Sonntagsgedanken: Am Ende bin ich noch immer bei Dir – Gedanken zu Psalm 139 in der Lebensmitte

„Ich bin eigentlich ganz anders, nur komme ich so selten dazu.“ Dieser Spruch des österreichisch-ungarischen Schriftstellers Ödon von Horvàth begleitet mich seit meinen Studientagen. Damals bin ich die Treppen des Studentenwohnheims hoch- und runtergehastet, doch mein Blick fiel meistens auf das Zitat im dritten oder vierten Stock. Und jedes Mal hat es mich erheitert und zum Schmunzeln gebracht. Ödon von Horvàth beschreibt damit das Leben in einer faschistischen Diktatur. Doch je älter ich werde, desto tiefsinniger erfahre ich den Spruch auch im Umgang mit mir selbst.

„Wie bin ich denn eigentlich?“ frage ich mich. Manchmal, wenn ich eine ruhige Minute habe, ist es, als ob ich meinen Kopf aus dem Strudel von Kirche, Kinder und Küche hebe und für eine kurze Zeit innehalte. Da schießen mir Gedanken wie diese durch den Kopf. Und ich spüre, in mir ist viel mehr als das, was ich lebe. Nur komme ich so selten dazu. Theoretisch könnte ich ganz anders sein, aber ich lebe es so gut wie nicht. Wer bin ich dann? Bin ich das, was ich mir wünsche? Oder bin ich das, was ich lebe? Bin ich das, was andere von mir denken? Ganz schön verzwickt diese Sache mit mir. Ich lebe ein Leben, das vielen Einflüssen ausgesetzt ist. Schicksal, Krankheiten, Erziehung, Bildung, Eltern, Lehrer, Freundschaften, Geld, Gesellschaft, Familie, Gewohnheiten und und und… ja, fast hätte ich`s vergessen – Gott. Aber es ist mein Leben. Ich bin der, der am Steuer sitzt und entscheide, wem oder was ich Raum gebe in meinem Leben. Mit jeder Entscheidung muss ich dann auch leben. Weil alle Entscheidungen lebensfüllend werden. Hoffentlich auch erfüllend. Kann ich zu meinen Entscheidungen stehen? Zu meinen beruflichen, zu meinen familiären, zu meinen persönlichen Entscheidungen? Sie alle nehmen mir die Freiheit zu allem Möglichem, das ich auch sein könnte. Zu dem ich aber nicht mehr komme. Ich bin als Mensch begrenzt. Auch mit Smartphone. So bin ich.

Ach ja, Du bist ja immer noch da, Gott. Ich vertraue darauf, dass Du mich gewollt hast. Und dass Du etwas vorhast mit mir. Dass mein Leben sinnvoll ist. Lass mich das leben, was Du in mich hineingelegt hast. Gib mir den Mut dazu. Und lass mich in Dir Frieden finden.  „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich`s meine.“ Denn: „Am Ende bin ich noch immer bei Dir.“

 

Pfarrer Andreas Vix, Hattenhofen und Bezgenriet.

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