonnen CO2 eingespart werden können.” Kaum war dies gesagt, ließ sich sogar die Sonne zum ersten Mal an diesem Tag blicken.
Die Regenjacken in den Taschen und Rucksäcken verstaut und die Sonnenbrillen aufgesetzt, wurde die Weiterfahrt nach Bad Boll angetreten. Landwirt Friedrich Aichele begrüßte die Gruppe hier auf dem Birkenhof, auf dem er nicht nur Tierhaltung betreibt, sondern auch eine moderne Biogasanlage. “Man muss sich so eine Biogasanlage vorstellen wie den Magen einer Kuh, die durch Verdauung Methan produziert”, schlägt Aichele als anschaulichen und sympathischen Vergleich vor. “Gefüttert” wird die Biogasanlage mit Gülle, Mais und Gras. Durch die bakterielle Zersetzung entsteht schließlich Methan, das aber – im Gegensatz zum Kuhmagen – nicht ausgestoßen, sondern verstromt und in das Stromnetz eingespeist wird. Gleichzeitig kann Aichele die Abwärme dieses Prozesses nutzen, indem er sie beispielsweise zur Beheizung seiner Ställe und Gebäude verwendet. “Die Abwärme könnte noch besser ausgenutzt werden, indem sie andere Gebäude in der Umgebung versorgt, wie beispielsweise die nahegelegene Reha-Klinik”, wünscht sich der Bauer. Doch die Biogasanlage bringt nicht nur Abwärme als nützliches Nebenprodukt – die überschüssigen Produkte lassen sich auch als Dünger für die Felder verwenden. Die Radlerinnen und Radler erhielten durch diese spannende Führung Einblick in einen Betrieb, der eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft betreibt und somit eine Vorreiterfunktion in Sachen Klimschutz im Landkreis Göppingen einnimmt.
Mit diesen zahlreichen spannenden Eindrücken endete die Tour bei einer gemütlichen Einkehr im Waldeckhof in Göppingen-Jebenhausen.
Das Landratsamt und der ADFC danken den Referenten für die interessanten Vorträge und Führungen durch ihre Anlagen, dem Waldeckhof für die freundliche Bewirtschaftung und den Radlerinnen und Radlern für ihre Teilnahme!
PM