Kahlschlag der Gesundheitsversorgung: Bilanz der Krankenhausschließungen in Baden-Württemberg

Die Gesundheitsinfrastruktur Baden-Württembergs ist schon heute nachhaltig demontiert und geschädigt. Dennoch gehen dort die Klinikschließungen weiter, flankiert von fragwürdigen Mega-Bauprojekten. Befeuert wird der radikale Abbau wohnortnaher Gesundheitsversorgung ausgerechnet von Gesundheitsminister Manfred Lucha.

Das Bundesland Baden-Württemberg ist bundesweiter Spitzenreiter bei Krankenhausschließungen. Allein in den Pandemiejahren 2020 und 2021 schlossen dort acht Krankenhäuser. Das sind knapp 27 Prozent aller 30 Krankenhausschließungen in Deutschland in diesem Zeitraum. Schon jetzt ist Baden-Württembergs Bettendichte mit 508 Betten je 100.000 EinwohnerInnen um 16 Prozent geringer als im Bundesdurchschnitt und damit die niedrigste unter den Ländern (1). Der Krankenhauskahlschlag wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen: Aktuell sind in Baden-Württemberg mindestens 17 Krankenhäuser mit ihren insgesamt 2.538 wohnortnahen Krankenhausbetten von Schließung bedroht (2).

Die langfristige Entwicklung zeigt die gleiche Tendenz: Seit 1991 ist die Zahl der Krankenhäuser in Baden-Württemberg um 21 Prozent gesunken. Während 1991 noch 317 Krankenhäuser die Bevölkerung versorgten, waren es 2019 nur noch 250 (3). Dabei wuchs die Bevölkerung im gleichen Zeitraum um knapp 1,3 Millionen Menschen. Baden-Württemberg folgt dem bundesweiten Trend: In ganz Deutschland schrumpfte die Zahl der Krankenhäuser von 2.411 im Jahr 1991 auf 1.914 im Jahr 2019 (4).

Nachweislich schlechtere Erreichbarkeit und Zusammenbruch der regionalen Gesundheitsinfrastruktur

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha treibt die Krankenhausschließungen vehement voran. Dabei führen sie zu einer deutlichen Verschlechterung der wohnortnahen Gesundheitsversorgung. Die Folgen einer Klinikschließung sind tiefgreifend. Bedeutsame Teile regionaler Infrastruktur werden zerstört: Die klinische Notfallversorgung, die Bereitschaftspraxis für ambulante Notfälle in der Nacht und am Wochenende, aber auch die Ausbildung von ÄrztInnen, Pflegekräften und TherapeutInnen sowie die Möglichkeit ambulanter Operationen im OP-Saal des Krankenhauses brechen bei einer Schließung weg.
BürgerInnen müssen außerdem längere Strecken zurücklegen, um ein Krankenhaus zu erreichen. In
Notfällen können die verlängerten Fahrzeiten Leben kosten. Untersuchungen vom Bündnis Klinikrettung zeigen, dass bei vielen der aktuell geplanten Schließungen die offiziell definierte Erreichbarkeitsgrenze von 30 Fahrminuten deutlich überschritten wird. Beispielsweise verlieren mit der beschlossenen Schließung des Krankenhauses in Schopfheim rund 16.000 Menschen ein innerhalb von 30 Fahrminuten erreichbares Krankenhaus. In Bad Saulgau und Pfullendorf, wo der Landkreis im März die Schließung der örtlichen Krankenhäuser besiegelte, sind es jeweils knapp 27.000 beziehungsweise rund 15.000 Menschen (5). In vielen Gemeinden, in denen Schließungen geplant sind, gibt es zudem bereits jetzt einen Mangel an hausärztlicher Versorgung.

