Sonntagsgedanken: Tod per App

Whatsapp, Spotify, Wetter – welche Apps haben Sie heute schon genutzt? Sicher ist: Es gibt Millionen dieser kleinen Anwendungen für Smartphones, und es scheint wirklich kein Thema zu geben, dass die Programmierer ausgelassen hätten. Sogar vor dem Tod machen sie nicht halt – und das in diesem Fall sogar auf sehr berührende Weise.

„To croak“ heißt übersetzt ganz plastisch „abkratzen“ oder „krepieren“. „WeCroak“ heißt die App, die uns fünfmal täglich die Nachricht schickt: „Vergiss nicht, du wirst sterben“. Fünfmal die gleiche Nachricht, zu zufällig ausgewählten Zeiten. Die Nachricht trifft uns also morgens oder abends, wenn wir gerade überglücklich oder völlig deprimiert sind, gelangweilt oder im Stress, bei der Arbeit oder im Urlaub, allein auf der Couch oder mit Freunden auf einer Party. Klingt gruselig, oder? Ist es auch. Aber Menschen, die die App ausprobieren, haben erstaunliche Erfahrungen gemacht: Die Nachricht kommt und – bing! – wird einem bewusst, wie kurz das Leben ist. Vielleicht traue ich mich jetzt eher mal, über meinen Schatten zu springen und meinen Partner um Entschuldigung zu bitten – wer weiß, wie viele Gelegenheiten ich noch habe! Oder die ersten Sonnenstrahlen in diesem Frühling so richtig auszukosten – so schnell ist er wieder vorbei! Oder meinen Chef einmal auf die Sache anzusprechen, die mir schon so lange im Magen liegt – egal, wir beide werden uns ohnehin bald von dieser Welt verabschieden. Die Entwickler der App (übrigens junge Menschen um die 30) haben sich von dem südasiatischen Land Bhutan inspirieren lassen. Dort gibt es den Brauch, sich mehrmals täglich daran zu erinnern, dass wir sterblich sind. Tatsächlich gibt es eine solche Tradition in vielen Kulturen, auch in Europa und im Christentum. Das „memento mori“ hat die abendländische Kultur über viele Jahrhunderte geprägt. So malten die reichen Bürger des 17. Jahrhunderts auf ihre prachtvollen Gemälde, die Luxuswaren aus aller Welt zeigten, immer auch ein paar Würmer oder zerbrochenes Glas. Sie wollten darauf hinweisen, dass alles Glück der Welt zerbrechlich ist und wir es nicht festhalten können. In eine ähnliche Richtung weisen die Darstellungen des Totentanzes, in denen der Tod Junge und Alte, Gesunde und Kranke ohne Vorwarnung und Begründung aus dem Leben reißt. Natürlich wollen wir das alle nicht hoffen und vermutlich bleiben uns noch viele Lebensjahre. Und dennoch: Sich ab und zu an den Tod zu erinnern, verändert die Perspektive auf unser Jetzt. Manchmal schätzen wir unseren Alltag auf eine ganz neue Weise. Wenn uns ein paar junge Programmierer mal wieder daran erinnern, ist es gut. Probieren Sie es mal aus – per App oder auf andere Weise.

Dr. Christina Jetter-Staib, Leiterin Kath. Erwachsenenbildung Kreis Göppingen e.V.

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