Sonntagsgedanken: Drei Wünsche haben wir frei – oder mehr?

Es war einmal ein kleines Land, das noch vor dem Stress mit den anderen Ländern recht groß gewesen war. Doch nach einer heftigen Auseinandersetzung wurde es viel kleiner. Ein goldener Zauberring versprach dem kleinen Land, dass es drei Wünsche frei hat, um in der Zukunft – gerade in seiner Kleinheit – zu bestehen. Die Verantwortlichen überlegten sich ganz ausführlich, wofür sie die Wünsche einsetzen wollten.

Schließlich äußerten sie den ersten Wunsch: „Das Land soll von den vielen Menschen, die noch in den ehemaligen Gegenden des Landes wohnen, so viele wie möglich in seiner Mitte haben.“ Und tatsächlich, der Wunsch ging in Erfüllung. Die Leute kamen und man rückte zusammen – es passte prima.

Nach rund 45 Jahren war die Zeit gekommen, dass sich durch eine frühere Teilung des Landes das Leben als unerträglich herausstellte. Da trafen sich wieder die Verantwortlichen des Landes, nun waren es schon die Nach-Nachfolger, und äußerten den zweiten Wunsch: „Es soll zusammenkommen, was zusammengehört.“ Und auch dieser Wunsch wurde dem Land erfüllt. Die Grenzen öffneten sich und endlich wuchs zusammen, was zusammengehört. Gut, es dauerte ein paar Jahre, bis sich die Vereinigung in alle Lebensbereiche ausbreiten konnte, aber das Land hatte es geschafft.

Über 25 Jahre später kamen viele, viele Flüchtlinge aus bedrohten Ländern, in denen Krieg und Terror herrschen, in das kleine Land. Dem Land ging es inzwischen richtig gut. Und viele Menschen engagierten sich für die Ankömmlinge. Doch die Notlagen in unterschiedlichen Städten wuchsen an, weil die Räume und die Möglichkeiten zur Aufnahme der Flüchtlinge ausgeschöpft waren.

Nun überlegten sich die Verantwortlichen ganz tiefsinnig, ob sie den dritten und letzten Wunsch des Ringes in Anspruch nehmen sollen, oder nicht. Schon zwei Wünsche hatten sie verbraucht, doch jedes Mal hat das Land unheimlich viel an jener Veränderung lernen können, so dass es daran eine riesige Freude hatte. Sie berieten sich mit anderen Ländern und dann war es klar: Die guten Erfahrungen der Vergangenheit lies sie hoffen, dass es wieder so käme. Es kam zum dritten Wunsch: „Wir wünschen, dass wir ein offenes Land, mit offenen Menschen, offenen Grenzen und offenen Herzen werden.“ Der Wunsch wurde erfüllt. Doch da geschah etwas völlig unerwartetes: Der goldene Ring begann zu sprechen: „Ihr habt nun die drei Wünsche eingelöst, und dabei habt Ihr so viel für Euer Zusammenleben gelernt. Künftig werdet Ihr das ohne mich, den goldene Ring, schaffen. Geht weiter so in die Zukunft und packt Euer Leben an“.

Darüber freuten sich die Menschen des kleinen Landes so sehr, dass sie nun gelernt haben, füreinander zu sorgen, sich gegenseitig anzunehmen, für einander einzustehen und sich wert zu schätzen. So sehr freuten sie sich, dass sie in dieser Freude glücklich und zufrieden lebten, bis an ihr Lebensende: „Nehmt einander an, wie Christus Euch angenommen hat, denn darin lobt ihr Euren Gott!“

 

Hans Martin Hoyer, Evangelisch-methodistische Kirche, Friedenskirche Göppingen

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