Ein Blick zurück – Medikation durch Rettungsfachpersonal im präklinischen Notfalleinsatz immer noch ein Streitpunkt ?

Aus aktuellem Anlass, der Strafanzeige gegen einen Notfallsanitäter wegen gefährlicher Körperverletzung im Dienst (Landkreis Göppingen) möchte ich dieses seit Jahrzehnten hochsensible und streitbare Thema rückblickend von 1985 bis 2015 mit eigenen Einsatzerfahrungen darstellen. Denn es geht auch anders – statt Abmahnung, Kündigung oder Strafanzeige steht ein vollständiges Notfallteam aller Fachrichtungen im Schockraum bereit, und folgt aufmerksam den Ausführungen des Rettungsassistenten, der einen eigenverantwortlich und gut versorgten Patienten an das Ärzteteam übergibt.

Hinreichend bekannt dagegen ist, dass Rettungsfachpersonal oftmals, hilflos vor Patienten mit akuten Schmerzen stand und sich offensichtlich nicht in der Lage sah für Abhilfe zu sorgen. (Vor Notfallsanitätergesetz 2014) Grund für dieses Verhalten könnten bestehende Gesetze, aber unter Anderem auch Betriebs- oder Verbandsinterne Dienstanweisungen sein.

Doch Rettungsfachpersonal hat eine klar zu beschreibende, und verantwortungsvolle Aufgabenstellung zu erfüllen, die umfassende Kenntnisse und Fähigkeiten in verschiedenen medizinischen, organisatorischen, technischen und anderen Teilbereichen erfordert. Selbst ärztliche Maßnahmen, müssen / sollten in begründeten Ausnahmelagen getätigt werden.

Die Vorgehensweisen waren gemeinsam mit Arbeitgeber (Leitung RD) und ÄLRD schriftlich fixiert.

Die Leute, die als Rettungsfachkraft arbeiten sind vom Grundsatz her überwiegend gut. „Aber sie stehen unter hohem Druck. Da kann schon mal etwas passieren.“ Denn die Arbeit eines Rettungsdienstmitarbeiters ist oft auch die eines Sozialpädagogen oder Seelsorgers. Wir haben häufig mit Patienten zu tun, die den Rettungsdienst gar nicht gerufen haben – die obdachlos sind, oder im Drogenmilieu. „Da müssen wir oftmals erst ein passendes Arbeitsumfeld schaffen“

Mit realistischen Einblicken, in das Rettungsdienst – Einsatzgeschehen, möchte ich die Informationen bieten, die zur Beurteilung des Geschehens, bzw. Medikamentengabe durch Rettungsfachpersonal erforderlich sein könnten.

In meiner hauptberuflichen Zeit als Rettungsassistent in der Notfallrettung, von 1985 bis 2015 habe ich stets die Maßnahmen getroffen die die aktuelle Einsatzlage erforderte. Kein Patient musste jemals leiden. Selbst im Amtsgericht Schwäbisch Gmünd, bei einer Vernehmung, im Beisein von Kripo, Staatsanwälten und Richtern habe ich bei einer Schwangeren mit Krampfanfall die dringend erforderliche Medikation (Notbehandlung) durchgeführt. (Peripher, venöser Zugang, Jono Steril, Valium) Gedanklich hatte ich mich hierbei an § 34 StGB Rechtfertigender Notstand orientiert, da die lange Anfahrtszeit des Notarztes bei diesem akuten Krankheitsbild eine massive Verschlechterung von Mutter und ungeborenen Kind mit großer Wahrscheinlichkeit begünstigt hätte.

Das war schon in 1986 und ich gehe über in das Jahr 2014 im Rettungsdienstbereich Göppingen:

Eine ganz normale Stadt, ein ganz normaler Morgen, bei einem ganz normalen Rettungsdienstanbieter. Die Besatzung hat von der Nachtschicht, nach Übergabemodalitäten den Rettungswagen übernommen und beginnt mit der Überprüfung von Fahrzeug und medizinisch – technischer Ausstattung. Die Einsatzfähigkeit muss festgestellt, bzw. wieder hergestellt werden. Jedes Mitglied der Fahrzeugbesatzung hat hierbei seine Aufgabe zu erfüllen.

Während die Kaffeemaschine die ersten Tropfen ablässt, kommt ein Alarm: „Verkehrsunfall mit Krad“ so die Meldung.

Am Einsatzort, eingetroffen, stellen wir fest, dass der Fahrer eines Motorrades, in praller Sonne, bei geschätzten 35-40°, neben Krad und PKW, von Ersthelfern betreut am Straßenrand liegt. Passanten werden aufgefordert mit Regenschirmen den Verunglückten vor weiterem Sonneneinfall zu schützen, und werden auch in die weitere Patientenversorgung eingebunden.

Der Patient berichtet auf Befragen darüber, dass er mit einem PKW zusammengeprallt, und dann zu Fall gekommen wäre. Weiterhin gibt er zu erkennen, dass er unter stärksten Schmerzen am Fuß zu leiden habe. Eine sorgfältige Untersuchung durch den verantwortlichen Rettungsassistenten, führt zur Verdachtsdiagnose komplette Sprunggelenk- bzw. Unterschenkelfraktur. Der Fuß liegt instabil, in abnormer Stellung.

„Schädel, Wirbelsäule, Thorax und Abdomen waren zuvor, und bei Ersteinschätzung zunächst noch unauffällig“.

Da zu diesem Zeitpunkt kein Notarzt zur Verfügung stand- auch nicht aus der Luft, fällt die situationsbedingte Entscheidung, (§34 STGB Rechtfertigender Notstand) alle erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen. Peripher venöse Zugänge wird benötigt. Es folgt die dringendst erforderliche Analgo – Sedierung. Ketamin und Midazolam werden vorsichtig verabreicht. Die regelrechte Patientenüberwachung erfolgt mittels EKG, Pulsoximetry und Blutdruckkontrolle.

Nachdem der Patient in einem schmerzfreien Zustand war, erfolgten die üblichen Maßnahmen zur fachgerechten Lagerung und Transport.

Per Notfallfax wird das Notfallteam in Schockraum bestellt. Die Übergabe erfolgte in ruhiger und entspannter Atmosphäre an den Teamleader. Dieser übt keine Kritik oder Strafandrohung wegen der Arbeitsweise- statt dessen folgt der Dank für die angemessene, notfallmedizinische Behandlung des Patienten.

Dennoch ist die Anspannung im Einsatzgeschehen nicht zu unterschätzen. Schließlich ist eine solche umfangreiche, und eigenverantwortliche Patientenversorgung nicht alltäglich, sondern eher die Ausnahme.

Rettungsfachpersonal ist rund um die Uhr im Einsatz, um im Notfall schnelle Hilfe leisten zu können. Die Leistung der Retter, ist oftmals entscheidender Faktor über Leben, Tod oder lebenslanger Behinderung – da sollte auch die Analgo-Sedierung bei entsprechender Indikationsstellung in Ausnahmelagen, durch Rettungsfachpersonal gewährleistet sein.

Alfred Brandner

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