Spinnweberei-Areal in Uhingen – Vom Immobilien-Traum zur Wirklichkeit

Auf dem Spinnweberei-Areal in Uhingen soll an der Ulmer Straße ein Mix aus Gewerbe und Wohnen, gepaart mit Lebensqualität und urbaner Atmosphäre entstehen. Die Stadtverwaltung warb bei einem unverbindlichen ersten Investorengespräch um mögliche Projektpartner und erhielt im Gegenzug für die Realisierung des Vorhabens wichtige Anregungen.

In Zusammenhang mit Grundstücken in Städten und Gemeinden wird bei besonderen Flächen oft von einem „Filetstück“ gesprochen, wenn sie aufgrund der angrenzenden Infrastruktur und Lage ein hohes Potenzial zur Bebauung haben und auch auf die künftigen Nutzer in hohem Maße attraktiv wirken. Über so ein Filetstück verfügt die Stadt Uhingen: das 1,25 Hektar große Spinnweberei-Areal an der Ulmer Straße. Abgesehen von der Lage inmitten der Stadt bietet es weitere Vorteile: Die fußläufige Nähe zum Bahnhof und zur Innenstadt sowie die schnelle Anbindung an die B10 – und somit an Stuttgart, Ulm und Göppingen. Nachdem in einem städtebaulichen Wettbewerb im vergangenen Jahr die Weichen für die konkreten Pläne bis zur Internationalen Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart (IBA’27) gestellt wurden, gilt nun die Frage zu klären: Wer setzt das Vorhaben um? Daher ist die Stadt auf der Suche nach starken Partnern, die den Siegerentwurf von Architekt Sascha Bauer in dem neuen, urbanen Stadtquartier verwirklichen sollen.

Wie das gelingen könnte, wollen die Verantwortlichen der Stadtverwaltung um Bürgermeister Matthias Wittlinger einerseits in enger Absprache mit dem Gemeinderat und andererseits mit der Expertise von Größen der Immobilienbranche festlegen. Deshalb fand kürzlich im Dachgeschoss des sanierten Jugend- und Bürgerhauses ein Investorengespräch statt, an dem Vertreter  von Bauunternehmen und Immobilienfirmen teilgenommen haben. Auch Rainer Frey, als Vorsitzender des Uhinger Handels- und Gewerbevereins, sowie Sarah Malec von der Wirtschaftsförderung der Region Stuttgart waren anwesend. Sinnbildlicher für das zukunftsweisende Treffen in Sachen Spinnweberei-Areal hätte die Wahl des Veranstaltungsortes nicht sein können: Im Ambiente des großen Saales mit seinen Jahrhunderte alten Balken ging es quasi von der Vergangenheit der Stadt Uhingen in die unmittelbare und wegweisende Zukunft. In anschaulichen Präsentationen erfuhren die etwa 20 Besucher von der STEG Stadtentwicklung GmbH aus Stuttgart und den Siegern des internationalen Städtebauwettbewerbs vom STUDIO CROSS SCALE aus Stuttgart und Planstatt Senner aus Überlingen, welche Visionen umgesetzt werden sollen: ein Quartier, in dem ein Mix aus verschiedenen Wohntypen in Verbindung mit Büroflächen und produzierendem Gewerbe entstehen soll.  Andreas Hofer, Intendant der IBA’27 warb bei den anwesenden Frauen und Männern ebenfalls für das Projekt und ging auf die Visionen ein, die es zu verwirklichen gilt. Denn die Quartiersentwicklung soll Teil der internationalen Bauausstellung Stuttgart (IBA) 2027 werden. Moderiert wurde das Investorengespräch von Sonja Knapp, die bei der STEG die Abteilung Bauland- und Projektentwicklung leitet. Sie bezeichnet das  Investorengespräch als „sehr erfolgreich und produktiv“. Die STEG habe auch in anderen Projekten die Erfahrung gemacht, dass es immer  ein Gewinn sei, die Investoren und Bauträger sehr früh in den Entwicklungsprozess einzubinden, damit neben den städtebaulichen und ökologischen Aspekten auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Anfang an mit berücksichtigt werden können. „So war es auch in Uhingen“, betont Sonja Knapp. „Die Anwesenden haben sich sehr intensiv und konstruktiv eingebracht und uns viele hilfreiche Anmerkungen für den weiteren Arbeitsprozess mitgegeben.“

