Genügt das Humanitäre Völkerrecht noch?

Dr. Volkmar Schön ist Vizepräsident im Bundesverband des Deutschen Roten Kreuzes. Im Rotkreuz-Landesmuseum in Geislingen berichtete er von den Problemen weltweit im Zusammenhang mit dem Humanitären Völkerrecht.

Wie schwierig die weltweite Durchsetzung des Humanitären Völkerrechtes (HVR) ist und welche konkreten Probleme es dabei gibt, weiß Dr. Volkmar Schön. Im Rotkreuz-Landesmuseum Geislingen berichtete der DRK-Vizepräsident aus der Welt der Diplomaten und Verhandlungsführer – wirklich Mut machend ist dies nicht. Als das HVR in Form des Genfer Abkommens im Jahr 1949 grundlegend überarbeitet und erweitert wurde, war es – vier Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges – brandaktuell. Festgelegt wurden die Hilfe für verwundete Soldaten und der Schutz für Helfer, Kriegsgefangene und die Zivilbevölkerung. Allerdings ging mit dem Zweiten Weltkrieg die Zeit der klassischen Konflikte zwischen zwei oder mehr Staaten dem Ende zu. Innerstaatliche Konflikte traten in den Vordergrund. Aus diesem Grund gibt es seit 1977 die Zusatzprotokolle zum Genfer Abkommen, in denen zusätzlich vor allem der Schutz der Umwelt im Konfliktfall sowie der Umgang mit innerstaatlichen Konflikten geregelt wurden.

„Heute handelt es sich meist um innerstaatliche Konflikte – und die Machthaber akzeptieren dafür die Bezeichnung Krieg nicht“, erläuterte der Referent. Tatsächlich seien die Grenzen für die Auseinandersetzungen oft fließend. Den Gruppierungen, die anfangs gegen die Regierung kämpften, gehe es im Lauf der Zeit häufig nur noch um die eigene Macht. Oft wechselten die Allianzen zwischen den kämpfenden Parteien und es sei schwierig, die richtigen Ansprechpartner für Verhandlungen zu finden, um die Einhaltung des HVR einzufordern. Ein weiteres Problem liege darin, dass sich die Konflikte immer mehr in dicht besiedelten Gebieten abspielten. Militärische Ziele seien schwer von zivilen zu unterscheiden. „Ich denke da an Mosul, wo die Bevölkerung immer wieder auch als Schutzschild in den Kampfzonen benutzt wurde“, so Dr. Schön. Genauso komplex sei der Schutz medizinischer Infrastrukturen, etwa dann, wenn Krankenhäuser als Angriffsobjekte herhalten müssten. „Die Situation ist für die betroffene Zivilbevölkerung unfassbar schlimm“, machte Volkmar Schön die perversen Situationen in manchen Konfliktländern deutlich. Nicht zuletzt sei die Cyberkriegsführung ein Thema, über das in Bezug auf das HVR nachgedacht werden müsse.

Ein Themengebiet aus dem HVR, über das in den Gremien der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegungen über Jahre hinweg diskutiert worden war, ist das Verbot und die Regulierung bestimmter Waffensysteme: Kernwaffen etwa unterscheiden nicht zwischen zivilen und militärischen Zielen. Sie zerstören darüber hinaus auch die Lebens-Umwelt der Menschen. Auf Initiative und mit der Unterstützung des Roten Kreuzes und unter Federführung der Vereinten Nationen wurde Ende 2016 ein Verhandlungsprozess gestartet, um sie zu verbieten und zu vernichten. „Wer bisher nicht zu den Verhandlungspartnern gehört, sind die Nuklearmächte oder auch Deutschland, das von einer Nuklearmacht beschirmt wird“, erklärte Schön ein Dilemma.

Eine Analyse des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz im Jahr 2011 über die notwendige Weiterentwicklung des HVR ergab eine Liste von 30 Themen. Die Staaten und Institutionen, die sich auf entsprechende Regelungen einigen wollten, reduzierten diese zuerst auf vier, dann auf zwei – um am Ende, 2015, wegen des Einspruchs von 15 Staaten, doch ohne praxistaugliche Resolution dazustehen. Um die Gespräche und damit die Hoffnung nicht ganz absterben zu lassen, wird der Diskussionsprozess momentan in sehr engem Rahmen mit dem Ziel fortgesetzt, bis 2019 doch noch konkrete Vorschläge zu erarbeiten. „Es wäre schön, wenn am Ende wenigstens einige Verbesserungen dabei heraus kämen“, resümierte der Referent.

PM

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