Tradition des Nassachtals bewahren

In der Hochphase der Industrialisierung qualmten zig Kohlemeiler im Nassachtal. Die hier hergestellte Holzkohle war im ganzen Land bei Fabrikanten wie der WMF heiß begehrt, um Eisen schmelzen zu können. Ein Schaukohlenmeiler soll nun die harte Arbeit der Köhler zeigen und einen Einblick in einen Jahrhunderte alten Brauch gewähren, der in Baden-Württemberg kaum mehr präsent ist.

„Schon jeder hier hat mal schwarze Hände, Nasen und Gesichter von der Arbeit an einem Kohlenmeiler gehabt“, sagt Volker Krapf, stellvertretender Ortsvorsteher des Uhinger Stadtteils, über das Herstellen von Holzkohle. Auch er entstammt einer Köhlerfamilie, die vor Jahrhunderten ihren Lebensunterhalt mit dem Herstellen von Holzkohle verdiente. Nicht nur Ruß und Asche, die alles schwarz färben, auch mühsame Plackerei, ein gewisses Händchen für Statik, beißender Rauch und ein hohes Fachwissen gehören dazu, um aus Holzstämmen hochwertige Holzkohle herzustellen. Dementsprechend stolz blicken die Nachfahren der Köhler aus Baiereck und dem Nassachtal auf die jahrhundertealte Tradition zurück. Das Herstellen von Holzkohle gehört praktisch zur DNA der Menschen in diesem beschaulichen Landstrich.

Die erste urkundliche Erwähnung einer Köhlerei im Nassachtal ist aus dem Jahr 1583 datiert. Mit der Ansiedlung der Glasbläser-Familie Greiner im Jahr 1450 stieg der Bedarf an Holzkohle, es begann die 100-jährige Blütezeit des Tals durch die Einnahmen der wohlhabenden Glasbläser. Nach deren Abwanderung um 1600 und den Folgen des 30-jährigen Kriegs (1618-1648) aber galt das Nassachtal zwischen 1650 und 1850 als eine der ärmsten Gegenden Württembergs. Immer weniger Menschen pflegten das Köhlerhandwerk, auch weil Holz knapp wurde. Erst mit der Industrialisierung erlebte die Köhlerei im Nassachtal einen ungeahnten Aufschwung. Eisengießereien in Ludwigsburg, Stuttgart, Göppingen und später die WMF in Geislingen hatten einen schier unstillbaren Hunger nach Holzkohle. „Sie hat einen vier- bis siebenfachen Brennwert von Holz“, erklärt Volker Krapf. Das bedeutet: Beim Verbrennen der Holzkohle entsteht so viel Hitze, dass Eisen geschmolzen und in Formen gegossen werden kann. Diesen Bedarf stillten so viele Familien im Nassachtal, dass zeitweise um die 30 Kohlenmeiler für Nachschub sorgten.

Von Generation zu Generation, vom Vater auf den Sohn, wurde nicht nur die Verantwortung, sondern auch Wissen übertragen. Befindet sich in der Nähe eines Kohlemeilers ein Bach, und davon gibt es einige im Nassachtal, brennen die Meiler besser. Das Wasser zieht das Feuer an, lautet nur eine von vielen Köhler-Weisheiten. Mitte des 20. Jahrhunderts verdrängte die Steinkohle aber nach und nach die Holzkohle, der heiß begehrte Brennstoff aus dem Nassachtal wurde zum Ladenhüter und die Köhlerei nicht mehr rentabel. Und das Handwerk der Holzkohle-Produktion verschwand zusehends aus dem Alltag.

So ganz konnten manche Menschen aus dem Tal der Frohen, wie das Nassachtal auch genannt wird, die Vergangenheit ihrer Vorfahren aber nicht vergessen. Wollten sie auch nicht, das hat sich so wie die rot lodernde Glut  beim Verkohlen in das Holz quasi auch in die DNA der alteingesessenen Familien in dem idyllischen Landstrich eingebrannt. Mittlerweile pflegen zwar nur noch die Familien Hees und Krapf, weitläufig verwandt mit Volker Krapf, seit mehr als 300 beziehungsweise knapp 400 Jahren diese Tradition. Bei Köhlerprojekttagen im Sommer oder zwei bis vier Terminen mit lokalen Vereinen, bei denen mühsam ein Kohlenmeiler aufgeschichtet und dann eine Woche lang qualmt, wird diese mühselige Arbeit ihrer Ahnen aber wieder lebendig. Und auch die Freiwillige Feuerwehr aus Baiereck stellt immer wieder gemeinsam mit der Köhlerei Krapf Holzkohle her – für den Eigenbedarf, erklärt Volker Krapf. Von den einst 30 Kohlenmeilern blieben nur noch vier Kohlplatten übrig, die zu gleichen Teilen den Familien Hees und Krapf gehören.

