„Sonntagsgedanken“ zum Aschermittwoch: Vor Gott können wir uns abschminken, denn er sieht ins Herz

„Das kannst du dir abschminken“ – wie viele Male haben Sie diesen Satz schon gehört? Abschminken – wieder auf den Boden kommen; der Wahrheit ins Gesicht blicken; die Dinge so sehen, wie sie sind; sich nicht mehr verstecken.

Abschminken ist auch ein gutes Motto für den Aschermittwoch, denn die närrischen Tage sind jetzt vorbei. Wir können und sollen uns die Faschingszeit abschminken. Auf der einen Seite ganz praktisch, denn die Farbe und das Make-up unserer Mas-ken müssen aus dem Gesicht. Auf der anderen Seite aber auch im übertragenen Sinn: Jetzt, nach der Zeit der gespielten oder auch echten Fröhlichkeit, zählt wieder, was hinter der Maske liegt. Die Flucht der vergangenen Tage ist vorbei. Ob reicher Ölscheich, schöne Prinzessin, komischer Clown oder wilder Seeräuber. Was immer ich im Fasching gespielt habe – jetzt zähle wieder ich, mit meinen Stärken und Talenten; mit meinen Fehlern und Schwächen. So wie ich eben bin.

Abschminken ist nun für die nächsten 40 Tage angesagt, denn es beginnt die Fastenzeit. Diese Tage im Kirchenjahr laden dazu ein, die Maske abzunehmen und sich ins Gesicht, ja ins Herz blicken zu lassen. Das zu tun, was der Prophet Joel in der Lesung am Aschermittwoch so formuliert: „Sich dem Herrn zuzuwenden, mit ganzem Herzen“ (vgl. Joel 2,12). Das Herz steht im biblischen Sprachgebrauch für den ganzen Menschen, für sein Denken und Fühlen.

Es geht darum, für Gott, der uns sowieso durch und durch kennt, das Herz zu öffnen und sich von Grund auf erschüttern zu lassen. Weil wir eben manchmal so sind, wie wir sind: bequem, halbherzig, selbstzufrieden. Weil wir manchmal zu wenig lieben und zu wenig vergeben.

Vor Gott brauchen wir nichts spielen und müssen uns nicht verstecken. Bei ihm dürfen wir sein, wie wir nun einmal sind. Er sieht uns bis ins Herz. Und hier ist nicht ein Oberaufseher-Gott gemeint, der uns kleinlich und streng beobachtet. Dieser Gott, von dem Jesus immer wieder spricht, hat barmherzige Augen, die nicht einschüch-tern und verkümmern, sondern befreien und wachsen lassen wollen. Vor ihm können wir uns abschminken; unsere Maske abnehmen. Die ungeschminkte Wahrheit wird unter seinen Augen nicht nur erträglich, sondern zur Chance.

Wir sind nun vierzig Tage besonders eingeladen, hinzuschauen und zu sehen, was zum Leben taugt und was mich hindert; wo ich als Mensch wachse und reife – oder verkümmere und stagniere; was meinen Glauben nährt oder was ihn gefährdet.

Du kannst dich abschminken, du kannst Gott dein Herz hinhalten. Denn Jesus verspricht uns: Es wird uns zum Gewinn, zum Guten gereichen. Unser Gott wird es uns lohnen (vgl. Mt 6,18).

Jürgen Zeller, Diakon, Katholische Kirche Geislingen

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