Sonntagsgedanken: Wie viele Ohren haben Sie?

Was für eine Frage! Ein linkes, ein rechtes – zwei Ohren, ist doch klar!

Aber wir haben noch ein Ohr, ein drittes Ohr. Ein drittes Ohr? Ja, ein drittes Ohr. Ein Ohr, das mehr und anderes hört als unsere zwei Ohren.

Unser drittes Ohr hört, was mir ein anderer Mensch im Gespräch nicht direkt sagt. Es kann erfassen, was jemand fühlt und denkt. Unser drittes Ohr hört auch dann, wenn keine Worte gesprochen werden.

„Kann er mich hören?“, fragt eine junge Frau, deren Vater im Sterben liegt. Er hört fast nichts mehr, ohne die Hörgeräte schon gar nicht. Er reagiert kaum noch. Die Augen sind geschlossen. Kann er mich noch hören? Ja, er kann, denn als sie mit ihm redet, wird sein Atem ruhig und gleichmäßig. Und als die Tochter ein Abendlied summt, bewegt er kaum sichtbar die Lippen. Er hört.

Unser drittes Ohr kann Stimmen aus dem Inneren wahrnehmen, Stimmen, die mit den anderen beiden Ohren nicht zu hören sind. Das kannst Du nicht, trau dich doch endlich, lass das besser sein, dafür bist du zu klein, gönn dir doch was…diese Sätze kennen wir!

Unser drittes Ohr ist auch und vor allem ein Ohr für die Stimme Gottes.

Von diesem dritten Ohr wußten die Christen in den ersten Jahrhunderten nach Christi Auferstehung. Da gab es für diejenigen, die sich taufen lassen wollten, ein Ritual zur Öffnung der Ohren. Ein Priester benetzte die Ohren der Täuflinge und sagte „ephata!“ Öffne dich!

Gut funktionierende Ohren sind noch keine Garantie, dass wir auch hören. Deshalb werden wir ja immer wieder zum Hören ermuntert. Der Monatsspruch aus der Bibel sagt es so: „Denkt daran, Brüder und Schwestern: jeder Mensch soll schnell bereit sein zuzuhören!“ (Jakobus 1,19)

Und Jesus forderte immer wieder auf: „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“. Wir brauchen Ohröffner in unserem Leben. Zuhören, hinhören, auf Gottes Wort hören. Hören nicht nur auf das, was man hören will, sondern hören auf das, was die andere sagt. Nicht überhören und weghören, sondern erst hinhören und dann zuhören.

„Zuhören ist ein Akt der Zärtlichkeit“ – so hat es einmal eine Kollegin formuliert. Wer zuhört, nimmt das Gegenüber ernst – und sich selbst nicht so wichtig!

Und Jakobus schreibt: „Denkt daran, Brüder und Schwestern: jeder Mensch soll schnell bereit sein zuzuhören. Aber er soll sich Zeit lassen, bevor er selbst etwas sagt oder gar in Zorn gerät.“

Wer zuhört, nimmt sich zurück und lässt dem anderen Raum. Wer zuhört, tritt zurück und macht der anderen Platz. Wer hört, schenkt dem, der redet, seine Zeit und lässt sich auf den anderen ein.

Und unsere Schulkinder? Für einen Tauferinnerungsgottesdienst lernten die Zweitklässler im Religionsunterricht ein Lied. Sie sangen es mit aller kindlichen Begeisterung für den kleinen Täufling und alle anderen stimmten mit an: „Gib uns Ohren, die hören und Augen, die sehn und ein weites Herz, andere zu verstehn. Gott gibt uns Mut, unsere Wege zu gehen!“

Hören wir den Schulkindern zu: Greta und Pablo und Minh, Achmad und Max, Carola und Mara und wie sie alle heißen! Schülerinnen und Schüler haben uns etwas zu sagen!

Die Ferien, diese große Pause mitten im Sommer, sind eine wunderbare Gelegenheit, sich im Hören auf das dritte Ohr zu üben – probieren Sie es einfach mal aus!

 

Annette Leube, Schuldekanin

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