Sonntagsgedanken: Mauern in Köpfen und Herzen abbauen

Heute vor 55 Jahren, am 13. August 1961, wurde mit dem Bau der Berliner Mauer begonnen. 28 Jahre lang dauerte es, bis die Mauer im November 1989 fiel, friedlich und unter unendlicher Erleichterung vieler.

Mueller-VolzAls Kind von Eltern, die vor dem Mauerbau 1956/57 aus Sachsen in den Westen Deutschlands geflüchtet sind, bekam ich später beim Besuch bei den DDR-Verwandten an der Grenze immer ein beklemmendes Gefühl. Die Autos wurden penibel durchsucht und die Koffer durchwühlt. Ich erinnere mich an eine Zugfahrt in den Osten, wie an der Grenze in Gegenrichtung in Kohlewaggons auf dem anderen Gleis mit Metallstangen nach Flüchtenden gestochert wurde.

Wie wunderbar, dass die Mauer in Deutschland gefallen ist.

Und wie schmerzlich, dass es Mauern gibt wie in Israel zwischen palästinensischen und israelischen Siedlungsgebieten. Und wie neue Stacheldrahtzäune errichtet werden, um den heutigen Flüchtlingsstrom nach Europa einzudämmen.

Bei Besuchen in unserer Gemeinde erlebe ich viel Verständnis und Mitgefühl von ehemaligen Flüchtlingen und Vertriebenen nach dem 2. Weltkrieg für Flüchtlinge von heute.

Mitgefühl hilft, Mauern in Köpfen und Herzen abzubauen.

Mir fällt ein Lied ein, dass sehr gerne bei Trauungen und Taufen gewünscht wird: „Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer, wie Wind und Weite, und wie ein Zuhaus.“

Und in der 3. Strophe heißt es: „Und dennoch sind da Mauern zwischen Menschen, und nur durch Gitter sehen wir uns an. Unser versklavtes Ich ist ein Gefängnis und ist gebaut aus Steinen unsrer Angst.“

Ja, es ist oft die Angst, die uns Mauersteine aufrichten lässt, seelisch wie auch real. Angst ist jedoch oft ein schlechter Ratgeber und zementiert Vorurteile. Auch wenn die Sorge um die Zuwanderung ihr Recht haben mag.

Mitgefühl jedoch hilft zum Angstabbau, zur tätigen Nächstenliebe und zum aufeinander zugehen.

Es ist viel erreicht, wenn Mauern in Köpfen und Herzen eingerissen werden können. Dazu kann uns der Gedanke an Gottes Weite in seiner Liebe verhelfen. Denn es ist ja die Liebe und das Mitgefühl, das unsere Herzen weit machen kann.

Es gibt Mauern, die nicht so rasch fallen. Vielleicht hilft dann ein Vers aus Psalm 18,30: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“. Zu solchen seelischen Mauersprüngen möchte ich Sie und mich heute gern ermutigen.

 

Pfarrerin Heike Müller-Volz,

Evang. Kirchengemeinden Holzheim und St. Gotthardt

 

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