Sonntagsgedanken: Das Unsagbare sagen

„Bedenkt, den eignen Tod, den stirbt man nur, doch mit dem Tod der anderen muss man leben.“ Die jüdische Dichterin Mascha Kaleko musste nach allem Leid der Verfolgung und der Flucht aus Nazideutschland den Tod ihres 32 Jahre alten Sohnes ertragen.

Morgen werden in den evangelischen Gottesdiensten die Namen derer verlesen, die im zu Ende gehenden Kirchenjahr verstorben sind. Noch einmal erklingt der Name des geliebten Menschen, in vielen Kirchen werden dabei Kerzen angezündet. Der Name steht für das ganze gelebte Leben der Verstorbenen. Besonders schwer wiegen die Tränen derer, die wie Mascha Kaleko erleben müssen, dass sie vor Gräbern junger Menschen stehen. Auch morgen werden wieder Namen von Unfalltoten verlesen, von Menschen, die früh schwer erkrankten. Jeder Kindersarg, und jedes totgeborene Kind, das ich schon beerdigen musste, ist mir noch vor Augen. Unsagbar im wahrsten Sinn des Wortes ist das Leid derer, die einen lieben Menschen verloren haben, der seinem Leben selbst ein Ende setzte. Man kann über alles reden, jede noch so unerklärliche Krankheit hat einen Namen, jeder noch so absurde Unfall kann rekonstruiert werden, für den Tod durch eigene Hand gibt es keine wirklichen Erklärungen. „Suizid“ verschleiert mehr, als es erklärt. Es bleiben 1000 Fragen, es bleiben die traumatischen Erlebnisse rund um die Tat und es bleibt auch heute immer noch das Schweigen, die Sprachlosigkeit. 10 000 Menschen nehmen sich jährlich in Deutschland das Leben, die unklaren Todesfälle nicht mitgerechnet, eine ganze Kleinstadt von 70-80 tausend Menschen muss also jedes Jahr neu mit einem solchen Tod eines geliebten, nahen Menschen leben. Der unbegreifliche Tod geht mit ihnen mit als schweres Gepäck – ein Leben lang. Für sie gilt das Wort Rilkes`s: „Lebe jetzt die Frage, vielleicht lebst du dann eines fernen Tages in die Antwort hinein.“ Vielleicht… vielleicht auch nicht, manche Frage rund um diesen Tod am Abgrund der menschlichen Existenz löst sich auch in diesem Leben nicht, wird weitergegeben auf nächste Generationen. Im Licht der Ewigkeit, in dem wir morgen Gottesdienste feiern, lässt sich über alles sprechen, auch über das Unsagbare. Denn: „Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht; es hat Hoffnung und Zukunft gebracht; es gibt Trost, es gibt Halt in Bedrängnis, Not und Ängsten, ist wie ein Stern in der Dunkelheit.“ (Neues Liederbuch Nr. 147)

Pfr. Markus Herb

Recheberghausen

 

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