Wirtschaftlich und ökologisch fragwürdige Neubauprojekte

Häufig gehen die Schließungsvorhaben mit der Planung von Zentralkliniken einher. Zugunsten teurer Neubauten auf der grünen Wiese sollen funktionierende Häuser dichtmachen. Ganze zehn Bauprojekte für Zentralkliniken sind in Baden-Württemberg aktuell geplant. Die Kosten für die Neubauten summieren sich auf knapp 3,5 Milliarden Euro, mindestens 1,6 Milliarden davon will das Land stemmen6. Zum Vergleich: Zwischen 2018 und 2020 gab das Land jährlich insgesamt zwischen 451 und 455 Millionen Euro für Investitionen in baden-württembergischen Krankenhäusern aus (7). In den nächsten Jahren werden durch die Schwerpunktsetzung auf den Neubau bestehende Krankenhäuser also kaum noch Mittel für Modernisierungen bekommen können.

Es sind öffentliche Mittel, die für die kostspieligen neuen Zentralkliniken aufgebracht werden. Trotzdem beziehen die Verantwortlichen die BürgerInnen vor Ort selten in die Entscheidungen ein. Über deren Köpfe hinweg setzen Klinikträger und Politik einen ressourcenintensiven Klinikkonzentrationsprozess mit der Konsequenz immer längerer Fahrzeiten zum nächstgelegenen Krankenhaus durch.

Dass die riesigen Summen nicht in die wesentlich kostengünstigere Sanierung bestehender Häuser oder in bessere Gehälter fließen, ist nicht nur sozial und wirtschaftlich verheerend. Auch aus ökologischer Perspektive sind die Neubauten katastrophal. Durch die Errichtung der Mega-Neubauten werden ohne Not zehntausende Tonnen zusätzliches Kohlendioxid emittiert. Da die Nachnutzung der Krankenhausgebäude zum Zeitpunkt der Klinikschließung oft ungeklärt ist, dürften die alten Gebäude häufig dem Teilabriss anheimfallen. Das führt insgesamt zu einer desaströsen Klimabilanz.

Neu zu bauende Zentralkliniken halten häufig nicht, was sie versprechen. Das zeigt das Beispiel Dänemark. Von sechs geplanten Superkrankenhäusern, die im Zuge der dortigen Krankenhauszentralisierung bis 2021 gebaut werden sollten, ist nur eines bisher eröffnet worden. Sämtliche der Superkrankenhaus-Bauprojekte führten zu erheblichen Mehrkosten, teilweise in Milliardenhöhe, und verzögerten sich massiv8. Nun gibt es in Dänemark Pläne, wieder auf Nahkrankenhäuser zu setzen, um der Unterversorgung in der Fläche zu begegnen.

Berater-Gutachten berücksichtigen nicht die Schließungsfolgen

Viele Fälle von Krankenhausschließungen beginnen mit wirtschaftlichen Gutachten, welche den betroffenen Häusern große finanzielle Verluste attestieren. Oft lohnt aber ein kritischer Blick auf die Zahlen. Aktuell plädiert beispielsweise der Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) für die Schließung der von ihm getragenen Krankenhäuser in Radolfzell und Stühlingen. Angeblich schreiben die Kliniken aktuell jährlich Verluste von 18 Millionen Euro. Einem nichtöffentlichen Gutachten der Beraterfirma Lohfert & Lohfert zufolge würde der Erhalt aller drei Häuser jährliche Verluste von 13 bis 14 Millionen Euro bedeuten (9).
Die öffentlich bekannten Zahlen geben solche Summen allerdings nicht her. In den veröffentlichten Jahresabschlüssen des Gesundheitsverbundes Landkreis Konstanz gGmbH wird für 2019 ein buchhalterischer Fehlbetrag von rund 9 Millionen und für 2020 von rund 9,7 Millionen ausgewiesen (10). Das ist wesentlich weniger als die angeblichen Verluste, mit denen eine Schließung gerechtfertigt wird. Beide Ergebnisse sind dabei stark von buchhalterischen Risioabwägungen wie hohen Rückstellungen geprägt. Hinzu kommt, dass die Wertschöpfung der MitarbeiterInnen 2019 bei rund 196 Millionen und 2020 bei rund 201 Millionen Euro lag – diese Beträge decken sämtliche Personalkosten (11). Befremdlich mutet zudem an, dass gleichzeitig zu den als untragbar bezeichneten Verlusten Geld für einen 270 Millionen teuren Zentralklinikneubau zur Verfügung gestellt werden soll.

Es ist bekannt, dass Lohfert & Lohfert Krankenhausschließungen allgemein positiv bewertet. So zeichnete die private Beratungsfirma 2019 gemeinsam mit der privatisierungsfreundlichen Partnerschaft Deutschland – Berater der öffentlichen Hand GmbH sowie dem prominenten Schließungsbefürworter und Gesundheitsökonomen Reinhard Busse für ein Gutachten verantwortlich, das die radikale Ausdünnung der Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen empfiehlt (12).
Eine enge betriebswirtschaftliche Sicht auf Schließungen verfehlt eine differenziertere Betrachtung der wirtschaftlichen Folgen von Krankenhausschließungen. Gemeinden, in denen Krankenhäuser schließen, müssen den Verlust von attraktiven Arbeits- und Ausbildungsplätzen und jahrelang aufgebauten, funktionierenden Strukturen verschmerzen. Geht man von etwa 2,3 Beschäftigten pro Krankenhausbett aus (13), bedeutet die Schließung eines kleinen Krankenhauses mit 200 Betten den Verlust von 460 Arbeitsplätzen. Mit einer Krankenhausschließung gehen den Kommunen hohe Einnahmen aus der Einkommensteuer verloren. Das kann massive Löcher in ohnehin leere kommunale Kassen reißen. Während für die Schließungen häufig wirtschaftliche Gründe angeführt werden, können sie also vielmehr zur Verschärfung wirtschaftlicher Probleme vor Ort führen.

Medizinische Aspekte, vor allem die Daseinsvorsorge, spielen in den Gutachten meist eine untergeordnete Rolle. Die Bedürfnisse der PatientInnen werden kaum angesprochen und nie ernsthaft erwogen. Dabei sollten sie im Zentrum der Krankenhausplanung stehen. Dass nicht das fehlende Geld das Problem ist, sondern seine Priorisierung, zeigen die riesigen zugesagten Investitionen für neu geplante Zentralkliniken.

Ein Kurswechsel ist geboten

Die absehbar desaströsen Folgen der Schließungen haben bei der Landesregierung in Baden-Württemberg bisher kein Umdenken bewirkt. Nach wie vor werden im großen Umfang öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt, um Krankenhausschließungen zu fördern. Auch der Bund unterstützt über den Krankenhausstrukturfonds die Verminderung der Krankenhausanzahl in Deutschland mit finanziellen Mitteln in Milliardenhöhe, so dass die Teilschließungen und kompletten Schließungen vor allem von Allgemeinkrankenhäusern sowie der Bettenabbau weitergehen. In den nächsten Jahren ist daher eine Zuspitzung der Versorgungsengpässe im Gesundheitssystem zu erwarten. Das gilt insbesondere für pandemische Situationen und andere Katastrophenfälle, für die in Deutschland und im hier näher betrachteten Baden-Württemberg nicht genügend klinische Vorhaltekapazitäten vorhanden sind.

Das Bündnis Klinikrettung fordert einen grundsätzlichen Richtungswechsel in der Krankenhauspolitik. Die Schließung von Krankenhäusern muss sofort gestoppt werden. Insolvente und akut von Insolvenz bedrohte Kliniken müssen vom Staat aufgefangen, ihr Weiterbetrieb öffentlich abgesichert und notwendige Investitionen bezahlt werden. Die Schließungsförderung mit Steuermitteln muss sofort beendet werden. Die jetzige Politik favorisiert eine finanzstarke private Gesundheitswirtschaft, die Anlagemöglichkeiten braucht und aus dem Gesundheitssystem Geld abzieht. Die Zahl der privaten Krankenhäuser ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Das gefährdet die Gesundheitsversorgung. Krankenhäuser sind ein Bereich der Daseinsvorsorge, sie dürfen weder unterfinanziert sein, noch Rendite erwirtschaften müssen. Im Zentrum der Gesundheitsversorgung müssen die Bedürfnisse von PatientInnen und Beschäftigten stehen.

1 https://www.kma-online.de/aktuelles/politik/detail/verdi-lehnt-weitere-klinik-schliessungen-ab-a-43124
2 Eine Liste aller geschlossenen und bedrohten Kliniken in Baden-Württemberg ist der Bilanz beigefügt.
3 Krankenhausstatistik Baden-Württemberg 2019, herausgegeben am 04.02.2021 vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart.
4 https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Krankenhaeuser/Tabellen/gd-krankenhaeuser-jahre.html

5 Berechnung angestellt mit Hilfe des GKV-Kliniksimulators, die betreffenden Karten sind der Schließungsbilanz beigefügt.
6 Eigene Berechnungen des Bündnisses auf der Grundlage veröffentlichter Kosten der Zentralkliniken. Eine Übersicht über die Kosten der Zentralklinikprojekte findet sich in der beigefügten Liste.
7https://www.dkgev.de/fileadmin/default/Mediapool/2_Themen/2.2_Finanzierung_und_Leistungskataloge/2.2.3._Investitionsfinanzierung/2.2.3.1._Investitionsfoerderung_der_Krankenhaeuser/2021_DKG_Bestandsaufnahme_KH-Planung_Investitionsfinanzierung.pdf, Anhang S. 118

8 https://nordjyske.dk/nyheder/aalborg/prischok-supersygehus-bliver-mindst-600-millioner-dyrere/98a7b8f7-0da4-444e-ab0a-63ec8767d5ce; https://www.kommunen.dk/artikel/superforsinkede-supersygehuse;
https://www.tvsyd.dk/region-syddanmark/supersygehus-overskrider-budgettet-med-13-milliarder-kroner
9 https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/friedrichshafen/gutachten-empfiehlt-schliessung-von-krankenhaus-in-radolfzell-100.html
10https://www.unternehmensregister.de/ureg/result.html;jsessionid=5D7772A12F6478DD9F9A1A7C1933610B.web01-1?submitaction=showDocument&id=30179920
11 Berechnung der Wertschöpfung: Gesamtleistung – Sachaufwand (Materialaufwand – sonstige Aufwendungen) – Zinsen und Tilgung. Mit der errechneten Wertschöpfung werden die Personalkosten komplett gedeckt. Die MitarbeiterInnen haben also mehr erwirtschaftet, als sie kosten.
12 https://broschuerenservice.mags.nrw/files/download/pdf/gutachten-krankenhauslandschaft-nrw-kurzfassung-pdf_von_gutachten-krankenhauslandschaft-nordrhein-westfalen kurzfassung_vom_mags_3138.pdf
13 So der aktuelle Durchschnitt laut Krankenhausstatistik Baden-Württemberg 2020, herausgegeben am 22.03.2022 vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg, Stuttgart.

Übersicht über erfolgte und drohende Krankenhausschließungen sowie Zentralklinikplanungen in Baden-Württemberg seit dem 01.01.2020 Kürzel Z: Zentralklinik
Geschlossen 2020
1. Sana Krankenhaus Riedlingen im Landkreis Biberach – Z
geschlossen am 01.07.20
2. Krankenhaus St. Hedwig in Mannheim
geschlossen Ende 2020
3. Krankenhaus 14 Nothelfer Weingarten im Landkreis Ravensburg
geschlossen am am 30.09.2020
Geschlossen 2021
1. Krankenhaus Oberkirch im Landkreis Ortenau
geschlossen am 03.09.2021 – Z
2. Sana Krankenhaus Laupheim im Landkreis Biberach
geschlossen am 01.10.21
3. Klinikum Forbach im Landkreis Mittelbaden
geschlossen Ende 2021
4. ADK Langenau, Alb-Donau-Kreis
geschlossen am 30.06.2021 (nun Gesundheitszentrum)
5. Lungenklinik St. Blasien
geschlossen im Frühjahr 2021
Aktuell von der Schließung bedrohte Krankenhäuser
1. Krankenhaus Ettenheim (77 Betten), Landkreis Ortenau
Schließung beschlossen für 2022 – Z
2. Krankenhaus Kehl (142 Betten), Landkreis Ortenau
Schließung beschlossen für Ende 2020er – Z
3. Krankenhaus Rheinfelden (115 Betten), Landkreis Lörrach
Schließung bis 2024 – Z
4. Krankenhaus Schopfheim (60 Betten), Landkreis Lörrach
Schließung bis 2024 – Z
5. Krankenhaus Böblingen, Landkreis Böblingen (347 Betten)
Schließung bis 2024 – Z
6. Krankenhaus Sindelfingen (383 Betten), Landkreis Böblingen
Schließung bis 2024 – Z
7. Helfenstein-Klinik Geislingen (130 Betten), Landkreis Göppingen
Schließung beschlossen
8. Ermstalklinik Bad Urach (106 Betten), Landkreis Reutlingen
Schließung und Umwandlung Gesundheitszentrum 2025, schon jetzt de facto keine
Akutklinik mehr

9. Klinik Schillerhöhe Gerlingen (208 Betten), Landkreis Ludwigsburg

Schließung beschlossen und mehrfach vertragt
10. Krankenhaus Bad Saulgau (60 Betten), Landkreis Sigmaringen
Schließung beschlossen am 14.03.2022
11. Krankenhaus Pfullendorf (80 Betten), Landkreis Sigmaringen
Schließung beschlossen am 14.03.2022
12. Krankenhaus Bad Waldsee (85 Betten), Landkreis Ravensburg
Schließung droht Ende 2022
13. Klinik Tettnang (114 Betten), Landkreis Ravensburg
Schließung in der Diskussion
14. Lungen-Fachklinik Schillerhöhe Gerlingen (208 Betten), Landkreis Ludwigsburg
Schließung beschlossen für Mitte 2022
15. Hegau-Bodensee-Klinikum Radolfzell (148 Betten), Landkreis Konstanz
Schließung in der Diskussion – Z Singen in der Diskussion
16. Hegau-Bodensee-Klinikum Stühlingen (44 Betten), Landkreis Waldshut
Schließung in der Diskussion – Z Singen in der Diskussion
17. Zollernalb Klinikum Albstadt (231 Betten), Landkreis Zollernalb
Schließung voraussichtlich ab 2030 – Z

Geplante Zentralkliniken
1. Drei Zentralkliniken: Lahr, Offenburg, Achern, 1,4 Mrd. Euro (60 Prozent vom Land)
geplante Fertigstellung 2030
2. Zentralklinik Biberach, Landkreis Biberach, 100 Mio. Euro (63 Prozent vom Land)
geplante Fertigstellung September 2021
3. Zentralklinik Lörrach, Landkreis Lörrach, 260 Mio. Euro (190 Mio. Euro vom Land)
geplante Fertigstellung 2025
4. Zwei Zentralkliniken: Baden-Baden und Rastatt, 450 Mio. Euro (50 Prozent vom
Land)
5. Flugfeldklinik Böblingen-Sindelfingen, 572 Mio. Euro (226 Mio. Euro vom Land)
geplante Fertigstellung 2024
6. Zentralklinik Landkreis Konstanz, 270 Mio. Euro (erhoffter Zuschuss vom Land 50%)
Bau derzeit in der Diskussion
7. Zentralklinik Zollernalbkreis, 400 Mio. Euro (Zuschuss vom Land ungeklärt)
Vorplanungen beschlossen
Summierte Kosten der Zentralkliniken: 3,452 Mrd., davon mindestens 1,679 Mrd.
vom Land.
Laudatio
für Manfred Lucha, Minister für Soziales, Gesundheit und Integration in Baden-Württemberg, anlässlich der Verleihung der ersten „Goldenen Abrissbirne“ am 06. April 2022
ACHTUNG SATIRE!

Das Bündnis Klinikrettung verleiht erstmals den Schmähpreis die „Goldene Abrissbirne“. Der Preis geht für besondere Anstrengungen und Verdienste bei der Zerstörung der Krankenhauslandschaft an …. (Trommelwirbel) den Minister für Soziales, Gesundheit und Integration in Baden-Württemberg, Manfred Lucha!
Manfred Lucha ist seit 2016 Gesundheitsminister in Baden-Württemberg und hat in dieser Zeit schon Beachtliches geleistet. Auf sein Konto gehen seit seinem Amtsantritt 2016 bis 2021 sage und schreibe 26 Krankenhausschließungen. Zum Vergleich: Zwischen 1990 und 2016 wurden in Baden-Württemberg pro Jahr durchschnittlich zwei (genau 1,96) Krankenhäuser geschlossen, seit seinem Amtsantritt hat Lucha das Tempo mehr als verdoppelt: Im Zeitraum 2016 bis 2020 schlossen im Durchschnitt mehr als 4 (4,3) Kliniken jährlich. Aktuell sind mindestens 17 Krankenhäuser in Baden-Württemberg von Schließungen akut bedroht – das ist ein Spitzenplatz in ganz Deutschland! Und der Minister lässt den Schließungsprozess nicht nur zu, sondern treibt ihn wie kein anderer Gesundheitsminister voran. So hat er im Ravensburger Kreistag bei der Debatte um die Schließung der Krankenhäuser in Bad Waldsee und Tettnang jegliche Bedenken und Kritik von Bürgermeistern, Gewerkschaftern und dem Klinikgeschäftsführer abgeschmettert und sich richtig kämpferisch gezeigt mit den Worten: „Ich warne davor, nur eine Sekunde zu zögern.“
Die „Goldene Abrissbirne“ verdient Minister Lucha auch für seine Unbeirrtheit. In Anbetracht seiner Verdienste bei der Zerstörung der Kliniklandschaft geht ein wichtiger Aspekt vielleicht unter, den ich hiermit in Erinnerung rufen will: Herr Lucha ist Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Für einen grünen Minister müsste man voraussetzen oder man könnte zumindest von ihm erwarten, dass er die ökologischen Probleme, die mit dem Abriss und Neubau einhergehen, auf dem Schirm hat. Aber nein, der Minister ist kein dogmatischer grüner Spinner, sondern er hat sich klar und unbeirrt für die Vernichtung der bestehenden Kliniken und für den Neubau von Zentralkrankenhäusern auf der grünen Wiese positioniert:
Neun Zentralkliniken sind in Baden-Württemberg aktuell geplant. Dafür opfert Lucha bravourös große noch unversiegelte Flächen dauerhaft, es werden tausende Tonnen überwiegend schädlicher Baumaterialien untrennbar miteinander verbunden und in die Umwelt eingebracht, darunter viele toxische Kunststoffe sowie in der Gewinnung extrem umweltschädliche Materialien wie Aluminium. Der Neubau von neun Zentralkrankenhäusern wird allein in der Errichtung tausende Tonnen zusätzliches Kohlendioxid emittieren, ein Vielfaches dessen, was für den Erhalt und die Ertüchtigung der Bestandskliniken über deren gesamte Lebensdauer nötig wäre. Hier sieht man: Lucha lässt sich von der Klimakrise nicht beirren. Und auch die veranschlagten 3,5 Milliarden Euro für neue Zentralkrankenhäuser, von denen mindestens die Hälfte das Land trägt, muss Lucha zum Glück nicht vor schwäbischen Hausfrauen rechtfertigen.
Unseren Preis verdient Herr Lucha auch für seine Aussage, man müsse „mit der ‚Mär aufhören‘, dass eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung nur über ein Netz von regionalen Krankenhäusern möglich sei.“ Dem Minister schweben statt altbackener Rund-um-die-Uhr-Versorgung an sieben Tagen die Woche moderne ambulante Versorgungszentren vor. Da muss das Personal sich dann auch nicht mehr nachts oder am Wochenende abrackern, denn diese Segnungen der modernen Gesundheitsinfrastruktur haben weder am Abend, noch am Wochenende oder an Feiertagen offen. Geburten oder ein medizinische Notfall sind dann,
wenn sie sich nicht auf die Öffnungszeiten abstimmen lassen, ein Fall für das künftig weiter entfernte Krankenhaus. Aber mit unserem Preis zeichnen wir ja auch nicht Persönlichkeiten aus, die Verständnis für ältere Menschen, Kinder, Schwangere oder andere AkutpatientInnen, die ein wohnortnahes Krankenhaus benötigen, haben.
Auch Verständnis für Beschäftigte muss unser Preisträger nicht mitbringen. Herr Lucha positioniert sich klar gegen die Gewerkschaft ver.di, die in Baden-Württemberg sein Vorgehen kritisiert und sagt, dass der Fachkräftemangel nicht durch Schließungen gelöst werden kann. Es gibt den „pflexit“, aber der Mann ist ja auch aus seinem ursprünglichen Beruf geflohen, deswegen kann er die Gründe dafür sicher nachvollziehen. Dass er als zuständiger Minister nichts dagegen unternimmt, zeichnet ihn umsomehr für unseren Preis.
Manfred Lucha erhält die „Goldene Abrissbirne“ auch für sein Vermögen, Dinge vorausschauend in die Hand zu nehmen. Kleinteilige Krankenhaus-Strukturen haben seiner Ansicht nach keine Zukunft. Und er verleiht seiner Meinung Druck. Im Kreistag von Ravensburg drohte er, dass es keine Fördergelder für den Um- oder Neubau kleiner Standorte geben wird. Seit Beginn seiner Ministerkarriere droht er damit, dass er das Geld vom Land nur bei Zustimmung für die Zentralkrankenhausprojekte freigibt. Lucha klotzt lieber, statt zu kleckern: Für den Erhalt und die Ertüchtigung aller Bestandskliniken hat das Land Baden-Württemberg bisher jährlich circa 450 Millionen Euro ausgegeben. Ein einziger durchschnittlicher Zentralklinikneubau kostet circa 250 Millionen Euro – optimistisch geschätzt. In Georgsheil (in Niedersachsen) wurden neulich schon die geschätzten 250 Millionen auf 600 Millionen erhöht. Mit der eventuellen Verteuerung von Klinikbauten muss Lucha sich aber zum Glück nicht abplagen, schließlich ist er kein Finanzminister.
Unser Fazit: Manfred Lucha ist prädestiniert für unseren Preis, weil er inmitten der Pandemie die Quadratur des Kreises geschafft hat: Er hat vehement die Schließungen forciert und sich zugleich für strenge Coronamaßnahmen eingesetzt, damit der Krankenhaussektor nicht überlastet wird. Glückwunsch!
Den Menschen in Baden-Württemberg wünschen wir derweil vor allem gute Gesundheit, nicht schwanger zu werden, am besten arbeitslose Angehörige, die im Krankheitsfall pflegen können. Und im Ernst der Stunde: Gottes Segen – in ein Krankenhaus schaffen sie es unter diesem Gesundheitsminister vielleicht nicht mehr rechtzeitig.
– Laura Valentukeviciute und Dr. med Bernd Hontschik, Bündnis Klinikrettung
PM Bürgerbündnis für Gesundheitsversorgung in der Raumschaft Geislingen

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