Mehr Rechtssicherheit: Das modifizierte Notfallsanitäter-Gesetz beseitigt einen Missstand, der die Einsatzkräfte betraf: Über ihnen schwebten ständig Strafverfahren.

Heilpraktiker-Gesetz – der Zusammenhang, den diese rechtliche Vorschrift aus dem Jahre 1939 mit der täglichen Arbeit von Notfallsanitätern zu tun hat, erschließt sich nicht auf den ersten Blick, hätte aber in der Vergangenheit tatsächlich für die Rettungskräfte gravierende Auswirkungen haben können. Denn das Gesetz aus der NS-Zeit schrieb vor, dass nur ein Arzt Heilkunde ausüben darf.

„Es ist zu sehen unter dem Rassenwahn des Regimes, dass damit jüdische Heilkundige von sämtlichen Heilberufen ausschließen und die bis dahin geltende allgemeine Kurierfreiheit beenden sollte“, erläutert Andreas Bachmann. Dies bedeutete in der Praxis, dass die Mitarbeitenden der Rettungsdienste „jedes Mal, wenn sie invasive Maßnahmen ergriffen, um eine akute Lebensgefahr abzuwenden, gegen das Heilpraktiker-Gesetz verstießen“, so der Leiter des DRK-Rettungsdienstes. Abhilfe versprach das Notfallsanitäter-Gesetz (NotSanG) aus dem Jahr 2014. „Ziel war es zum einen die Ausbildungszeit auf drei Jahre anzuheben, somit die Ausbildung zum Notfallsanitäter anderen Gesundheitsfachberufen anzugleichen und die Durchlässigkeit zu erhöhen.“ Zum anderen sollte mit dem NotSanG mehr Rechtssicherheit für das Handeln der Notfallsanitäter im Einsatz hergestellt werden, also eben das Handeln der Rettungskräfte im Notfall rechtlich auf sichere rechtliche Beine zu stellen. „Letzteres ist allerdings mit dem NotSanG bisher nicht erfolgt“, bedauert Andreas Bachmann. Zwar seien dort Maßnahmen aufgeführt, die der Notfallsanitäter bis zum Eintreffen des Notarztes durchführen soll, um akute Lebensgefahr vom Patienten abzuwenden. „Diese Maßnahmen unterliegen jedoch nach wie vor dem Arztvorbehalt des Heilpraktikergesetzes.“ Ein Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz lag also weiter vor. „Einer Strafverfolgung entkommen können wir nur durch einen sogenannten Rechtfertigungsgrund.“ Dieses rechtliche Hilfskonstrukt verhinderte, dass die Einsatzkräfte des Rettungsdienstes nicht ständig der Strafverfolgung ausgesetzt waren. Dennoch: „Sie verstoßen also zuerst gegen ein Gesetz und müssen sich dann durch Rechtfertigungsgründe einer Strafverfolgung entziehen. In dieser Hinsicht hat sich nichts an der früheren rechtlichen Beurteilung geändert.“ Das schuf Unzufriedenheit unter den Rettungskräften. In manchen Regionen der Bundesrepublik wurde diese Rechtslage konsequent umgesetzt. Im Landkreis war sie schön länger großzügig ausgelegt worden – nach den Empfehlungen der Bundesärztekammer.

Jetzt hat der Gesetzgeber grundsätzlich reagiert. „In das NotSanG wurde der Paragraph 2a eingefügt.“ Demnach dürfen Notfallsanitäter*innen „heilkundliche Maßnahmen durchführen, wenn diese Maßnahmen in der Ausbildung erlernt wurden und beherrscht werden und die Maßnahmen jeweils erforderlich sind, um Lebensgefahr oder wesentliche Folgeschäden vom Patienten abzuwenden.“ So soll „einer Verschlechterung der Situation der Patienten bis zum Eintreffen des Notarztes bzw. bis zum Beginn einer weiteren ärztlichen Versorgung vorgebeugt werden“.

Der Bundestag hat vor wenigen Wochen der Gesetzesänderung zugestimmt, ebenso wie der Bundesrat.

Zwar ist die Rechtsunsicherheit jetzt ein Stück weit beseitigt. Wie gut, werde die Praxis zeigen. Denn, dass „in einem Gesetz, das die Ausbildungsstandards formuliert, die tägliche Arbeitspraxis geregelt ist, ist ungewöhnlich“, stellt Andreas Bachmann fest.

Info:

Das Heilpraktiker-Gesetz aus der Zeit des Nationalsozialismus hatte zwei Ziele:

  1. Deutsche mit jüdischen Wurzeln (bzw. alle „Nichtarier“) von sämtlichen Heilberufen auszuschließen.
  2. Die bis dahin geltende „Allgemeine Kurierfreiheit“ zu beenden. Bis zu dem Gesetz konnte jeder die Heilkunde ausüben.

Der Hintergrund dazu war: Jüdische Ärzte (deutsche Ärzte mit jüdischem Hintergrund) waren zu dem Zeitpunkt bereits aus ihren Standesvertretungen entfernt worden und konnten nicht mehr als approbierte Ärzte tätig sein. Wer aber einen guten jüdischen Arzt kannte, blieb ihm treu und dank der allgemeinen Kurierfreiheit, konnte dieser sich einfach als freier Therapeut niederlassen (z.B. mit der Bezeichnung Heilpraktiker).

 

PM DRK Kreisverband Göppingen

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