BWIHK-Konjunkturumfrage: Wirtschaft kämpft um den Aufschwung  – Gestörte Lieferketten dämpfen den Optimismus in der Industrie

Die Baden-Württembergische Wirtschaft setzt auch im zweiten Halbjahr ihren Erholungskurs fort. Sowohl Lage als auch Erwartungen haben sich gegenüber der letzten Umfrage im Frühsommer noch einmal deutlich verbessert. Rund der Hälfte der befragten Unternehmen geht es wieder gut. Das zeigt die aktuelle Herbst-Konjunkturumfrage des baden-württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK), an der sich 3.570 Unternehmen aller Branchen und Betriebsgrößen im Südwesten beteiligt haben.

„Eine schlechte Lage meldet noch etwa jeder zehnte Betrieb, im Frühsommer waren es mit jedem fünften Unternehmen noch doppelt so viele. Das zeigt, dass die Wirtschaft anläuft. Allerdings stellen wir fest, dass vor allem der Fachkräftemangel und gestörte Lieferketten den Aufschwung noch bremsen“ sagt BWIHK-Vizepräsidentin Marjoke Breuning. Obwohl die pandemiebedingten Einschränkungen in vielen Branchen sukzessive gelockert werden und viele Unternehmen wieder ihren Geschäften nachgehen können, steht die Ungewissheit, ob die Lage unter Kontrolle bleibt. Konkreter zeichnen sich derzeit Probleme ab, die durch weiterhin stark gestörte Lieferketten entstehen. Diese treffen nicht nur die Industrie und verursachen dort Produktionsrückgänge bis hin zu kompletten Ausfällen. Auch andere Branchen leiden massiv unter den Auswirkungen.

Lieferengpässe hemmen den Aufschwung der Industrie

Ob tagelange Blockade des Suezkanals, die coronabedingten Hafenschließungen in China oder pandemiebedingte Ausfälle von Schiffspersonal – der wirtschaftliche Aufschwung der baden-württembergischen Industrie wird durch Lieferengpässe gebremst. Dennoch meldet der Wirtschaftssektor im Herbst eine überdurchschnittlich gute Lage – allen Unsicherheiten bei Corona und gestörten Lieferketten zum Trotz. Der Lageindikator liegt mit 40,5 mehr als 3 Punkte über dem Wert für die Gesamtwirtschaft. Nahezu alle Industrien konnten ihre aktuelle Lage verbessern, mit Ausnahme des Fahrzeugbaus. Der IHK-Lageindikator ist im Fahrzeugbau von Frühsommer 2021 bis Herbst 2021 um fast 10 Punkte gesunken. Das liegt unter anderem an Lieferengpässen aus Vorprodukten, wie Halbleiter und einer Senkung des Exportes nach Asien.

Bauwirtschaft auf unverändert hohem Niveau

Die Bauwirtschaft steht weiterhin hervorragend da, sitzt auf vollen und sich weiter füllenden Auftragsbüchern und bewertet ihre Lage im Herbst noch einmal deutlich besser als im Frühsommer. Mit einem Plus von 10 Prozentpunkten im Vergleich zum Frühjahr 2021 beurteilen 66,1 Prozent der Unternehmen ihre aktuelle Geschäftslage als gut und nur 3,1 Prozent schätzen ihre derzeitige Lage als schlecht ein. Allerdings sind die Auftragsbestände nicht nur Zeichen einer weiterhin starken Nachfrage nach Bauleistungen, sondern auch Folge von Material- und Personalengpässen.

