BVMW beklagt Inflation von Gutachten – Lehner: Abgeordnete müssen Heft des Handelns wieder selbst in die Hand nehmen

Ist es die hohe Komplexität in unserer Gesellschaft, die immer mehr Platz greift oder die Verunsicherung eine falsche Entscheidung zu treffen? Weshalb greifen Abgeordnete auf allen parlamentarischen Ebenen im Bund, Land, Kreis und Städte sowie auf Gemeindeebene immer mehr zu Gutachten für eine Entscheidungsfindung, fragt sich der Vorsitzende des Bundesverbands der mittelständischen Wirtschaft (BVMW) im Kreis Göppingen, Lothar Lehner. Es werden immer mehr teure Gutachten in Auftrag gegeben.

Gutachten, die gewählten Volksvertretern Entscheidungen erleichtern sollen, kosten dem Steuerzahler Geld und zögern Beschlüsse hinaus, so Lehner. Er führt als Beispiel die aktuelle Gutachtensituation zur Zukunft der Geislinger Helfenstein-Klinik an. Hier hatte der Kreistag jüngst ein drittes Gutachten in Auftrag gegeben, um damit die Aussagen zweier bereits vorliegender Gutachten, auf die sich die Göppinger Landkreisverwaltung und KlinikGeschäftsführung stützen, nochmals zu überprüfen.

Dass gewählte Abgeordnete in den Parlamenten sich offensichtlich nicht mehr in der Lage sehen, ob ihres gesunden Menschenverstandes und ihrer Lebenserfahrungen auch tiefgreifende Entscheidungen zu treffen, bringt Lothar Lehner zum Nachdenken. „Ohne dass zuvor x Gutachten in Auftrag gegeben werden, traut sich ein Gremium zunehmend kein Votum mehr zu“, bemängelt der BVMW-Kreischef und klagt, dass durch die Gutachteritis eine Komplexität erzeugt wird, die normale Menschen, also die Wähler, nicht bzw. kaum mehr über- und durchschauen können, so auch die aktuelle Situation zur Entwicklung der Schulen in Geislingen an der Steige.

„Es muss doch möglich sein, dass gewählte Abgeordnete das Heft des Handelns selbst in die Hand nehmen und mit ihrem Wissen und ihren Sinnen Entscheidungen treffen. Die Politik bzw. Verwaltungen, also die Exekutive, hätten Gutachten als Gestaltungsinstrument längst erkannt, und setzten diese in diesem Sinne auch ein. Am Ende geht es doch darum, Mehrheiten bei der Legislative zu bekommen, kritisiert Lehner. Bei Themen, die strittig diskutiert werden könnten, reiche oftmals schon ein Gutachten nicht mehr aus. Vielmehr lege man von vornherein mehrere Expertisen vor.

Vor dem Hintergrund von Zeit und Geld, die Gutachten kosten, fordert Lehner von den Abgeordneten, wieder mehr Zutrauen in den eigenen gesunden Menschenverstand und Fähigkeiten zu finden und den Mut, auch mal Vorhaben abzulehnen, wenn diese nicht überblickbar oder durchschaubar seien. Und damit nicht genug. Die Parlamentarier sollten die Exekutive auch in Haftung nehmen – politisch, moralisch, in Einzelfällen aber auch materiell -, wenn erkennbar wird, dass auf Basis von falschen Zahlen Entscheidungen herbeigeführt wurden, erklärt der BVMW-Chef im Landkreis in einer Pressemitteilung.

Die Gutachteritis hatten in den vergangenen Jahren auch Landesrechnungshof und Bund der Steuerzahler immer wieder kritisiert. Allein beim Land Baden-Württemberg summieren sich die externen Beratungsleistungen in der Regel auf 20 Millionen Euro jährlich.

PM Lothar Lehner, Selbständiger Repräsentant des BVMW e. V.

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