Übung im Tunnel – Rund 500 Kräfte übten im Bosslertunnel der Schnellbahntrasse Wendlingen-Ulm den Ernstfall

Es war ein Großaufgebot an Einsatzkräften aller Hilfsorganisationen aus drei Landkreisen, welches am vergangenen Samstag im Raum Aichelberg, Mühlhausen und Hohenstadt aufgefahren ist. An einer groß angelegten Notfallübung waren rund 500 Kräfte im Bosslertunnel der Schnellbahntrasse Wendlingen-Ulm beteiligt. Vor der Inbetriebnahme der Neubaustrecke im Dezember 2022 stellte dies die finale Abschlussübung für die Hilfskräfte in der Tunnelkette zwischen Aichelberg und Hohenstadtt dar.

Als Übungsannahme wurde vom Landkratsamt Göppingen ein im Tunnel liegengebliebener Zug ausgewählt, in dem sich ein Brand entwickelte. Glücklicherweise ist dies nach Einschätzung des zuständigen Kreisbrandmeisters Dr. Michael Reick ein sehr unwahrscheinliches Szenario, ein Lokführer hat in so einem Fall diverse Möglichkeiten, um den Zug außerhalb des Tunnels zum Stehen zu bringen. Dennoch eignet sich das gewählte Szenario sehr gut, um die verschiedensten Maßnahmen der Hilfskräfte zu beüben. Die Einsatzkräfte der Feuerwehren mussten daher bei der Übung im Tunnel die Löschwasserversorgung in Betrieb nehmen und nach der Vornahme von Löschröhren im künstlich vernebelten Bereich Lösch- und Rettungsmaßnahmen vornehmen. Um dies realistisch zu üben, wurde von der Deutschen Bahn hierfür ein Zug im Tunnel bereit gestellt. Parallel hierzu musste der Tunnelbereich und das Innere des Zuges auf weitere Personen und Verletzte abgesucht werden. Rund 40 Statisten und das Zugpersonal befanden sich zu Beginn der Übung im Zug und rund 20 Personen waren hierzu vom Rettungsdienst vorab so geschminkt, dass diese entsprechende Verletzungsmuster aufwiesen. Verschiedene dieser Zugreisenden verließen den Zug auf Anweisung des Personals selbständig und machten sich auf einen rund 5 km langen Fußweg zu den Portalen des Tunnels. Soweit Zugreisende bei der Übung angenommen nicht gehfähig waren, mussten diese von den Feuerwehrkräften vom Zug zunächst zum nächsten Verbindungsbauwerk begleitet werden, nicht gehfähige Personen und auch verschiedene Übungspuppen mussten in Rettungswannen aus der betroffenen Tunnelröhre in die benachbarte sichere Röhre gezogen oder getragen werden. Für die insgesamt rund 45 mit speziellen Atemschutzgeräten ausgerüsteten Einsatzkräfte war dies eine sehr anstrengede Tätigkeit. Da die Übungsstelle rund 5 km im Tunnel angenommen wurde, mussten diese vermeintlich verletzten Personen bzw. diejenigen, die sich nicht auf einen mehrere Kilometer langen Fußweg begeben können, aus dem Tunnel mit Einsatzfahrzeugen herausgefahren werden. Außerhalb des Tunnels wurden die Personen zu den Behandlungsplätzen des Rettungsdienstes transportiert. Hier erwarteten Helfer des Deutschen Roten Kreuzes, des Malteser Hilfsdienstes und der Johanniter Unfallhilfe die Tranportfahrzeuge, um die Personen weiter zu versorgen, zu betreuen und zu registrieren.

