Offener Brief der GDL an das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg

Sehr geehrter Herr Minister,

mit großer Sorge haben wir, die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die Reaktion Ihres Hauses auf unser Schreiben vom 1. November 2022 zur Kenntnis genommen. Es wirkt auf uns, als würden Sie dem aktuellen Tarifstreit zwischen der GDL und der SWEG Südwestdeutsche LandesverkehrsGmbH (SWEG) sowie der SWEG Bahn Stuttgart GmbH (SBS) nicht die nötige Gewichtigkeit beimessen und dass, obgleich ein Großteil der Bevölkerung BadenWürttembergs unmittelbar von den Auswirkungen des Tarifstreits betroffen ist. Ein Grund für unsere Annahme: Trotz der Brisanz dieser Thematik haben Sie es vorgezogen, sich nicht persönlich unserem Schreiben anzunehmen, sondern Ihren Ministerialdirektor, Herrn Frieß, gebeten, uns zu antworten. Wir müssen gestehen, dieses Vorgehen hat bei uns ein gewisses Geschmäcklehinterlassen.

Als Land sind Sie Eigentümer der SWEG und der SBS. Unter dem Deckmantel der Tarifautonomie kommen Sie Ihrer damit einhergehenden Verantwortung allerdings nicht nach: In Ihrem Schreiben behaupten Sie, keinerlei Einfluss auf die Entscheidungen der Unternehmensführung der beiden Gesellschaften ausüben zu können.

Mit diesem ignoranten Verhalten dulden Sie nicht nur deren Vorgehen, sondern decken es noch und provozieren gar wirtschaftliche Schäden. Dabei stehen Sie unseres Erachtens sehr wohl in der Verantwortung, da Sie mit Landesmitteln für die entstandenen finanziellen Defizite haften müssen. Doch offensichtlich bewerten Sie das Geld  der Steuerzahler als Spielgeld in einem aussichtslosen Pokerspiel mit schlechtem Blatt und entziehen den Bürgern zusätzlich ganz bewusst den Verkehr. Und dass, obwohl
sich Ihre Landesregierung im Koalitionsvertrag der Umsetzung einer Mobilitätsgarantie
Ministerium für Verkehr BadenWürttemberg verschrieben hat, die den Bürgern einen verlässlichen ÖPNV von früh bis spät, in Stadt und Land“ zusichern soll.

Weiter begründen Sie Ihre Untätigkeit damit, das hohe Gut der Tarifautonomie respektieren zu wollen. Bitte verstehen Sie uns nicht falsch, aber der Kern der Tarifautonomie liegt doch im Grunde in einem Kräftegleichgewicht der Tarifvertragsparteien. Im aktuellen Arbeitskampf wird dieses allerdings bewusst gestört!

Zweck eines jeden gewerkschaftlichen Arbeitskampfes ist es, wirtschaftliche Schäden beim Gegner zu verursachen. Einzig und allein mit dem daraus entstehenden Druck kann schlussendlich eine Einigung erzielt werden. Aktuell gestaltet es sich hingegen so, dass Ihr Ministerium, wie bereits oben erwähnt, die wirtschaftlichen Schäden der SWEG und SBS aus Steuergeldern kompensiert. Auf diese Weise berauben Sie die GDL der Möglichkeit, den notwendigen Entscheidungsdruck bei den Gesellschaften zu erzielen und somit eine Einigung im Tarifstreit erzwingen zu können. Ganz abgesehen von der zweckfremden Verwendung von Steuergeldern greift die Politik in Form des Eigentümers also aktiv in den Arbeitskampf ein, belastet die Kampfparität und stört die Tarifautonomie.

Hierfür haben wir einen deutlichen Nachweis in Form eines Schreibens der Geschäftsführung der SWEG. Die Herren Harms und Dr. Grabo teilen uns in diesem mit, ihr Verhalten beruhe auf Weisungen oder Entscheidungen der Gesellschafterversammlung und des Aufsichtsrates und somit auch der Landesregierung, die für die Besetzung des Aufsichtsrates verantwortlich ist. Auch die Verlautbarungen des Aufsichtsratsvorsitzenden, Herrn Uwe Lahl, die wir an dieser Stelle nicht erneut aufführen wollen, zeugen von einer direkten politischen Einflussnahme.

Sehr geehrter Herr Minister,
eins möchten wir Ihnen an dieser Stelle versichern: Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass mit einem derart perfiden Verhalten dieser Tarifauseinandersetzung Einhalt geboten wird.

Abschließend möchten wir noch einmal darauf hinweisen, dass die GDL sich mit ihren Forderungen lediglich an dem Niveau ihres Flächentarifvertrages für das Eisenbahnsystem orientiert. Wohlgemerkt gilt dieser bereits heute in 95 Prozent der Eisenbahnverkehrsunternehmen in Deutschland. Darüber hinaus sind die von der GDL getroffenen Regelungen auch Gegenstand Ihres Landestariftreue und Mindestlohngesetz (LTMG). Somit hat die Gewerkschaft die Verhältnismäßigkeit ihrer Forderungen auch im Blick und sieht aufgrund dessen auch keine Notwendigkeit, etwaige Zugeständnisse zu machen.

Mit freundlichen Grüßen
Claus Weselsky

Bundesvorsitzender

 

PM GDL-Bezirk Süd-West

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