Tarifkonflikt ÖPNV – Fahrdienst will nicht für Corona-Prämie streiken müssen

Das am Sonntag in Potsdam erreichte Tarifergebnis für den öffentlichen Dienst der Kommunen sieht als Anerkennung für die Leistungen in der Pandemie und zur Überbrückung der Zeit bis zur ersten tabellenwirksamen Erhöhung eine Corona-Prämie von bis zu 600 Euro vor. Die kommunalen Arbeitgeber waren aber nicht bereit, diese Prämie bereits gestern auch für die Beschäftigten im ÖPNV zu vereinbaren. Damit versuchen sie offensichtlich in den anstehenden Manteltarifverhandlungen, im baden-württembergischen TV-N am 3. November, die Kolleginnen und Kollegen zu Zugeständnissen unter erheblichem Zeitdruck zu erpressen: Denn nur wenn die Corona-Prämie in diesem Jahr ausgezahlt wird, ist sie steuer- und abgabenfrei.

Die Tarifkommission von ver.di Baden-Württemberg für den TV-N hat deshalb gestern Abend noch beschlossen, den KAV heute aufzufordern bis Mittwoch zwölf Uhr die Prämie verbindlich zuzusagen. Ansonsten gelte der freiwillige Verzicht auf Warnstreiks im Fahrdienst bis zur dritten Verhandlungsrunde am 3. November nicht mehr.

Andreas Schackert, ver.di Verhandlungsführer: „Die Bevölkerung wird zurecht kein Verständnis dafür haben, wenn der KAV die Fahrerinnen und Fahrer zwingt, für etwas zu streiken, was alle anderen schon haben. Die Zeichen stehen seit gestern auf Einigung und nicht auf Eskalation. Wer, wenn nicht die Kolleginnen und Kollegen im ÖPNV, hält den Laden buchstäblich rund um die Uhr am Laufen. Ausgerechnet ihnen die Prämie vorzuenthalten ist empörend.“

ver.di wird unabhängig davon wie angekündigt auch in den kommenden Tagen immer wieder zu Warnstreiks außerhalb des Fahrdienstes aufrufen. Damit will die Gewerkschaft die Arbeitgeber, den kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) dazu bewegen, endlich ein Angebot vorzulegen. In der vergangenen Woche waren nicht nur in Stuttgart und Heilbronn, sondern auch in Karlsruhe verschiedene Werkstätten und der Bauhof der VBK bis zu drei Tage in den Streik getreten, teilweise unangekündigt.

Für diese Warnstreiks außerhalb des Fahrdienstes hat ver.di überall mit den jeweiligen Arbeitgebern Notdienstvereinbarungen geschlossen, die die Aufrechterhaltung des Betriebes garantieren sollen.

Schackert: „Leider haben mehrere Arbeitgeber auch hier versucht, die Bevölkerung gegen die Fahrerinnen und Fahrer aufzubringen. Ohne vorherige Rücksprache mit uns wurde die Einstellung des Betriebes in Stuttgart angedroht und in Karlsruhe sogar umgesetzt.“

Nur weil ver.di jeweils sofort zu Nachverhandlungen aufgefordert hatte, konnte dies in Stuttgart verhindert und in Karlsruhe schnell beendet werden.

Sollte der KAV zur vierten Verhandlungsrunde am 3. November kein verhandlungsfähiges Angebot mitbringen, wird ver.di die Urabstimmung einleiten. Für diesen Fall können dann auch weitere Warnstreiks im Fahrdienst ab November nicht ausgeschlossen werden.

Hintergrund:

Am 9. Oktober hatte der KAV ein Angebot von ver.di, die Warnstreiks zu pausieren und im Gegenzug die Zahlung des vollen Weihnachtsgeldes zu garantieren, abgelehnt. Das Weihnachtsgeld ist im TV-N bisher auf 100 Prozent des Bruttoentgeltes festgelegt, fiel aber durch die Kündigung auf 82 Prozent ab, weil die Nachwirkung ausgeschlossen ist. Ein eigenes Angebot legte der KAV auch in dieser dritten Runde erneut nicht vor. Stattdessen legte er vier Forderungen vor, mit denen die bestehende Tarifsituation verschlechtert würde.

Bereits in den Tarifverhandlungen am 16. September für die rund 6.400 Beschäftigten im kommunalen ÖPNV hatten die Arbeitgeber zum Abschluss der Gespräche in Stuttgart statt einem Angebot zwei Seiten mit Vorschlägen für Verschlechterungen des Tarifvertrages vorgelegt. Damit sollen die Forderungen von ver.di gegenfinanziert werden. ver.di hatte, nachdem der KAV nicht bereit war, diese Liste zurückzunehmen und in konstruktive Gespräche einzusteigen, bereits zu Warnstreiks aufgerufen.

Die Gewerkschaft will für die rund 8.600 Beschäftigten im kommunalen Nahverkehr in Baden-Württemberg (TV-N und RNV) unter anderem Entlastungstage, deutlich bessere Überstundenregelungen sowie die Anhebung des Urlaubsgeldes erreichen. Im TV-N geht es daneben auch um kürzere Arbeitszeiten, bei der RNV um die Aufwertung der gewerblichen Berufe.

Bereits am 7. Oktober fand die ebenfalls dritte Runde bei der RNV statt, auch dort gab es kein Angebot. Hier wird am 27. Oktober in vierter Runde weiterverhandelt.

In Baden-Württemberg gilt der TV-N für rund 6.400 Beschäftigte in sieben kommunalen Verkehrsbetrieben in Stuttgart, Karlsruhe, Baden-Baden, Freiburg, Konstanz, Esslingen und Heilbronn. Der Haustarifvertrag bei der RNV gilt für 2.200 Beschäftigte in Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen. Insgesamt werden in den acht Verkehrsunternehmen weit über eine Million Kundinnen und Kunden pro Tag befördert.

ver.di hat zeitgleich den VKA zu bundesweiten Verhandlungen für mehr als 87.000 Beschäftigte in kommunalen ÖPNV-Unternehmen aufgefordert, auch um bundeseinheitliche Standards durchzusetzen. Dies hat die VKA abgelehnt. Auch hier fanden bereits Warnstreiks statt.

Schon seit Jahren herrscht – auch aufgrund der hohen Belastung durch die Verantwortung am Steuer und den Schichtdienst – massiver Fachkräftemangel in der Branche, insbesondere Busfahrer*innen werden überall dringend gesucht. Bis 2030 werden bundesweit rund 100.000 neue Beschäftigte benötigt.

Weitere Informationen:

https://bawue.verdi.de/lbzbw/++co++80b94aa6-eb7a-11ea-a388-001a4a160100

 

PM ver.di Landesbezirk Baden-Württemberg

 

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