Sonntagsgedanken: Man lernt nie aus

Alle zwei Jahre macht sich im Vorfeld des Evangelischen Kirchentags bei mindestens hunderttausend Christenmenschen im Land  eine erwartungsfrohe Unruhe bemerkbar: sie ackern das Programmbuch durch, in dem mehr als 2000 Veranstaltungen aufgeführt sind, sie  kümmern sich um Anreise und Unterkunft, sie nehmen Kontakt auf zu Gastgebern und Mitreisenden, sie treffen sich in Vorbereitungsgruppen, sie freuen sich auf  glaubensstärkende Erlebnisse, auf gehaltvolle Gottesdienste, auf spannende Diskussionen und horizonterweiternde Begegnungen.

Nächste Woche ist es wieder so weit. Stuttgart und die württembergische Landeskirche sind vom 3. bis 7. Juni Gastgeber für das protestantische Großereignis. „….damit wir klug werden“ heißt dieses Mal die Losung. Der Halbsatz aus Psalm 90,12 läßt aufmerken. Was muß geschehen, damit wir klug werden? Und was bedeutet kluges Handeln für uns persönlich, aber auch für Politik, Kirche und Gesellschaft? Diese Fragen werden die Gottesdienste und  Debatten des Kirchentags beherrschen. Der Psalm nennt eine Voraussetzung für das Klug-Werden: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden“, lautet der ganze Vers. Es ist ein Gebetssatz. Er erinnert an unsere Grenzen und an unser Angewiesensein auf Gott. Er hilft zu einer realistischen Wahrnehmung der eigenen Möglichkeiten und warnt vor Selbstüberhöhung. Mit Klug-Werden im Sinne der Bibel ist  auch  die mithelfende Sorge  für das gerechte gemeinsame Leben gemeint.  Ja, der Glaube an Gott macht lebenstüchtig, gemeinschaftsfähig, verantwortungsbereit und hoffnungsstark! Das sind Zielangaben, die die Richtung weisen. Wir bleiben unterwegs. Es geht immer um ein  Klug – W e r d e n ,  nicht um ein irgendwann  erreichbares Fertig – Sein .   „Man lernt nie aus“ sagen wir, wenn wir neue Erkenntnisse gewinnen. „Man lernt nie aus“ sagt etwa der Opa, der sich von seinem Enkel in die Geheimnisse des Computers einführen läßt. „Man lernt nie aus“ sagt der Konfirmandenvater, der während des Konfirmandenjahrs seiner Tochter die Kirchengemeinde so positiv erlebt hat, dass er wieder in die Kirche eintritt.    „Man lernt nie aus“ sagt die Nachbarin, die den Flüchtlingen im Nebenhaus zunächst ablehnend gegenüber stand, jetzt aber bei einer Tasse Tee erfahren hat, dass das ja „ganz normale“ Menschen sind, mit denen man gut auskommen kann. Ich denke, dass wir beim Kirchentag viele Beispiele für das Klug-Werden hören werden. Sie ermutigen uns, in der Schule des Glaubens offen zu bleiben für das Staunen über Gottes Wege und für neue Einsichten, die das gemeinsame Leben bereichern. Jedenfalls möchte ich jedem, dem es möglich ist, einen Besuch des Kirchentags empfehlen. Da finden wir Fundamente und da weiten sich Horizonte. Sehen wir uns in Stuttgart?

Pfarrer i.R. Walter Scheck

Göppingen

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