Ziel seitens der Stadt war es, ein Gefühl über die aktuelle Situation am Immobilienmarkt und den Input der Experten der Immobilien-Branche zu erhalten. „Wir wollen nicht in eine Richtung planen, die dann in der Umsetzung nicht machbar ist“, erklärt Uhingens Hauptamtsleiter Markus Malcher. Das Investorengespräch stellte zugleich eine Premiere für die Stadt Uhingen dar, die so etwas bislang nicht angeboten hatte. Doch schon während der Veranstaltung zeigte sich: Der organisatorische Aufwand hat sich gelohnt. Die Rückmeldungen waren positiv und die Stadtverwaltung erhielt einige wichtige Anregungen.

Bürgermeister Matthias Wittlinger, der die Vision für das Spinnweberei-Areal eingangs aus Sicht der Stadt Uhingen beleuchtete, bat nach den Präsentationen die Anwesenden um den für den Planungsprozess wichtigen Input. Und es gab einige. „Es war beispielsweise ein Wunsch, das Quartiersparkhaus im 1. Abschnitt gleich mit zu bauen“, erklärt Markus Malcher. Denn: „So lassen sich die anderen Grundstücke besser vermarkten“, gibt er ein Argument seitens der Investoren weiter. Eine andere Anregung: Der Wunsch nach einem konkreten Enddatum der Bauarbeiten für das Gesamtquartier, wobei Matthias Wittlinger betonte: Im Jahr 2027, wenn die Internationale Bauausstellung Stuttgart stattfindet, sollen nach Möglichkeit schon erste Gebäude auf dem Uhinger Filetstück stehen. Außerdem wünschten sich einige Investoren mehr Wohnungen – wobei im Erdgeschoss der Gebäude Gewerbe vorgesehen ist – als bisher geplant. Lob gab es seitens der Unternehmensvertreter auch für die Idee der Stadt Uhingen, das Spinnweberei-Areal in unterschiedlichen Bauabschnitten zu bebauen.

„Wir befinden uns in einem frühen Stadium und sind auch bewusst früh auf die Investoren zugegangen“, erklärt Markus Malcher. Das sei aber auch wichtig, um relativ zeitig für die weitere Planung wichtige Rückmeldungen zu erhalten und um offene Fragen zu klären. Wer soll oder kann beispielsweise das Parkhaus errichten – die Stadt Uhingen oder ein Unternehmen? Ist ein zentrales Heizsystem für alle Gebäude sinnvoll? Wie erfolgt die Umsetzung der Entwässerung auf der Fläche? Außerdem lautete ein Wunsch, eine individuelle Planung zu ermöglichen. „Es soll einen Bebauungsplan geben, der die Bauherren nicht erdrosselt, sondern ihnen Freiräume lässt“, erklärt Markus Malcher weiter. „Es sind noch einige Fragen offen“, sagt Markus Malcher weiter. „Wir nähern uns aber mit kleinen Schritten.“

Der Entwurf für das Spinnweberei-Areal besticht durch die Einbindung des Uhinger Charakters und eine hervorragende Vernetzung. Die Raumbildung des neuen, urbanen Stadtquartiers erlaubt es, viele Richtungen und Wegebeziehungen miteinander neu zu vernetzen. „Gemeinschaftlich nutzbare Gewerbeflächen und soziale Angebote sind vor allem im westlichen, kleinteiligeren Bereich an der Oberen Bahnhofstraße angeordnet, während die Erdgeschosse im östlichen Bereich durch Gewerbe und Produktion belebt werden“, bewertet Andreas Hofer die Pläne.

