Göppingen: Den inneren Schweinehund wegradeln

Nach dem ersten Wintereinbruch wurde bei der Veranstaltung „Winterzeit – Radfahrzeit“ im Landratsamt Göppingen diskutiert, wie man sicher mit dem Rad durch den Winter kommt.  

Trotz des nahezu frühlingshaften Wetters nach dem ersten Schnee Mitte Januar lockte es die Radlerinnen und Radler im Landkreis Göppingen am vergangenen Dienstag, den 26.01.2016, in den Helfensteinsaal des Landratsamts, um sich über das Radfahren im Winter zu informieren. Das Amt für Mobilität und Verkehrsinfrastruktur hatte zu der Veranstaltung eingeladen, um den Bürgerinnen und Bürgern hilfreiche Informationen und Tipps mit auf den Weg zu geben und die Vorbehalte gegenüber dem Radeln im Winter abzubauen. Jörg-Michael Wienecke, Leiter des Amts für Mobilität und Verkehrsinfrastruktur, eröffnete die Veranstaltung mit der Betonung auf den Dialog, der in dieser Thematik zwischen den zuständigen Akteuren sowie den Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern geführt werden müsse. Ziel seien nicht gegenseitige Schuldzuweisungen, sondern eine Förderung des gegenseitigen Verständnisses.

Zum Auftakt der Veranstaltung informierte Peter Beckmann vom ADFC Baden Württemberg auf anschauliche Art und Weise in einem Vortrag über sicheres Radfahren im Winter. Neben Fragen der richtigen Wartung, Einstellung und Beleuchtung am Fahrrad wurden wichtige Hinweise zum Fahrverhalten gegeben. Besonders vorausschauendes Fahren – sowohl in Bezug auf andere Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer als auch im Hinblick auf Hindernisse – sei bei schwierigen Witterungsbedingungen zentral. Beckmann wies darauf hin, dass es – genau wie für das Auto- und Motorradfahren – auch Fahrsicherheitstrainings für das Fahrrad gibt, die der ADFC anbietet. Um die Vielfalt der Möglichkeiten zu demonstrieren, die das Radfahren im Winter angenehmer machen können, brachte Beckmann die entsprechenden Materialien mit. So konnten die Besucherinnen und Besucher beispielsweise Spikes-Reifen für besseren Halt, Rücklichter mit Bremslicht oder einen Fahrradhelm mit Visier gegen Schnee und Wind testen und begutachten. Nicht zuletzt appellierte Beckmann, dass die Radfahrenden zwar selber einen großen Teil dazu beitragen, sich sicher im Winter fortzubewegen, jedoch müssten auch die Autofahrerinnen und –fahrer entsprechend mitwirken: Zu häufig seien Windschutzscheiben nicht ausreichend freigekratzt, der Schnee nicht komplett von den Autos entfernt oder die Scheibenwaschanlage nicht sorgfältig genug eingestellt. Dies trage dazu bei, dass Radfahrerinnen und –fahrer schlechter gesehen würden.

Im Anschluss an den Vortrag wurden die verschiedenen Herausforderungen des Radfahrens im Winter auf dem Podium diskutiert. Neben Dr. Gudrun Zühlke, Landesvorsitzende des ADFC Baden-Württemberg, und Dirk Messer, Vorsitzender des ADFC-Kreisverbands Göppingen und langjähriger Winterradler im Kreis, waren mit Thorsten König (Leiter des gemeinsamen Straßenbauamts der Landkreise Göppingen und Esslingen) und Bernd Burkhardt (Leiter des Betriebshofes der Stadt Göppingen) Vertreter des Winterdienstes in der Diskussionsrunde repräsentiert. Alle vier bekannten sich als passionierte Radfahrer.

