Folgen des Ukraine-Krieges trüben Geschäftserwartungen deutlich – BWIHK-Umfrage im Frühjahr: Gute Lage, aber Erholung auf der Kippe

Noch scheinen die Auswirkungen des Ukraine-Krieges bei vielen Unternehmen nicht voll angekommen zu sein, zahlreiche Betriebe befinden sich auf Erholungskurs. Doch drücken Inflation, rasant steigende Energie- und Rohstoffpreise sowie die Angst vor Energieembargos die Geschäftserwartungen im Vergleich zum Jahresbeginn deutlich ins Minus. „Es scheint wie die Ruhe vor dem Sturm“, fasst Wolfgang Grenke, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK) die Ergebnisse der Konjunkturumfrage zusammen. An der Umfrage haben sich zwischen 31. März und 21. April 2022 rund 3.340 Unternehmen aller Branchen und Größenklassen in Baden-Württemberg beteiligt. Demnach bewerten 45 Prozent der Unternehmen ihre Lage immer noch als gut, nur geringfügig weniger als zu Jahresbeginn. 43 Prozent befinden die Lage als befriedigend und nur zwölf Prozent bewerten sie als schlecht.

Für die aktuell verhältnismäßig gute Lage scheint ein gestiegener Umsatz im Vergleich zum Frühsommer 2021 verantwortlich zu sein, den 46 Prozent der Unternehmen angeben. Gleichbleibende Umsätze vermelden 35 Prozent, bei 19 Prozent ging er zurück. „Doch auch wenn die Ist-Situation für viele Betriebe noch erstaunlich gut ist, ziehen bei den Geschäftserwartungen deutlich dunklere Wolken am Himmel auf“, erklärt Grenke. So hofft zwar jedes fünfte Unternehmen im Laufe des Jahres auf bessere Geschäfte und etwas mehr als die Hälfte geht von einer gleichbleibenden Lage aus. Jedes vierte Unternehmen erwartet allerdings eine deutliche Eintrübung – zu Jahresbeginn 2022 war das nur rund jeder achte Betrieb.

„Die vergangenen zwei Jahre waren wie eine Achterbahnfahrt für die baden-württembergische Wirtschaft“, so Grenke. „Mit positiven Signalen schienen weite Teile der Wirtschaft die Pandemie hinter sich gelassen zu haben. Dann trafen Lieferkettenprobleme, Preissteigerungen und die fünfte Corona-Welle die Betriebe Anfang 2022 erneut mit voller Wucht. Jetzt verunsichern die schwer einzuschätzenden Entwicklungen im Ukraine-Krieg die Wirtschaft.“ Befragt nach den größten Geschäftsrisiken geben rund 70 Prozent der Betriebe die steigenden Energiepreise an, das sind rund 20 Prozent mehr als zu Jahresbeginn. Es folgen die steigenden Rohstoffpreise mit 62 Prozent und der Fachkräftemangel mit rund 58 Prozent, der damit für viele Betriebe eines der drängendsten Probleme bleibt.

Von einem niedrigen Niveau aus kommend hat den größten Sprung nach vorne der Hotel- und Gaststättenbereich gemacht – die Aufhebung der Corona-Maßnahmen lässt die Gastronomen auf ein gutes Sommer- und Urlaubsgeschäft hoffen.

Rund 56 Prozent der Betriebe erwarten in den kommenden zwölf Monaten bessere Geschäfte, auch wenn die hohen Energiekosten die Erträge deutlich senken. Neun von zehn Unternehmen sehen die gestiegenen Energiepreise als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung. Auch der Mangel an Arbeitskräften bleibt in dieser Branche ein drängendes Problem. „Es freut uns sehr, dass die Gastronomen endlich wieder Licht am Ende des Tunnels sehen. Die Landesregierung muss jetzt alles dafür tun, damit die Betriebe die dringend benötigten Fachkräfte bekommen“, fordert Grenke. „Dazu gehört allen voran, die duale Ausbildung weiter zu stärken sowie die Berufsorientierung an den Schulen hochzufahren. Davon profitieren beiden Seiten. Denn nicht nur die Wirtschaft braucht dringend Nachwuchs. Auch für junge Menschen bieten sich mit einer Ausbildung derzeit so gute Chancen wie selten zuvor.“

Positive Signale zur aktuellen Lage sendet auch der Dienstleistungsbereich, dennoch bleiben hier Verunsicherungen über die wirtschaftliche Entwicklung nicht aus.

Von der voranschreitenden Digitalisierung profitieren weiterhin ITK-Dienstleister und Unternehmen aus der technischen Beratung. Auch die Finanzdienstleistungsbranche bleibt auf hohem wirtschaftlichem Niveau. Die personenbezogenen Dienstleistungen hoffen durch die weiteren Lockerungen auf die ersehnte Erholung, die Geschäftslage hat sich im Vergleich zum Jahresbeginn leicht verbessert.

Erstmals seit der Pandemie verschlechtert haben sich dagegen die Erwartungen der Bauwirtschaft.

