600 alte Streuobstbäume werden wieder aufgepäppelt

Der Landschaftserhaltungsverband Landkreis Göppingen e.V. (LEV) setzt sich für den Erhalt der Streuobstwiesen im Landkreis ein. Zwischen Januar und März 2020 werden rund 600 Streuobstbäume im Landkreis Göppingen von professionellen Obstbaumpflegern aus der Region geschnitten. Weitere sollen im nächsten Jahr folgen. Auftraggeber ist der Landschaftserhaltungsverband.

Was hat der Bau von Windkrafträdern mit dem Erhalt von Streuobstwiesen zu tun? 2017 gab es einen größeren und unwiederbringlichen Eingriff in die Natur und Landschaft durch den Bau eines Windkraftparks auf der Gemarkung Lauterstein. Hierdurch wurden hohe Ersatzzahlungen fällig. Unter Federführung des Regierungspräsidiums Stuttgart, Referat 56 Naturschutz und Landschaftspflege, ist in Zusammenarbeit mit der unteren Naturschutzbehörde des Landkreises und dem LEV hierfür eigens ein Fachkonzept mit Projektskizzen entstanden, wie diese Ersatzgelder an anderer Stelle im Landkreis wieder landschaftsaufwertend eingesetzt werden können. Neben Projekten zur Öffnung von verbuschten Wacholderheiden oder der Pflege von größeren Heckenlandschaften, ist auch die „Erhaltung und Entwicklung von Streuobstwiesen im Landkreis Göppingen“ Teil des Konzepts. Der Träger dieses Projekts ist der LEV mit einem finanziellen Eigenanteil der anfallenden Kosten von 30 Prozent. 70 Prozent steuert die Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg bei, die die Ersatzgelder verwaltet.

Ein Teil des LEV-Streuobstprojekts ist die sogenannte Revitalisierung und Stabilisierung von alten und stark pflegebedürftigen Hochstamm-Obstbäumen. Die alten Streuobstbäume sollen durch einen Schnitt von Fachleuten wieder einige Jahre an Stand- und Lebenszeit gewinnen. Daraus ergeben sich viele positive Effekte für die Natur, aber auch für uns Menschen. Einheimische und Besucher können sich weiterhin am Anblick der Blütenbracht im Frühjahr und dem leckeren Obst im Herbst erfreuen. Den Landwirten wird die Bewirtschaftung des darunterliegenden, meist artenreichen Grünlandes erleichtert. Die Vogelwelt, Kleinsäuger sowie zahlreiche Käfer und andere Insekten profitieren von intakten Streuobstwiesen als Lebensraum. Leider werden die Bäume häufig nicht mehr geschnitten und gepflegt. Immer mehr Streuobstwiesen werden aufgegeben und fallen aus der Nutzung, da sie sich vor allem wirtschaftlich nicht mehr rentieren. Die Bäume vergreisen und sterben frühzeitig ab. Obstbäume sind jedoch ein kulturelles Gut. Gerade durch den regelmäßigen und fachgerechten Schnitt können sie beeindruckende 100 Jahre und älter werden und haben vor allem mit zunehmendem Alter einen hohen ökologischen Wert.

Der LEV rief deshalb 2019 seine 31 Mitgliedskommunen dazu auf, sich für die Teilnahme am Projekt zu bewerben. 11 Kommunen nehmen landkreisweit teil. Die jeweilige Kommune steckte ein größeres zusammenhängendes Streuobstgebiet innerhalb ihrer Gemarkung ab. Danach wurden die Projektgebiete vom LEV besichtigt und nach ihrer Pflegebedürftigkeit eingeschätzt. Die Kommunen gingen daraufhin auf die Streuobstwiesenbesitzer zu. Einige davon wurden direkt angeschrieben. Andere Kommunen wählten den Weg über das Mitteilungsblatt. Nach dem Rücklauf der „Gütlesbesitzer“, ging ein vom LEV beauftragtes Planungsbüro auf die Wiesen, um die zu pflegenden Bäume nach gewissen Kriterien auszuwählen. Alle Bäume, die zu revitalisieren sind, erhielten einen pinken Punkt am Stamm. Die Bäume die stabilisiert werden sollen, erhielten einen gelben Punkt. Der Revitalisierungsschnitt hat das Ziel bei überalternden Bäumen Licht in die Krone zu bringen, einen Wiederaustrieb junger Äste zu fördern und den Baum standsicher zu machen. Beim Stabilisierungsschnitt wird lediglich versucht ein Auseinanderbrechen des bereits abgehenden Baumes zu verhindern.

Insgesamt nehmen 108 Streuobstwiesenbesitzer am LEV-Projekt kostenfrei teil. Ihnen soll durch die Unterstützung der Wiedereinstig in die Pflege ihrer Bäume erleichtert werden. So werden im Frühjahr 2020 in den Kommunen Lauterstein, Süßen, Geislingen a. S., Kuchen und Bad Überkingen rund 600 Streuobstbäume von Obstbaumpflegern, die vom Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft Baden-Württemberg e.V. (LOGL) geprüft wurden, professionell geschnitten. Bei dem Schnitt werden vor allem naturschutzfachliche Aspekte berücksichtigt, wie z. B. der Erhalt von Höhlen und Totholz, welches für viele bedrohte Arten, wie einige Käferarten oder den Steinkauz, überlebenswichtig sind. Aber auch Misteln, die immer mehr ein Problem darstellen, sollen in diesem Zug restlos von den Bäumen entfernt werden. Überwiegend handelt es sich um alte Apfelbäume. Aber auch große und schwer zu pflegende Birnen sowie vereinzelte Zwetschgen werden mit einem Verjüngungsschnitt wieder aufgepäppelt. 2021 ist die Pflege von etwa nochmals so vielen Bäumen in den Kommunen Eschenbach, Göppingen, Rechberghausen, Hattenhofen und Gruibingen geplant. Die Auswahl der Bäume ist auch dort bereits erfolgt.

Ein weiteres Projekt ist die Verwertung des Schnittguts. Dabei werden die Wiesenbesitzer in fünf der elf teilnehmenden Kommunen bei der Entsorgung des anfallenden Schnittguts unterstützt. Sie müssen das Schnittgut lediglich an den Wegrand bringen. Ein vom LEV beauftragtes Unternehmen sammelt das Schnittgut im März/April ein und verwertet es an einem zentralen Sammelplatz zu Hackschnitzeln. Diese sollen später einer energetischen Nutzung zugeführt werden. Die Kosten werden wieder im Verhältnis 30 zu 70 vom LEV und der Stiftung Naturschutzfonds getragen.

Beide Projekte sind aus den Erfahrungen des LIFE + Projekts „Vogelschutz in Streuobstwiesen des Mittleren Albvorlandes und des Mittleren Remstales“ entwickelt und erprobt worden. Sie sollen einen wichtigen Beitrag zum Erhalt unserer wertvollen Streuobstwiesen leisten.

 

Hintergrundinformationen:

Streuobstwiesen im Landkreis Göppingen

Im Landkreis Göppingen gibt es in etwa 4.400 Hektar Streuobstwiesen mit ca. 240.000 Bäumen innerhalb Europas größtem Streuobstgürtel und stellen damit eine Besonderheit dar.

Der Landschaftserhaltungsverband Landkreis Göppingen e. V. (LEV) ist ein gemeinnütziger Verein, der sich für den Schutz und den Erhalt der Kulturlandschaft und biologischen Vielfalt einsetzt. Für den Landkreis Göppingen prägende Biotope und Landschaftselemente, wie Wacholderheiden, Hecken oder auch Streuobstwiesen, werden durch individuelle Pflegemaßnahmen betreut, sodass deren Funktion als Lebensraum erhalten bleibt. Die Aufgabe des LEV ist dabei vorrangig die Koordination, Organisation und Begleitung der Landschaftspflegemaßnahmen im Konsens mit allen Beteiligten (wie Ämter, Grundstückseigentümer, Bewirtschafter, Planer usw.). Dabei spielt Natura 2000, ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten innerhalb der EU, eine zentrale Rolle. Ebenso gehört die Beratung und Öffentlichkeitsarbeit zum Tätigkeitsfeld des LEV.

Der Verein setzt sich aus Vertretern aus den Kommunen, der Landwirtschaft und des Naturschutzes zusammen. Dabei ist die Drittelparität des Vorstandes hervorzuheben. Aktuell sind 31 Kommunen und 7 Vereine Mitglieder. Vorsitzender des Vereines ist Landrat Edgar Wolff.

Zentrales Förderinstrument, an dem sich der LEV bedient, ist die Landschaftspflegerichtlinie (LPR) des Landes Baden-Württemberg. 2018 wurden bspw. über die LPR mit über einer halben Million Euro aus EU- und Landesmittel etwa 210 Maßnahmen zum Erhalt der Kulturlandschaft und der Artenvielfalt auf etwa 785 Hektar im Landkreis bezuschusst und umgesetzt. Die wichtigsten Partner bei der Umsetzung sind u. a. Schäfer und Landwirte, Vereine, Kommunen und Landschaftspflegebetriebe.

Für weitere Informationen lohnt sich ein Besuch der Homepage des LEV: www.lev-gp.de.

 

PM Landschaftserhaltungsverband Landkreis Göppingen e.V

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