Situation in den Krankenhäusern spitzt sich weiter dramatisch zu- ver.di fordert schnelles Handeln unter anderem bei der Krankenhausfinanzierung in der Coronakrise

Irene Gölz, ver.di Landesfachbereichsleiterin Gesundheit und Soziales: „Wir haben rasant steigende Zahlen der Neuinfektionen und erste Meldungen aus Landkreisen, dass keine freien Intensivbetten mehr zur Verfügung stehen. Die Lage der Beschäftigten in den Krankenhäusern war schon vor der Pandemie extrem angespannt. Der Personalmangel sowie Fehlanreize durch die Krankenhausfinanzierung bringen jetzt eine sichere Versorgung der Bevölkerung an ihre Grenzen.“

Eine wesentliche Ursache für diese nochmalige Verschärfung der Arbeitssituation ist die grundsätzlich völlig verfehlte Finanzierung der Krankenhäuser in der Coronakrise und speziell die jüngsten Regelungen des Rettungsschirms für die Krankenhäuser. Beim ersten Rettungsschirm, der 560 Euro für jedes freigehaltene Bett vorsah, waren die Maximalversorgungskliniken benachteiligt, weil sie höhere Vorhaltekosten haben als kleinere Krankenhäuser. Beim zweiten Rettungsschirm mit gestaffelten Freihalteprämien nach Fallschwere des „Patientenguts“ sind Spezialkliniken – meist in privater Hand – bevorteilt, die oft auch gar keine oder nur wenige Corona-Patient*innen hatten. Der dritte Rettungsschirm hat nun zu einer noch größeren Problematik geführt. „Bereits nach dem Abflauen der ersten Wellen haben die Krankenhäuser wieder auf Vollbelegung umgestellt, um Einnahmeausfälle möglichst aufzuholen. Für die Beschäftigten bedeutete dies: keine Erholungspause, sondern wieder Vollbelastung,“ so Yvonne Baumann, bei ver.di Baden-Württemberg verantwortlich für den Bereich Krankenhäuser. Der dritte Rettungsschirm sieht vor, dass nur Krankenhäuser eine Ausgleichzahlung bekommen, wenn die Belegung auf Intensivstationen im jeweiligen Versorgungsgebiet über 75/85 Prozent liegt. Dadurch entsteht der Effekt, dass Krankenhäuser trotz Covid-19-Welle jetzt so viel Patient*innen wie möglich behandeln und ihre Intensivstationen möglichst voll belegen müssen, damit sie nicht unter die gesetzlich vorgegebenen freien Kapazitäten von 15 bis 25 Prozent fallen. Die Zahlen in Baden-Württemberg belegen eine durchschnittliche Auslastung der Intensivbetten von 85 Prozent seit Monaten, trotz schwankender Zahlen der COVID-19-Patient*innen. Damit wurde ein finanzieller Anreiz gesetzt, neben den Corona-Patient*innen möglichst viele andere Patient*innen zu versorgen und gerade nicht Kapazitäten für eine drohende weitere Welle freizuhalten oder erhebliche finanzielle Folgen tragen zu müssen. Einige Landkreise haben nach Meldung des DIVI-Register aktuell nur noch ein bis zwei Betten zur Verfügung; in Landkreisen wie Rottweil, Waldshut, Hohenlohe und Heidenheim existieren gar keine Kapazitäten mehr. „Damit wird deutlich, dass – genau wie bei den DRGs (Diagnosis Related Group) selbst – finanzielle Steuerung für Einrichtungen der Daseinsvorsorge nicht geeignet ist“, so Thomas Böhm, Koordination Betriebliche Interessenvertretungen der Krankenhäuser Baden-Württembergs (BIV), „ Preise – wie die DRGs – führen zu massiven Fehlanreizen wie Mengenausweitung, Personalkostendumping, Selektion und letztlich dazu, dass die Versorgung weder am Bedarf der Patientinnen und Patienten ausgerichtet ist, noch die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten berücksichtigt wird. In einer Pandemie wird dies überdeutlich.“ ver.di fordert, dass zumindest für die Pandemiezeit die Finanzierung der Krankenhäuser umgestellt wird, so dass für die Behandlung von Patient*innen nicht mehr Preise gezahlt werden, sondern alle bedarfsnotwendigen Kosten erstattet werden. Nur so wird es für die Krankenhäuser möglich, entsprechend dem Bedarf und ohne Drohung des finanziellen Ruins, zu handeln. Der Bund als auch das Land müssen hier dringend umsteuern. „Stand heute haben wir noch rund zehn Prozent Kapazitäten an Intensivbetten, aber nur auf dem Papier. Das dafür notwendige Personal fehlt. Die aktuell rasant ansteigenden Zahlen der Neuinfektionen haben in zwei bis drei Wochen Auswirkungen auf die Bettenbelegung in den Kliniken. Es muss jetzt gehandelt werden“, so Baumann. ver.di tritt seit Jahren für eine gesetzliche, bedarfsgerechte Personalbemessung ein. Solange es diese nicht gibt, muss bei der Patient*innenbelegung heruntergefahren werden, um Überlastungen der Beschäftigten und Unterversorgung der Patient*innen zu vermeiden.

 

PM  ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg

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