Das Spinnweberei-Areal in Uhingen bietet in den Augen von STEG-Expertin Sonja Knapp auf Grund der Lage enormes Innenentwicklungspotential, was nicht selbstverständlich ist. „Zwar wünschen sich eigentlich alle Kommunen die Chance, innerstädtische Quartiere vergleichbarer Qualität entwickeln zu können, aber tatsächlich stehen bei weitem nicht so viele Flächen dieser Größe und Lage zur Verfügung, welche sich zudem in  kommunaler Hand befinden und dadurch eine einheitliche und zielgerichtete Entwicklung erfahren können“, bilanziert sie. Wie rar solche Flächen im Besitz von Gemeinden sind, bestätigt ein weiterer Umstand: Die Abteilung Bauland- und Projektentwicklung der STEG betreut derzeit lediglich ein weiteres Projekt ähnlicher Ausprägung in Bisingen (Zollernalbkreis). Auch dort handelt es ich um eine innerstädtische Umnutzung einer ehemaligen Gewerbefläche, welche nach mehreren Anläufen erst in kommunale Hand gelangen konnte. „Solche Projekte sind sehr wertvoll für die städtische Entwicklung“, betont Sonja Knapp. Allerdings stellen diese Areale durch ihre Größe und Komplexität aber auch große Anforderungen an Verwaltung und Gemeinderat, weiß sie. „Daher benötigen wir zu Realisierung dieser Quartiere auch immer die privaten Partner.“

Die innerstädtische Bebauung des Spinnweberei-Areals erregt nicht nur in Uhingen, dem Kreis Göppingen oder der Region Stuttgart Aufsehen. Abgesehen davon, dass beim internationalen städtebaulichen Wettbewerb Planungs- und Architekturbüros aus Europa darum buhlten, das Projekt planen zu dürfen, beschäftigen sich auch Studierende der Technischen Universität (TU) im österreichischen Graz seit einigen Monaten damit. Aufbauend auf dem städtebaulichen Entwurf des Studios Cross Scale widmet sich die Professur für Architektur und Holzbau der TU Graz in Kooperation mit der IBA’27 und der Stadt Uhingen der vertieften Quartiersentwicklung und untersucht im Detail, die Potentiale des Ortes – unter anderem hinsichtlich neu gedachter Wohn- und Arbeitswelten. Wie positioniert sich der öffentliche und halböffentliche Raum innerhalb des Quartiers? Wie kann ein ressourcenschonender Holzbau geplant werden? Welches Recyclingpotential steckt im Detail, welchen Herausforderungen muss sich der hybride Holzbau im Zusammenhang mit der angedachten Nutzung stellen und welche Standards müssen dabei hinterfragt werden? Zu welchem Schluss die Studierenden gekommen sind, die sich das Areal auch vor Ort angeschaut haben, verraten sie am Montag, 8. Mai, in Uhingen bei ihrer Ergebnispräsentation.

Hintergrund: Die Geschichte des Spinnweberei-Areals geht auf das Jahr 1894 zurück, als mit dem Bau der „Mechanischen Weberei Rothschild“ in der Nähe des Bahnhofs begonnen wurde. Gründer waren Moritz Rothschild und sein Sohn Harry aus Nordstetten bei Horb. Schnell wuchs das Unternehmen auf bis zu 400 Beschäftigte. Noch bis ins Jahr 2017 produzierte das Unternehmen Spinnweberei Uhingen (SWU) seine präzisen Trägergewebe auf technisch hochspezialisierten Luftdüsen-Webmaschinen und musste dann den Betrieb nach mehr als hundertjähriger Produktionszeit einstellen.
Die Stadt Uhingen erwarb das 1,25 Hektar große Areal für 2,3 Millionen Euro. Der Gemeinderat beschloss den Abriss aller Gebäude auf der Fläche. Die Kosten lagen, zusätzlich zu Gutachten über die Altlastenerkundung sowie für die beauftragten Architekten und Geologen bei etwa 591.000 Euro.

 

PM Ilja Siegemund, Stadt Uhingen

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