Die Feuerwehren in der Region haben sich in den vergangenen Jahren intensiv auf diese zusätzliche Aufgabe vorbereitet. Zahlreiche Übungen wurden hierzu in den Baustellenbereichen der Bahntunnel bereits durchgeführt. Insgesamt 26 Feuerwehrangehörige aus dem Landkreis Göppingen waren jeweils mehrere Tage zur Ausbildung in einer Übungsanlage in der Schweiz und wurden in die Besonderheiten der Brandbekämpfung und Rettung aus Schienenfahrzeugen in Tunneln eingewiesen. Als Multiplikatoren haben diese ihre Feuerwehrkameraden dann vor Ort ausgebildet und eine Vielzahl von Aus- und Fortbildungen durchgeführt. Tunnelspezifische Ausrüstung wird den Feuerwehren von der Bahn zur Verfügung gestellt. Letztlich können die Feuerwehren jedoch im Ereignisfall mit ihren normalen Einsatzfahrzeugen in die parallel verlaufende Röhre einfahren. Die Röhren sind hierfür für Straßenfahrzeuge befahrbar ausgeführt und so breit, dass sich die Einsatzfahrzeuge der Feuerwehren darin im Begegnungsverkehr bewegen können. Den Feuerwehren stehen Löschwasserentnahmestellen, Stromanschlüsse und eine Funkanlage in den Tunneln zur Verfügung.

Für die Besonderheiten der Tunnelkette zwischen Aichelberg und Hohenstadt wurde ein separater Einsatzplan erstellt. Dieser sieht die Beteiligung von zwölf Feuerwehren bereits für den Ersteinsatz vor. Neben den Feuerwehren Aichelberg, Zell u. A., Göppingen, Gruibingen, Mühlhausen, Wiesensteig, Bad Ditzenbach, Drackenstein und Hohenstadt auch die Feuerwehren Weilheim/Teck, Laichingen und Merklingen aus den benachbarten Kreisen. Weitere Untersütztungseinheiten werden dann bei Bedarf aus dem Landkreis Göppingen bzw. aus den benachbarten Landkreisen vorgesehen. Die Einsatzplanungen wurden hierzu kreisübergreifend aufeinander abgestimmt.

Bei dieser Übung ging es final um das Zusammenfügen der Handlungen verschiedener Kräfte zu einem gemeinsamen und kreisübergreifenden Einsatz der Hilfsorganisationen”, erklärte der zuständige Kreisbrandmeister Michael Reick.

Die Zufahrt zu den Tunneln erfolgte über die Portale auf den Gemarkungen Aichelberg, Mühlhausen und Hohenstadt. Die Tunnel sind hierbei so ausgelegt, dass die Feuerwehren über die nicht betroffene parallel verlaufende Tunnelröhre anfahren und dann über die alle 500 m entfernt vorhandenen Verbindungsbauwerke in die betroffene Röhre vorgehen.

An der Übung am vergangenen Samstag waren rund 250 Einsatzkräfte der Feuerwehren beteiligt, der Rettungsdienst stellte rund 150 Helfer, ergänzt durch das Technische Hilfswerk, die Polizei, die Mitarbeiter der DB, die Einsatzleitung und die Übungsleitung waren es letztlich rund 500 Beteiligte.

Bei der Übung wurde auch simuliert, wie die Zugreisenden aus der benachbarten – und selbst im Brandfall eigentlich sicheren Röhre heraustransportiert werden. Bei kürzeren Tunneln könnte dies fußläufig erfolgen, der Bosslertunnel mit rund 9 km Länge stellt hier natürlich eine besondere Herausforderung dar. Dieser Transport erfolgte daher mit Mannschaftstransportfahrzeugen der Feuerwehren sowie mit Rettungs- und Krankentransportfahrzeugen für die verletzten Personen. Da der Bereich der Filstalbrücke hierfür keine optimale Zufahrt hat und hier außerdem aktuell noch Bauarbeiten stattfinden, wurden daher bei der Übung zwei Behandlungsplätze für die betroffenen Personen in Aichelberg und in Hohenstadt aufgebaut. Im Einsatzplan ist vorgesehen, dass hierfür kurzfristig gegebenenfalls sogar Straßenabschnitte gesperrt werden. Die Autobahnausfahrt bei Aichelberg sowie die Landstraße zwischen Aichelberg und Weilheim wären als Aufstellfläche für die Einsatzfahrzeuge möglich. Bei der Übung am vergangenen Samstag wollte man allerdings die Verkehrsbehinderungen reduzieren und ist daher auf andere Flächen ausgewichen. Im Bereich Aichelberg und Hohenstadt wurden daher bei der Übung auf Parkplätzen entsprechende Behandlungsplätze eingerichtet und hier erfolgte die weitere Versorgung der Verletzten, deren Registrierung und die Vorbereitung eines Weitertransport. Notärzte, Betreuungskomponenten, das Technische Hilfswerk aus Göppingen, Gruibingen und Kirchheim und weitere Fachdienste standen hierfür bei der Übung ebenfalls parat.