Um aber das ganze Jahr über zu zeigen, wofür das Nassachtal einst im ganzen Land berühmt war, soll ein Schaukohlenmeiler am Ortsausgang von Baiereck zwischen der Nassachtalstraße und Straße Am Kugelrain entstehen. Und zwar nicht irgendwo, sondern dort, wo bis vor wenigen Jahren ein Jahrzehntealter gemauerter Kohlenmeiler gestanden hatte. Damit wollten sich die Vorväter die dreckige Arbeit mit Ruß und Asche sparen. „Er hat aber nie richtig funktioniert und ist in den vergangenen Jahren  zusehends verfallen“, sagt Volker Krapf. Vor drei Jahren wurde das Bauwerk schließlich abgerissen.

Die Idee des Schaukohlenmeilers geht zwar auf den Ortschaftsrat zurück, der den Wandel vom Holz in Holzkohle anschaulich erklären und die Leistung der Köhlerfamilien aus dem Nassachtal würdigen will. Das Vorhaben wird auch tatkräftig von der Stadt Uhingen unterstützt. Derzeit entsteht durch den städtischen Bauhof das Fundament, Mitte März sollen ein  achteckige Holzpavillon für den Meiler errichtet werden und Ende März/Anfang April die Pflasterarbeiten erfolgen. Mit 40.000 Euro unterstützt die Stadt Uhingen das Vorhaben im Stadtteil. „Wo gibt es in Baden-Württemberg sonst noch Menschen, die sich freiwillig die Mühe machen und unter einem enormen Kraft- und Zeitaufwand wie vor hunderten Jahren Holzkohle herstellen?“, fragt Bürgermeister Matthias Wittlinger und zeigt sich begeistert von der traditionsreichen Geschichte.  An das Köhlerhandwerk mit einem Schaukohlenmeiler zu erinnern, sei  – wie auch das Landschaftsidyll – ein Alleinstellungsmerkmal für die Stadt Uhingen.

Der Ortschaftsrat will noch Schautafeln mit Bildern und Bänke zum Verweilen aufstellen. Außerdem soll ein echter Kohlenmeiler aufgeschichtet werden. Wie bei einem Kuchen soll ein „Stück entnommen werden, um mit einem  Querschnitt das Innere zu sehen“, erklärt Volker Krapf. „Wir leben dort wo andere Urlaub machen“, erklärt er weiter. „Die Menschen sollen aber auch sehen, was hier einst zum Alltag gehört hat.“ Er und der Ortschaftsrat hoffen, dass Ausflügler fortan nicht nur wegen der malerischen Landschaft ins Nassachtal kommen, sondern sich auch mit der Vergangenheit beschäftigen wollen. Vielleicht zieht der Schaukohlenmeiler auch Schulklassen – nicht nur aus Uhingen – an, ergänzt Matthias Wittlinger, der um die Bedeutung des Projekts auch für den Tourismus der Stadt weiß. „Uhingen hat dann , zusätzlich zur Route der Industriekultur, eine weitere Attraktion zu bieten.“

Info:

Um Holzkohle herzustellen, werden auf einer Kohlplatte, ein ebener und verdichteter Untergrund aus Lehm, Holzscheite pyramidenförmig möglichst eng um ein Zentrum, das Füllhäusle, gestapelt. Darauf kommt dann eine Schicht nasses Stroh oder Heu und darauf wiederum die Schwarzschicht – also gemahlene Kohle. „Sie schließt das ganze luftdicht ab“, weiß Volker Krapf. Nur beim Füllhäusle bleibt ein Loch, damit der Brenner beziehungsweise Köhler diesen anzünden kann. Nachdem die ersten Flammen noch hoch in den Himmel ragten, erlöschen sie, die Glut aber frisst sich durch das Holz. Das dauert zirka eine Woche. Damit hochwertige Holzkohle entsteht, sticht der Brenner Löcher in den Meiler „und steuert so die Verkohlung“, weiß Volker Krapf. Eine Arbeit, die an die Substanz geht. Denn nach dem Kraftakt des Aufschichtens muss der Kohlemeiler Tag und Nacht bewacht werden, damit am Ende des mühsamen Prozesses auch tatsächlich Holzkohle entstehen kann.

Foto: Koehlerei Krapf / Uropa Johann Karl Krapf

PM Stadt Uhingen

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