Ausgehend von einer Sonderkonjunktur in Pandemiezeiten, vor allem wegen der starken Nachfrage im Wohnungsbau, führen nun steigende Baukosten, Lieferengpässe und fehlende Fachkräfte zu deutlich geringeren Erträgen. Die erschwerten Finanzierungsbedingungen senken zudem den Auftragseingang im Wohnungsbau. Derzeit geben ein Drittel der Unternehmen in diesem Bereich zurückgehende Aufträge an, bei 48 Prozent der Unternehmen stagnieren sie und nur noch 18 Prozent vermelden steigende Auftragseingänge – zu Jahresbeginn waren das noch 38 Prozent.

Auch bei der Industrie im Land sind die Erwartungen deutlich gesunken.

„Trotz widriger Umstände hat es unsere Industrie seit dem Frühsommer 2021 aus der Krise auf den Erholungspfad geschafft. Die Unsicherheiten des Krieges, massive Preissteigerungen und die Sorge vor Energieembargos trüben nun auch hier deutlich die Aussichten“, so Grenke. Zu Jahresbeginn gaben nur 9 Prozent der Unternehmen an, dass sie fallende Umsätze erwarten, jetzt ist dieser Wert um 13 Prozentpunkte gestiegen. Nur noch 35 Prozent der Unternehmen gehen von steigenden Umsätzen aus, zu Jahresbeginn war es noch jeder zweite Betrieb.

Die Lage im Handel bleibt gespalten.

Der Großhandel konnte trotz steigender Preise weiter zulegen, 59 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass ihr Umsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal gestiegen ist. Dennoch bleibt auch der Großhandel von Lieferengpässen und der gestiegenen Inflation nicht unberührt. 87 Prozent der Unternehmen sehen die gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten als Geschäftsrisiko. Im Einzelhandel hat sich die Situation dagegen weiter verschärft. „Für die Einzelhändler ist es ein Stolpern von Krise zu Krise. Viele sind noch von den Einschränkungen der Corona-Pandemie schwer getroffen, jetzt führen steigende Preise und die Inflation bei den Kunden zu einer deutlichen Kaufzurückhaltung, die die Einzelhändler zu spüren bekommen“, sagt Grenke. Auch hier geben 82 Prozent der befragten Unternehmen steigende Energie- und Rohstoffpreise als Geschäftsrisiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung an.

Das Verkehr- und Transportgewerbe trifft der drastische Anstieg der Energiepreise besonders deutlich.

88 Prozent der befragten Unternehmen nennen die steigenden Energiekosten als Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung. Demnach verschlechtert sich ihre Ertragslage, 30 Prozent melden einen Rückgang. Auch der Auftragseingang geht deutlich zurück. Im Güterverkehr sorgen starke Belastungen in den Lieferketten und hohe Benzinkosten für schlechte Ausblicke. Die Ausnahme bildet der Personenverkehr. Die neue Reiselust vieler Kunden hat die Auftragseingänge auf den höchsten Wert seit Monaten steigen lassen.

Drastische Einbrüche gibt es auch bei den Exporterwartungen der Südwest-Wirtschaft.

„Die Lieferkettenproblematik und steigende Energie- und Rohstoffpreise verschärfen die Lage hier dramatisch“, so der BWIHK-Präsident. Nur noch 28 Prozent der Unternehmen gehen von steigenden und 49 Prozent von gleichbleibenden Exporten aus. 23 Prozent erwarten einen Rückgang. Besonders betroffen ist der Handel mit Asien. „Die Zero-Covid-Strategie Chinas und die Tatsache, dass von jetzt auf gleich Häfen geschlossen und Millionenstädte abgeriegelt wurden, hat den Betrieben das Wirtschaften deutlich erschwert. Das zeigt, wie wichtig es ist, zu große Abhängigkeiten zu vermeiden“, betont Grenke. Aber auch die Exporterwartungen nach Nordamerika seien im Vergleich zum Jahresbeginn 2022 gesunken, unter anderem wegen steigenden Containerpreisen. Der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegenüber Russland treffen die mit diesen beiden Nationen wirtschaftlich besonders verflochtenen osteuropäischen Länder, weshalb deutsche Exporte in diesen Märkten zurückgegangen sind.

Durch vergangene und kommende Krisen beschleunigt wird dagegen der Transformationsprozess der baden-württembergischen Wirtschaft.

Lockdowns und Corona-Maßnahmen führen zu hohen Investitionen in Digitalisierung. Mehr als jedes zweite Unternehmen gab bei der Konjunkturumfrage im Frühsommer 2022 an, dass Digitalisierung ein Hauptmotiv für ihre Investitionen sei. Die Sorge über weiter steigende Energiepreise führten bereits vor dem Krieg zu höherer Investitionsbereitschaft beim Thema Umweltschutz und Energieeffizienz. Rund 79 Prozent der Unternehmen sehen steigende Energie- und Rohstoffpreise als Geschäftsrisiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung. Vor der Corona-Pandemie gab im Herbst 2019 lediglich etwas über ein Fünftel (22 Prozent) der Unternehmen an, künftig in Energieeffizienz investieren zu wollen. Aktuell sind es mit deutlich über einem Drittel der Betriebe (38 Prozent) schon wesentlich mehr.

 

PM Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag

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