Eine Einsatzleitung aus zunächst fünf Personen musste in der ersten Stunde der Notfallübung die Maßnahmen der Feuerwehren im Tunnel koordinieren. Im Verlauf der Übung wurde diese durch weitere 10 Personen ergänzt, welche dann einen Führungsstab gebildet haben. In diese Einsatzleitung wurden der Notfallmanager der Deutschen Bahn, eine Verbindungspersonen zur Polizei und die Leitung des rettungsdienstlichen Einsatzes integriert. Die Rettungsdienst organsierte hierfür eine eigene Einsatzleitungsstruktur ebenfalls im Feuerwehrhaus in Gruibingen.

Die Übung am vergangenen Samstag startete gegenüber der ursprünglichen Planung mit einer Verzögerung von rund einer Stunde. Dies ergab sich zunächst aus Verzögerungen bei der Bereitstellung des Zuges und dem Aufbau des Szenarios im Innern des Tunnels. Dann hatte die Prüfeinrichtung, die den Einsatzkräften eigentlich anzeigen soll, dass sich keine elektrische Spannung mehr auf der Oberleitung befindet, nicht deutlich angezeigt. Zur Sicherheit der Übenden musste daher die Gesamtstrecke von Aichelberg bis Hohenstadt an mehreren Stellen von Hand geerdet werden. Bei einer Übung muss man sich jedoch im Interesse der Sicherheit der Übenden diese zusätzliche Zeit nehmen, auch wenn dies zu einer Verzögerung im Übungsablauf führt. Um 15 Uhr konnte die Notfallübung dann letztlich mit dem Notruf des Lokführers beginnen.

Die anlagentechnische Bereitstellung von Löschwasser hat im Tunnel funktioniert, bei der Funkversorgung zeigten sich jedoch Schwierigkeiten durch die hohe Anzahl an eingesetzten Kräften. Im Bereich des Rettungsplatzes Aichelberg war die Funkversorgung zudem qualitativ schlecht, obwohl diese bereits bei Übungen zuvor gut funktionierte. Da hier noch Bauarbeiten im Bereich des Portals im Gange sind, kommt eine Verschattung der Antennenanlage als mögliche Ursache in Frage. Hierzu soll es in den kommenden Tagen nochmals Abstimmungen geben.

Gegen 17:30 Uhr fand eine Abschlussbesprechung mit den anwesenden Behördenvertretern und den Bürgermeistern statt. Herr Landesbranddirektor Thomas Egelhaaf und Vertreter des Regierungspräsidiums Stuttgart waren bei der Übung anwesend, um sich persönlich einen Eindruck vom Übungsablauf zu verschaffen. Da es sich im Verlauf der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm um den längsten Tunnel, in Verbindung mit der Filstalbrücke und dem Steinbühltunnel um die längste Tunnelkette handelt und dies dazu noch in einem topografisch anspruchsvollen Bereich, war die Umsetzung eines Sicherheitskonzeptes eine besondere Herausforderung. Als Vertreter des Landkreises und zuständiger Dezernent war Manfred Gottwald vor Ort und hatte gemeinsam mit den anwesenden Bürgermeistern aus Hohenstadt, Drackenstein, Mühlhausen, Wiesensteig, Gruibingen und Göppingen sowie Frau Bürgermeisterin Schwarz aus Aichelberg insbesondere das Zusammenwirken der verschiedenen Feuerwehren und Hilfsorganisationen im Blick. Alle Übungsbeobachter sprachen ihren Dank und Anerkennung aus für die rund 500 nahezu ausschließlich ehrenamtlichen Helfer, die nicht nur dieses Wochenende für die Sicherheit ihrer Mitmenschen geopfert haben, sondern bereits über die gesamte Bauzeit hinweg dieses Großprojekt begleitet und damit letztlich auch erst ermöglicht haben.

Gegen 18:30 Uhr fand eine Abschlussbesprechung der Feuerwehr-Führungskräfte statt. In dieser wurden insbesondere die technischen und taktischen Aspekte der Übung besprochen. Eine Auswertung der Übung wird in den kommenden Wochen stattfinden.

 

PM Landratsamt Göppingen Kreisbrandmeister

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