Sauerwasser in Jebenhausen sprudelt wieder öffentlich – Recht aus dem Jahr 1762

„Jebenhausen und sein Sauerwasser sind seit Jahrhunderten untrennbar miteinander verbunden“, kennt Göppingens Oberbürgermeister Guido Till den Stellenwert des Sauerwassers aus vielen Gesprächen im Stadtbezirk. Umso glücklicher zeigte er sich am Montagvormittag bei der Wiederinbetriebnahme der Abfüllstelle, dass das Wasser nun wieder frei zugänglich fließt.

Seit längerem durfte das Sauerwasser an der Jebenhäuser Badherberge von der Öffentlichkeit weder gezapft noch getrunken werden, was sich zu einem großen lokalen Ärgernis entwickelte. Das Sauerwasser war immer wieder mit Keimen verunreinigt und deshalb für den menschlichen Verzehr nicht geeignet. Das hat sich jetzt geändert: Die Fachleute der Gruppe Trinkwasseranlagen der Energieversorgung Filstal (EVF) haben die Entnahme des Sauerwassers verlagert. Statt, wie bislang, von der Schlossquelle kommt das Wasser nun aus der nur wenige Meter danebenliegenden Gartenquelle. „Das Sauerwasser aus der Gartenquelle hat eine sehr gute Qualität. Durch die erheblich kürzeren Zuführungsleitungen zur Entnahmestelle und den ständigen Auslauf wird das Risiko der Verkeimung des Sauerwassers auf ein Minimum reduziert“, erläutert Wassermeister Jürgen Moll von der EVF.

Das Sauerwasser und Jebenhausen gehören schon seit mehreren hundert Jahren untrennbar zusammen. Schon damals nannte man das Jebenhäuser Sauerwasser ein Muskateller unter den Sauerwässern. Diese Aussage beschreibt schon alles, was man über den Geschmack und den Genuss des Jebenhäuser Wassers wissen muss. Es zeigt auch, wie hoch das Ansehen und der Glaube an die große Heilkraft des Jebenhäuser Wassers war. Dabei unterscheiden sich die Göppinger und Jebenhäuser Wasser weder in der Entstehung noch in der chemischen Zusammensetzung wesentlich. Beide sind Bestandteil der sogenannten Filstalprovinz. Dies bedeutet, dass die Mineralstoffe aus dem Angulatensandstein des Schwarzen Juras und die Kohlensäure aus dem sogenannten Schwäbischen Vulkan bezogen werden.

Auch der Leibarzt von Herzog Friedrich I. von Württemberg war 1596 schon voller Lob. Er schrieb über den Sauerbrunnen: „Der beste Sauerbrunn ist zu Jebenhausen, den ich etlich Wochen lang, von dem 23. August biß auff den 21. Oktobris immerdar getruncken.“ Der Glaube an die Heilkraft des Jebenhäuser Sauerwassers ist Bestandteil der Jebenhäuser Kultur mit Trink- und/oder Badekuren. Als beste Zeit für eine Kur wurden die warmen Monate Mai bis September empfohlen. Diese Kuren wurden als sehr anstrengend empfunden und kosteten viel Zeit und Disziplin, dennoch strömten viele Kranke in die damals sehr berühmte Kuranstalt. Während der Anfangszeit des Jebenhäuser Sauerbrunnens wurde das Wasser ausschließlich zum Baden verwendet. In hölzernen Zubern badete man bis zu sechs Stunden in erwärmten Sauerwasser. Die Badezuber wurden auf den Wiesen vor dem Schloss aufgestellt. In der Wanne lag ein mit Holzspännen oder Kräutern gefülltes Kissen, auf das man zuerst kniete und sich später setzte. Ein Vergnügen waren die Badekuren nicht gerade: Die Gäste waren erst zufrieden „wenn die Haut aufgeplatzt und alles Schlechte herausgekommen ist“.

Es folgten Trinkkuren, die mit einem halben Liter begannen und dann Tag für Tag allmählich auf ein Quantum von drei bis fünf Litern gesteigert wurden. Zur Trinkkur begab man sich in das Trinkhaus, das sich dem Schloss gegenüber auf der anderen Bachseite befand. In einer dreiwöchigen Kur sollten ungefähr 70 Liter Wasser getrunken werden. Seit Beginn des 18. Jahrhunderts ließ das Interesse an den Badekuren nach. Wann genau der Betrieb der Kuranstalt eingestellt worden ist, lässt sich jedoch nicht exakt datieren.

Freies Sauerwasser

Das Recht auf Sauerwasser wurde im Lagerbuch von 1762 den Einwohnern von Jebenhausen garantiert. Hierbei wurde den Einwohnern das Recht eingeräumt, das Sauerwasser kostenlos für den täglichen Bedarf zu entnehmen. 1868 kam es über das Wasserentnahmerecht zu einem Streit zwischen der Gemeinde Jebenhausen und der Herrschaft von Liebenstein. Der Freiherr von Liebenstein war der Ansicht, dass die Jebenhäuser nur berechtigt seien, aus der ältesten Sauerwasserquelle, die unterhalb der evangelischen Kirche entsprang, Wasser zu entnehmen. Diese Quelle diente jedoch damals schon seit vielen Jahren nur noch als Viehtränke. Nach einem Rechtsstreit kam es im April 1870 zu einem Vergleich zwischen den beiden Parteien. Aus diesem Vergleich resultiert die bis heute bestandskräftige Sauerbrunnen-Ordnung aus elf Paragraphen. In dieser wird den Bewohnern von Jebenhausen das Recht zugesichert, Wasser für den Hausbedarf aus dem Schlossbrunnen zu entnehmen. Im Gegenzug hat die Gemeinde Sorge zu tragen, dass das Abfüllen zur Tageszeit geschehe.

Das Sauerwasser als Trinkwasser war ein gefragtes Konsumgut. Das Wasser wurde nicht nur in Jebenhausen und Umgebung konsumiert; schon im 17. Jahrhundert wurde es exportiert. Es sollen ganze Schiffsladungen auf der Donau nach Wien befördert worden sein. Mit der Firma Häberle begann der moderne Versand des Jebenhäuser Wassers. Anfänglich füllten vier Personen 300 Flaschen in einer Stunde. Jede gefüllte Flasche wurde mit einem Korken verschlossen und von Hand etikettiert. Das Wasser kam unter dem Namen „Jebenhäuser Sprudel“ und „Jebenhauser Schlossbrunnen“ zu einem Preis von sieben Pfennig je Flasche in den Handel.

Foto: Zum Wohl: Oberbürgermeister Guido Till, Bezirksamtsleiterin Claudia Bressmer und EVF-Geschäftsführer Dr. Martin Bernhart probierten die ersten Gläser.

 

PM Stadtverwaltung Göppingen

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