Sonntags-Gedanken zum Karfreitag 2023

Seit mehr als einem Jahr gibt es einen Krieg in Europa. Tausende unschuldig getöteter Soldaten und Zivilisten, viele Kinder und Alte, zerstörte Städte, niedergewalzte Zukunftshoffnung von Menschen. Ein ganzer Kontinent in Atemnot, eine Welt im Würgegriff der Selbstermächtigung über Menschen. Und wie oft waren es selbst Stimmen aus Religionen, die den Namen Gottes für die Rechtfertigung eines Krieges missbrauchten?

Karfreitag. Auch hier geht es um Selbstermächtigung. Der menschenähnlich gemachte Gott, soll sich mit allen Mitteln durchsetzen. Dazu schrieb Jaques Gaillot, der emeritierte Bischof von Partenia, in einen seiner Hirtenbriefe einmal: „Am Kreuz ist der Gott der Religionen gestorben, um Platz zu machen für den Gott des Evangeliums.“ Und er führte aus: „In der Schwachheit des Fleisches offenbart Jesus einen hilflosen und entsakralisierten Gott. Einen Gott, der nicht mehr fern und unerreichbar ist, sondern ganz nah bei jedem und jeder von uns in der täglichen Existenz. Einen Gott, der sich uns schenkt, ohne Distanz, ohne Maß. Einen Gott, der sich den Ausgeschlossenen nähert, ohne irgendwelche Bedingungen zu stellen. Einen Gott, der nicht einem einzelnen Volk gehört, sondern der ganzen Menschheit. Am Kreuz zerreißt Jesus den Schleier der Religionen, um den Blick freizugeben auf ein Gesicht Gottes, das nicht mehr unser Ebenbild ist – außerhalb der Religion; im profanen Leben.“

In dieses Leben führt uns die Dekanatspatronin und zugleich Landfrau von Bischof Gaillot, Madelaine Delbrêl. Als „Mystikerin der Straße“ bezeichnet, arbeitet sie nach ihrer Bekehrung zum Christentum, mit gleichgesinnten Frauen, als Sozialarbeiterin in dem kommunistisch, wie atheistisch geprägtem Arbeitermilieu der Stadt Ivriy. Aus eigener Erfahrung, deutet sie auf die Gefahr einer Verwechslung  von Glaube und „christlicher Mentalität“ hin und rät Christinnen und Christen dazu, auf dem Weg der täglichen Suche, mit Jesus zu bleiben. „Wir sind zu jedem Aufbruch bereit, weil unsere Zeit uns so geformt hat, und weil Christus im heutigen Tempo mitgehen muss, um mitten unter den Menschen zu bleiben“. Für sich und ihre Gefährtinnen formulierte sie, in dem Gedicht: „Liturgie der Außenseiter“, folgendes: „Wir wissen, dass wir durch dich ein Scharnier aus Fleisch geworden sind, ein Scharnier der Gnade, In uns vollzieht sich das Sakrament deiner Liebe. Wir binden uns an dich, wir binden uns an sie, (die Menschen) mit der Kraft eines Herzens, das für dich schlägt.“

Auch heute dürfen wir unendlich dankbar sein für die vielen, die sich von Christus formen lassen.

Dieses Fleischgewordene und durchbohrte Herz des Außenseiters Jesu, des Menschensohnes, dessen Liebe für uns Menschen grenzenlos ist, der in uns täglich die Fähigkeit zum Frieden mit allen Menschen und der Schöpfung schafft. Er stellt sich dem Verrat, bleibt sich treu, verurteilt nicht, vergibt allen und vollbringt sein und unser aller Leben. Durch seinen Tod am Kreuz, das Himmel und Erde, Gott und Menschen verbindet, hindurch.

 

Josef Putz, Diakon im Zivilberuf, Seelsorgeeinheit Göppingen.

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