BWIHK-Umfrage: Jedes dritte Unternehmen im Südwesten steht still – Vier von Zehn Unternehmen müssen Personal abbauen

Mehr als ein Drittel befragter Unternehmen in Baden-Württemberg stehen still. Das zeigt eine Umfrage des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK), an der sich rund 2.000 Unternehmen aller Größenklassen und aus allen Landesteilen beteilig haben. Die Blitzumfrage lief von Montag, 4. Mai, 08:00 Uhr, bis Mittwoch, 6. Mai, 17:00 Uhr.

Vor allem schlägt sich die Corona-Krise in Umsatzrückgängen für das Gesamtjahr nieder. Über 80 Prozent der Betriebe rechnen mit Umsatzrückgängen. Von den Befragten gehen 71 Prozent von zweistelligen Umsatzeinbrüchen aus. Jedem fünften Betrieb (21,5 %) werden mindestens die Hälfte seiner Jahresumsätze wegfallen. „Die erwarteten Umsatzrückgänge sind erschreckend. Für eine Vielzahl der Unternehmerinnen und Unternehmer ist das existenzbedrohend. Es geht noch nicht für alle Wirtschaftszweige weiter. Die Politik hat zumindest für weitere Betriebe eine Perspektive aufgezeigt“, sagt Marjoke Breuning, BWIHK-Vizepräsidentin und Präsidentin der für volkswirtschaftliche Fragestellungen federführenden IHK Region Stuttgart.

Laut Umfrage wirkt sich die schlechte wirtschaftliche Situation auch auf die Beschäftigtenpläne der Betriebe aus: 36 Prozent der Unternehmen im Südwesten planen Personal abzubauen. Die Branchen Speisewirtschaft und Gastronomie sind besonders stark betroffen, hier kommen 69 bzw. 76 Prozent der Betriebe nicht um eine Reduzierung ihre Beschäftigtenzahlen herum. Im Verkehrs- und Lagereigewerbe sieht sich fast jedes zweite Unternehmen zu einem Personalabbau gezwungen.

Industrie
Die Nachfrage nach Industrieerzeugnissen bleibt weiterhin im Sinkflug. Die Corona-Krise hat 87 Prozent der Unternehmen Nachfragerückgänge beschert, 44 Prozent berichten über die Stornierung bereits eingeganger Aufträge. 96 Prozent klagen über eine sinkende Inlandsnachfrage, 79 Prozent über eine fallende Nachfrage aus der EU, 60 Prozent melden geringer Aufträgseingänge aus dem Nicht-EU-Ausland. Ein zusätzliches Problem stellen gestörte Wertschöpfungsketten dar (27 Prozent). 16 Prozent machen sich auf die schwierige Suche nach neuen Lieferanten. An eine Rückverlagerung nach Deutschland denkt jedes zehnte Industrieunternehmen, das Ausland ist dagegen nur für wenige rückverlagerungswillige Industriebetriebe eine Option (weniger als 2 Prozent).

Handel
Zumindest zeigt die Erlaubnis zur Wiedereröffnung im Einzelhandel einen ersten Lichtblick: In der vergangen Umfrage, Ende März, klagten noch über 71 Prozent der Teilnehmer, dass sie ihrer Geschäftstätigkeit nicht nachgehen zu können. Jetzt sind es noch 33 Prozent. Trotz der Ladenöffnungen ist der Anteil der Einzelhändler mit zweistelligen Umsatzeinbrüchen nur leicht von 84 auf 80 Prozent zurückgegangen. Es melden 87 Prozent der Betriebe zudem eine gesunkene Kundenzahl. 16 Prozent klagen darüber, dass nur noch ein Viertel der Vorkrisenkunden in ihre Geschäfte kommen. Nur knapp über 15 Prozent der teilnehmenden Einzel- und Großhändler berichten über gleichbleibenden bzw. leicht steigenden Umsatz gegenüber der Vorkrisenzeit. 13 Prozent haben fast gar keine Kunden mehr. „Trotz der erfolgten Lockerungen fallen die ersten Zeichen der Besserung im Einzelhandel unterdurchschnittlich aus“ sagt BWIHK-Vizepräsidentin Breuning.