Die Diskussion drehte sich zunächst um die Frage, wie künftig mehr Menschen zum Radfahren im Winter gewonnen werden können. Dies sei laut Frau Dr. Zühlke vor allem Kopfsache: Nach wie vor sei das Bild in den Köpfen verhaftet, dass das Radfahren im Winter gefährlich und nicht zu empfehlen sei. Diesbezüglich müsse jedoch dringend ein Umdenken stattfinden, da es zahlreiche Mittel und Wege gibt, um das Radeln auch im Winter attraktiv zu machen – dies fängt bei der richtigen Kleidung an. Wichtig sei dabei auch, mit entsprechender Öffentlichkeitsarbeit bei den anderen Verkehrsteilnehmerinnen und –teilnehmern zu umsichtigem Verhalten aufzurufen. Doch genauso wie ein schlecht gekratztes Auto die Verkehrssicherheit gefährden kann, sollten sich auch Radlerinnen und –Radler darüber bewusst sein, dass sie bei ungünstigen Verhältnissen Autos mit ihrer Beleuchung blenden können. Thorsten König wies darauf hin, dass dies vor allem bei Radwegen, die mit niedrigerem Oberflächenniveau entlang von Landstraßen verlaufen, ein Problem sei.

Ein häufiges Hindernis beim Radeln im Winter besteht darin, dass die Radwege nicht immer geräumt sind. Sowohl ADFC als auch die Vertreter des Winterdienstes wiesen jedoch darauf hin, dass die Räumung von Radwegen hinsichtlich begrenzter Mittel und Personal ihre Grenzen habe. Herr König erläuterte die Zuständigkeiten des Winterdienstes im Kreis, die “gar nicht so einfach” zu benennen seien. Während die Straßenmeistereien, die dem Straßenbauamt unterstehen, für kreis-, landes- und bundesstraßenbegleitende Radwege zuständig sind, sind die Bau- und Betriebshöfe der Städte und Gemeinden für die Räumung der Straßen innerorts im Gemeindegebiet zuständig. Manchmal würden jedoch auch Zusatzvereinbarungen getroffen. Bernd Burkhardt bestätigte dabei den Eindruck von Dirk Messer, dass Radrouten, die durch verschiedene Städte und Gemeinden verlaufen, sehr unterschiedlich geräumt seien: Während der Weg beispielsweise zu Beginn noch gut geräumt sei, stoße man an der Gemeindegrenze schließlich auf eine dichte Schnee- und Eisdecke. Hier wäre folglich eine bessere Abstimmung auf bestimmte Routen zwischen den Zuständigen wünschenswert.

Burkhardt erläuterte, dass die Stadt Göppingen in regelmäßigen Abständen den Räumungsplan für Radwege überprüfe und ggf. abändere. Wer also Anregungen hätte, könne diese gegenüber der Stadt gerne äußern. Burkhardt appellierte ebenso an die Bürgerinnen und Bürger – ähnlich wie im Falle defekter Straßenlaternen oder Ampeln – den Betriebshof zu informieren, falls wichtige Radrouten in der Stadt trotz Räumung an bestimmten Stellen unbefahrbar seien (Tel.: 07161 650 870).   Nach einer ausführlichen Diskussionsrunde unter Einbindung von Fragen aus dem Publikum resümierte Dirk Messer, dass eine entsprechende Radkultur gefördert werden müsse, die das Radfahren im Winter als etwas ganz Normales betrachtet. Dr. Gudrun Zühlke wies mit Verweis auf das in Sachen Radfahren vorbildliche Kopenhagen darauf hin, dass es Vorreiter brauche, die sich aufs Rad setzten, um damit auch andere anzuspornen. Auch wenn das Schlussfazit doch etwas unterschiedlich ausfiel und einerseits die Meinung vertreten wurde, dass bei extremen Wetterverhältnissen auch auf andere Verkehrsmittel wie PKW oder ÖPNV ausgewichen werden könne und andererseits gefordert wurde, gerade bei extremem Wetter das Auto wegen Unfallgefahr stehen zu lassen, einigte sich das Podium auf die wichtigste Botschaft des Abends: Mehr Gelassenheit im Verkehr zu fördern.

PM

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