Sonntagsgedanken: Sind wir von allen guten Geistern verlassen?

Völlig unvorstellbar klingt die Beschreibung des Pfingstereignisses: Die Jünger waren plötzlich „Feuer und Flam­me“ und nach der Pfingstpredigt des Petrus lie­ßen sich spontan 3000 Menschen auf einmal taufen, heißt es da in der Apostel­geschichte. Der enorme Zuwachs der jungen Kirche von damals konnte sich wirk­lich sehen las­sen und wird deshalb auch als „Pfingstwunder“ bezeichnet.

Eckhard SchoeffelVöllig unvorstellbar, zumindest für mich als Christ in Deutschland, denn ein Blick in die eigene Statistik holt mich schnell wie­der auf den Boden der Tatsa­chen zurück: Die beiden großen Konfessio­nen verlieren hierzulande alle zwei Tage circa 3000 Ge­taufte, sei es durch Tod oder Austritt. Wir erleben also jeden zweiten Tag sozusagen die Umkehrung des Pfingstwunders.

Doch das Schlimme daran ist: Wir Kirchenleute haben diesem Schwund-Phäno­men eigentlich nicht viel wirkungsvolles entgegenzusetzen. Neue pastorale Ideen und Konzepte gab es un­zählige in den letzten Jahrzehnten. Auch der vermehrte Einsatz von „Laien“ aufgrund des Priestermangels oder die Zusam­menlegung von Pfarreien konnte das stetige Schrumpfen unserer Gemeinden nicht aufhalten, ja nicht einmal verlangsamen.

Deshalb frage ich mich, wenn auch etwas scherzhaft: Sind wir Christen in Deutschland etwa von al­len guten Geis­tern verlassen? Oder mal ernsthaft ge­fragt: Was war das Pfingst-Ge­heimnis der Urgemeinde? Gab es früher so etwas wie ein Erfolgsrezept, das uns heute abhanden gekommen ist?

Im Unterschied zu heute wurden damals keine Ideen gesammelt, wie die Zu­kunft gestaltet werden soll; Es gab keine Haushaltspläne und keine Pastoral­pläne, sondern, es wurde gebe­tet. Die erste christliche Gemeinschaft, die un­aufhaltsam wuchs und ge­dieh, war schlichtweg eine Gebetsgemeinschaft.

In der Kunst werden die Apostel deshalb, zusammen mit Maria, gerne mit offe­nen und erhobenen Händen dargestellt. Sie beten mit lee­ren Händen um den Geist Gottes. Eigentlich logisch! Was will man mit vollen Händen noch empfan­gen? Und was „er-wartet“ man tatsächlich noch von Gott, wenn die eigenen Pläne bereits fix und fertig in der Schub­lade liegen?

Ich bin mir jedenfalls ganz sicher, dass Pessimismus völlig fehl am Platz ist: Seit ih­rem „Geburtstag“ vor 2000 Jahren hat die Kirche viele Höhen und Tiefen durch­lebt. Die ein oder andere Entwicklung führte in eine Sackgasse. Doch gab es in den vergangenen zwei Jahrtausenden ebenso immer wieder neue, wun­dersame Aufbrü­che – wie aus dem Nichts. Weltweit gese­hen wächst die Zahl der Neugetauften sogar enorm. Das Pfingstwunder setzt sich also fort, wenn auch außerhalb Eu­ropas.

Wir Christen hierzulande brauchen viel Mut, die Gelassenheit aufzubringen, uns von den Statistiken nicht lähmen zu lassen oder gar in ängst­lichen Aktio­nismus zu verfallen, sondern wie die Jünger damals, ganz auf Gottes Geist zu setzen.

 

Diakon Eckhard Schöffel

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