Sonntagsgedanken: Tausendmal Danke

Jeden Sonntag werden in den Kirchen unseres Landes zigtausend Predigten gehalten. Angekränkelt vom ökonomischen Denken mag da mancher fragen, ob  sich der Aufwand denn lohnt? Haben die Predigten eine nachweisbare Wirkung? Selbst dem Apostel Paulus waren solche Anfechtungen nicht fremd. „Herr, wer glaubt unserem Predigen?“ fragt er im Römerbrief (Röm. 16,10).

Eine Erfolgskontrolle wie im Betriebswirtschaftswesen gefordert ist hier fehl am Platz.  Wer kann von außen beurteilen, ob eine Predigt die Hörer getröstet, ermutigt oder aufgerüttelt hat? Dies vorausgeschickt ist zu sagen, dass es gelegentlich dann doch Glücksmomente für den Prediger gibt, in denen er etwas über die Wirkung seiner Predigt erfährt. Von einem solchen Moment möchte ich erzählen. In der Predigt zum Erntedankfest hatte ich gesagt: „Liebe Gemeinde, es gibt tausend Gründe, Gott zu danken!“ Ein paar Wochen später machte ich einen Geburtstagsbesuch bei einer treuen Gottesdienstbesucherin. Sie sprach mich auf meine Erntedankpredigt an und sagte: „Ich bin schon bei 960“. Mir war auf Anhieb nicht klar, was sie damit meinte. Sie erklärte mir, dass  die Erntedankpredigt sie angeregt hat, tausend Gründe  zum Danken aufzuschreiben. Was  in der Predigt metaphorisch gemeint war im Sinne von: wir können nicht genug danken – das hat sie wörtlich genommen und für sich arithmetisch nachgeprüft! Tatsächlich hatte sie ein Heft angelegt und fein säuberlich in  alphabetischer Reihenfolge aufgelistet, wofür sie Gott dankbar sein kann. Das ging von „A“ wie Atmen und Aufstehen können bis zu „Z“ wie Zur-Ruhe-kommen und Zwetschgenkuchen. Wenn sie nachts wach liege, fielen ihr immer neue  Gründe ein, die sie dann morgens gleich ins Heft schreibe. Es sei kein Problem, die Tausend voll zu machen. Na sowas! Eine solch unmittelbare Wirkung meiner Predigt hatte ich nicht erwartet. Den Dank dafür hätte ich als tausendundersten Grund ihrer Liste hinzufügen können. