„Kirche muss aus dem Quark kommen“ Live -Chat „Politik digital“ mit dem Schlierbacher Pfarrer Georg Steffens

„Kirche muss aus dem Quark kommen“, sagt Georg Steffens selbstkritisch. „Sie muss moderner daherkommen, um die Menschen von heute anzusprechen“, sagt der Theologe im Live-Chat „Politik digital“ mit der Göppinger CDU-Stadtverbandsvorsitzenden und Stadträtin Sarah Schweizer. Die hatte den Schlierbacher evangelischen Gemeindepfarrer zu dem Talk eingeladen, um mit ihm über Gott und die Welt zu reden. Das taten beide dann auch – überraschend offen, kritisch und emotional. Da der evangelische Pfarrer, der sich nicht scheut, heikle Themen anzupacken, dort die Katholikin, die immer wieder kritisch nachhakt und bekennt, ihre Kraft aus dem Glauben an Gott zu erhalten.

Georg Steffens gehörte mit zu den ersten Pfarrern im Kreis, der während des Corona-Lockdown auf Online-Gottesdienste setzte und Seelsorge via Telefon betrieb. Das Gemeindeleben sei mit einem Mal still gestanden und man habe neue Formen der Kommunikation wählen müssen, erinnert sich Steffens im Gespräch mit Schweizer im Garten des Schlierbacher Pfarrhauses. In einer Kirche vor Menschen zu predigen und Gottes Wort zu verkündigen – das könnten digitale Angebote jedoch nicht ersetzen. Um auch mittelfristig wieder auf die bisherigen 80 bis 100 Teilnehmer in den sonntäglichen Gottesdiensten zu kommen, schlägt Steffens vor, dass eine Zeitlang zweigleisig gefahren werden könne und der Gottesdienst real als auch virtuell angeboten werden könne; sofern das von den Gemeinden leistbar ist.

Corona habe ihm aber auch gezeigt, wie stark die Menschen inzwischen in einer säkularen Gesellschaft leben. Er habe viel zu selten erkennen können, dass sich die Menschen in der Krise sich verstärkt Gott zugewandt hätten. Das Sprichwort „Not lehrt beten“ habe in den letzten Monaten nicht gegolten, bedauert Steffens. Eher sei manch ein Virologe zum Viren-Papst mutiert.

Ungeachtet dessen glaubt Steffens, dass die Kirche sich immer wieder neu erfinden muss, um für die Menschen anziehend zu bleiben. Er sei offen für neue Musikformen, für eine verständliche Sprache und für gesellschaftliches und politisches, nicht parteipolitisches, Engagement der Kirche. „Eine Kirche, die nicht politisch ist, festigt stillschweigend die bestehenden Verhältnisse“, so der experimentierfreudige Pfarrer. Allerdings: Am Gottesdienst am Sonntag gibt es für ihn nichts zu rütteln. Das Zusammenkommen aller Menschen, die an einen lebendigen Gott glauben, das gemeinsam Gebet, die Predigt – all das macht für ihn Kirche aus und das will er auch nicht missen. Schweizer betonte, dass sie als positive Lehre aus der Coronazeit mitnehmen, dass sich die Menschen und die Politik wieder mehr auf das Mögliche konzentrieren und konkret Dinge verändern und anpacken. Das sehe man am Beispiel der schnellen Umsetzung der Sperrung der Kirchstraße für die Gastronomen in Göppingen .

Doch im Live-Chat ging es nicht nur um Gott, sondern auch um die Welt. Pfarrer Steffens fotografiert in seiner Freizeit Busse und ist mittlerweile ein profunder Kenner des Öffentlichen Nahverkehrs. Mit vielen Busfahrern sei er inzwischen auch befreundet und hat einen durchaus kritischen Blick auf so manche Ausschreibungspraxis: „Billig, billig ist hier in der Regel die Devise“, so Steffens. Und dann wundere man sich, wenn radikal beim Fahrpersonal gespart wird und sich nach Neuvergaben bundesweit Unzuverlässigkeiten häufen. Angestammte Unternehmen hätten dabei meist das Nachsehen, könnten nur mit oft nicht mehr auskömmlichen Preisen ihr Einsatzgebiet verteidigen. Bei Streitereien um Notvergaben gehen sie, obwohl alles vorbereitet ist, durchaus auch mal kurzfristig leer aus. Dabei hätten es Städte und Landkreise selber in der Hand, die Missstände zu beseitigen. Dem Angebot im Landkreis Göppingen stellt er insgesamt jedoch ein gutes Zeugnis aus. Mit Spannung verfolgt er die geplante Übernahme der OVG in Göppingen durch die Stadt. „Hoffentlich schnappt nicht ein Konzern der Stadt im letzten Moment die Gesellschaft weg“. Ein Taktverkehr und eine Vernetzung der Linien untereinander sei, so Steffens, ebenso erforderlich wie ein zeitlich ausgedehntes Angebot – wie in Göppingen seit 2019. „Wer nicht weiß, wie er um 23 Uhr mit dem Bus nach Hause kommt, der nimmt schon beim Wegfahren um 19 Uhr das Auto“, so Steffens, der selbst, wann immer möglich, den Bus dem Auto vorzieht. Schweizer betont, dass zum Thema Attraktivität des Öffentlichen Nahverkehrs auch das VVS-Stadtticket ansetze, wonach die Bürger bald für 3 Euro durch alle Göppinger Stadtbezirke fahren können. Dafür hatte sich die CDU in den Haushaltsberatungen stark gemacht.

Spannend, offen und kurzweilig war diese inzwischen sechste Folge der Reihe „Politik digital“, in der Sarah Schweizer auch dieses Mal wieder die Fragen der Zuschauer mit einbaute. Für die Politikerin ist dieses in der Corona-Krise geborene Format, eine Möglichkeit mit Menschen einen politischen Dialog zu führen – auch wenn das, wie sie bekennt, reale Treffen nicht ersetzen kann. Aber ihre Reihe könnte auch in Zeiten, in denen Zusammentreffen wieder möglich werden, eine sinnvolle Ergänzung sein.

Den gesamten Chat mit Pfarrer Georg Steffens und Sarah Schweizer gibt es auf Facebook unter www.facebook.com/sarah.schweizer.395/

 

 

PM CDU-Stadtverband Göppingen

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