DRK-Museum Geislingen: Alles aus Pappe

 

Medikamentenmangel, das Fehlen medizinischer Grundausstattung, schlechte medizinische Grundversorgung – in der DDR wurde das DRK als regimetreues Organ der der Staats- und Parteiführung geführt. Eine Ausstellung im Rotkreuz-Landesmuseum in Geislingen verdeutlicht diese Zustände.

Rotkreuz LandesmuseumDRK-Exponate aus der ehemaligen DDR gibt es viele. Grund genug für Museumsleiter Jens Currle und seine engagierten Mitstreiter, damit fast 40 Jahre DRK-Geschichte zu beleuchten, wie sie sich parallel zur westdeutschen im sozialistischen Ost-Staat entwickelte. „Oder eher kaum entwickelte“, schränkt Currle ein. „Erschreckend“ sei es, zu sehen, dass selbst in den 80er Jahren noch Beatmungsgeräte benutzt wurden, wie es sie im Westen schon 20 Jahre vorher nicht mehr gab. Eingepackt in eine Holzkiste, die weder in hygienischer Hinsicht noch in sonst einer Weise modernen Ansprüchen genügte. Ähnliche Defizite sind bei der neuen Wechselausstellung zum Thema „Rettungsdienste und Krankentransporte in der DDR“ immer wieder zu erkennen. Modellautos etwa beweisen, dass der DDR-Fuhrpark Ende der 80er mit dem westdeutschen aus Anfang der 70er Jahre zu vergleichen war. „Das waren oft noch Zweitakter. Fahrzeuge, die wir im Westen aussortiert haben, wurden im Osten mit Freuden entgegengenommen“, erinnert sich Currle an Zustände, die heute zum Glück überall in Deutschland der Vergangenheit angehören.

3000 Unfallhilfsstellen und 11500 Unfallmeldestellen existierten in der DDR. An Unfallhilfsstellen hatten Verletzte Zugang zu Verbandsmaterial, das sich in Pappschachteln befand, nicht wie sonst üblich in Aluboxen. Überhaupt schien damals fast alles aus Pappe zu bestehen, Hilfskisten, Rettungsboxen, Verpackungstaschen. Es gab auch in der DDR eine Bergwacht, die hieß dort zu Beginn Bergrettungsdienst, später Bergunfalldienst. Hier beeindruckt der Einfallsreichtum der DDR-DRKler, die mangels professionellen Materials sich mit Provisorien zu behelfen wussten: eine Rettungstrage im Museum stellt dies eindrücklich unter Beweis. Sie besteht aus einer vorderen und einer hinteren Hälfte, um sie zusammenklappen zu können. Um sie im Bedarfsfall in den Transportzustand zu versetzen,  benutzte der Rettungssanitäter Fahrradkettenglieder, mit deren Hilfe er die beiden Teile miteinander verband. Dass der Verletzte darauf vielleicht sehr unbequem lag, schien kein Thema zu sein…

Es gab die Wasserwacht im Osten, und – anders als im Westen – sehr extensiv den „Bahnhofsdienst“. „Der war in sage und schreibe 150 Bahnhöfen anzutreffen und ist vermutlich mit unserer Bahnhofsmission zu vergleichen“, vermutet Currle.

Inflationär in Gebrauch waren Orden und Ehrenzeichen, Wimpel und Abzeichen – aus billigem Blech oder gar aus Plastik. „Für jedes Bisschen gab’s ‘ne Ehrung“, sagt der Museumsleiter und ergänzt: „Vermutlich trösteten die Auszeichnungen über all die erkennbaren Defizite hinweg und waren sozusagen Balsam auf die Wunden all derjenigen, die nicht so helfen konnten, wie sie vielleicht wollten.“

 

Info:

Das Museum in der Heidenheimer Str. 72 in Geislingen ist samstags in geraden Kalenderwochen von 11 bis 16, in ungeraden Wochen Sonntags von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Führungen auch außerhalb der Öffnungszeiten auf Anfrage unter Tel. 0 71 61/67 39-0. Weitere Informationen unter www.rotkreuz-landesmuseum.de

 

Claudia Burst, Pressereferentin

 

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