Hotel- und Gastronomiegewerbe
Der Anteil der Betriebe mit zweistelligen Umsatzeinbußen stieg marginal auf sehr hohem Niveau von 89 auf 91 Prozent. „Im Gastgewerbe sieht es weiterhin besonders düster aus, dies war zu erwarten. Drei von zehn Hotels- und Gaststätten droht die Insolvenz. Nur in der Reisewirtschaft ist die Zahl der von einer Insolvenz bedrohten Betriebe noch höher (53 Prozent). Zwar ist geplant, dass die Außengastronomie noch vor Pfingsten wieder öffnen darf. Ob das aber einen nennswerten positiven Effekt bringt, bleibt abzuwarten“, so Breuning.

Weitere Ergebnisse
Fast zwei Drittel der Unternehmen geben an, das der Eigenkapitalrückgang ihre Finanzierungssituation belastet. Ein Viertel der Unternehmen meldet Liquiditätsengpässe vor allem als Folge von Forderungsausfällen und des Anstiegs ungesicherter Forderungsbestände. „Die Liquidität kleinerer Unternehmen konnte durch die Soforthilfe von Bund und insbesondere des Landes zu Beginn der Krise entlastet werden. Die Unternehmen haben in den letzten zehn Jahren Eigenkapital aufgebaut, doch das ist in einer solchen Krise schnell verzehrt“, sagt Breuning. Insgesamt klagen zwei Drittel der Unternehmen über eine abnehmende Nachfrage. Davon ist nahezu jeder Betrieb (96 Prozent) von einem Rückgang der Inlandsnachfrage betroffen. Auch die Nachfrage innerhalb des europäischen Binnenmarktes nimmt für fast jedes zweite Unternehmen dieser Gruppe ab.

Ausblick
Der Weg bis zur Rückkehr zur Vorkrisen-Geschäftstätigkeit wird für viele Unternehmen lange dauern: Knapp 28 Prozent der Betriebe geben an, 2021 zur Normalität zurückzukehren, jeweils sechs Prozent rechnen damit, dass es noch länger dauern wird oder befürchten, nie mehr zur Vorkrisen-Normalität zurückzukehren. „Von einem Normalzustand sind wir noch weit entfernt. Dennoch gilt es auch in dieser Zeit an die Zukunft zu denken. Gerade die Ausbildung junger Menschen darf nicht auf der Strecke bleiben. Noch vor einigen Monaten haben wir den Fachkräftemangel beklagt. Im Aufschwung, nach der Krise brauchen wir, Unternehmerinnen und Unternehmer, gut ausgebildete Fachkräfte. Es wäre fatal, wenn die Ausbildungszahlen dieses Jahr einbrechen. Neben der Ausbildung, sind Investitionen in Digitalisierung von hoher Bedeutung“, mahnt Marjoke Breuning. Dies zeigen auch die Zahlen: Am häufigsten wollen die Unternehmen der Krise mit einer verstärkten Digitalisierung und Rationalisierungsmaßnahmen begegnen (jeweils 36 Prozent). Ein Viertel der teilnehmenden Betriebe will das Geschäftskonzept umstellen, indem andere Kundengruppen angesprochen werden oder man andere Absatzmärkte und -wege geht. „Die Auswirkungen der Corona-Krise sind gravierend. Leider zeigt die Unternehmensumfrage, dass es nur kleine Lichtblicke gibt. Gerade bei Hotel- und Gastronomiebetrieben oder der Tourismus- und Reisebranche bedarf es eines klaren Fahrplans, der Hoffnung macht“, betont BWIHK-Vizepräsidentin Breuning.

PM Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag

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