Handel hoffnungsvoll, aber mit Personalmangel

Die geschäftliche Entwicklung des Handels ist weiterhin sehr heterogen. Während der produktionsnahe Großhandel schon seit Jahresbeginn 2021 eine positive Entwicklung verzeichnen konnte, hat auch der konsumnahe Großhandel eine verbesserte gesamtwirtschaftliche Lage im Vergleich zum Jahresbeginn 2021 zu vermelden. Der IHK-Indikator stieg um 19 Punkte auf 27 Punkte an. Allerdings sanken die Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monate vom Frühsommer 2021 zum Herbst 2021 um circa 5 Punkte. Das liegt vor allem an den bestehenden Unsicherheiten gegenüber den Lieferketten. Von den rückmeldenden Unternehmen gaben 58 Prozent an, dass Rohstoffpreise ein Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung darstellen. Außerdem befürchten 54 Prozent der Betriebe einen Mangel an Fachkräften, der sich mit alter Wucht zurückmeldet und die Situation verschärft. Gerade in den durch die Pandemie besonders gebeutelten Branchen Handel und Gastronomie sind viele Beschäftigte aus der Kurzarbeit in andere Geschäftsbereiche abgewandert. „Mit Besorgnis sehen wir, dass einige Betriebe ihre Öffnungszeiten anpassen oder sogar Filialen schließen müssen, da zu wenig Personal zur Verfügung steht“, so Marjoke Breuning.

Lage der Gastronomie verbessert sich auf niedrigem Niveau

Ein ähnliches Bild wie im Handel zeigt sich auch in der Gastronomie. „Der Mangel an Arbeitskräften führt dazu, dass Gastronomen Ruhetage einführen müssen oder weniger Tische bedienen können. Das Angebot von Fachkräften im Gastgewerbe ist stark gesunken, da viele Arbeitskräfte in den Lockdown-Phasen in krisenfestere Branchen gewechselt sind“, betont die BWIHK-Vizepräsidentin. Von den befragten Gastronomien gaben circa 70 Prozent an, dass der Fachkräftemangel ein wirtschaftliches Risiko für ihre Entwicklung darstellt. Von einem niedrigen Niveau kommend haben sich die Lage und Erwartungen im Gastgewerbe im Vergleich zum Frühsommer 2021 verbessert. Der Lage-Indikator stieg von negativen 91,9 Punkten im Frühsommer 2021 auf positive 2,8 Punkte im Herbst 2021. Auch die Geschäftserwartungen für die kommenden 12 Monate sind auf positive 16,8 Punkte gestiegen und somit deutlich optimistischer als noch im Frühsommer 2021. Es lässt sich festhalten: Auf der einen Seite sind Gastronomien erleichtert, nach den langen Lockdown-Phasen wieder Kunden bedienen zu dürfen. Auf der anderen Seite kann die vorhandene Konsumnachfrage aufgrund des Fachkräftemangels nicht vollumfänglich bedient werden.

In der Hotelbranche zeichnen sich ebenfalls unterschiedliche Geschäftssituationen ab. Zum einen sind durch die Lockerungen wieder Beherbergungen möglich und Hotels profitieren vor allem durch den inländischen und innereuropäischen Tourismus. Zum anderen gibt es weniger Geschäftsreisende als vor der Pandemie, da wegen der zunehmenden Digitalisierung Geschäftsreisen für viele Unternehmen (noch) obsolet sind. So sagen 46 Prozent der Hotels, dass die Auslandsnachfrage ein wirtschaftliches Risiko darstellt. Auch in der Hotelbranche sehen 86 Prozent der Unternehmen den Fachkräftemangel als das größte wirtschaftliche Risiko.

IHK-Konjunkturklimaindex:

Der IHK-Konjunkturklimaindex spiegelt das Ergebnis der IHK-Konjunkturumfrage in einem Wert wider. Er ist ein Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung. Entscheidend für die Interpretation der konjunkturellen Entwicklung im Zeitablauf ist die Veränderung des Index. Nimmt er zu, wird sich die Konjunktur tendenziell positiv entwickeln, nimmt er ab, verschlechtert sich hingegen tendenziell die wirtschaftliche Entwicklung. Sie werden als Saldo der positiven beziehungsweise negativen Antworten zu den jeweiligen Fragen ermittelt und können demnach zwischen minus 100 und plus 100 Prozentpunkten liegen. Ein Indikator von Null zeigt an, dass sich die positiven und negativen Antworten genau die Waage halten. Ein positiver Indikatorwert bedeutet, dass es mehr positive als negative Antworten gibt.

 

PM Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag

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