Sonntagsgedanken zum Ostersonntag

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

was zählt eigentlich –

Vision oder Wirklichkeit,

Erfahrung oder Erzählung,

Rationalität oder Glaube?

Selbst noch am offenen Grab die Frage: Wo ist er eigentlich? Nicht am heiligen Ort Jerusalem, sondern im Alltag, am Anfang der Geschichte – in Galiläa.

Nach dem Sabbat, früh am ersten Tag der Woche, noch im Schutz der Dunkelheit, machen sich die Jüngerinnen auf den Weg, den Leichnam zu salben und finden – ein leeres Grab. ‚Er ist nicht hier. Er ist auferweckt worden‘.

Der Osterbericht ist kurz und bescheiden, eher andeutend.  Die Frauen sind entsetzt über die Störung der Totenruhe, über diese unverständlichen Worte. Hoffnung sähe anders aus.

Die Jüngerinnen lösen sich von festgefügten Vorstellungen, öffnen sich für die neue Wirklichkeit, vertrauen der Botschaft des leeren Grabes. Erst so wird Auferstehung real.

Einer muss den Anfang machen, den ersten Schritt tun und sich mit seinen Vorurteilen, erstarrten Vorstellungen, seiner Besserwisserei oder Selbstgerechtigkeit zurückziehen.  Wo liegt die Kraft in der Erniedrigung Jesu? Die christliche Phantasie stellt sich die Ereignisse von Karfreitag und Ostern gern nach dem Muster „vorläufige Niederlage und endgültiger Sieg“ vor. Aber kann so Versöhnung werden? Die Evangelien muten uns einen schwierigen Gedanken zu: Gott, der Richter und Herr der Welt, nimmt sich zurück. Das ist Gottes Treue, seine Feindesliebe, seine große Geduld, sein Verzicht auf Rache. Der Theologe Karl Barth sagte: „Gott will verlieren, damit der Mensch gewinne. Sicheres Heil für den Menschen, sichere Gefahr für Gott selber“.

Gott sagt zu dieser untereinander verfeindeten Menschheit: ‚Ich liebe dich, ich will, dass du lebst‘.

Diese grundlegende Anerkennung des Daseins des Anderen sollte uns auch untereinander gelingen, glaubwürdig gelingen. Sonst bleibt alles beim Alten.

Die Evangelien entsprechen der lebendigen Bescheidenheit Gottes, die sanft und unscheinbar daherkommt und es riskiert, missachtet zu werden. Im Gekreuzigten hat Gott uns freigesprochen. Einer muss den Anfang machen. Vertrauen braucht den Mut zum Risiko. Möge der Lebensatem, möge die galiläische Morgenluft diese Welt erfüllen: ‚Juden und Heiden‘, Palästinenser und Israelis, Juden, Christen und Moslems, Russen und Ukrainer, Türken und Kurden und auch Menschen und Familien hier bei uns, von denen manche so dringend der Versöhnung bedürfen.

Frohe Ostern!

Ihr Pfr. Reinhard Hauff, Heiningen

 

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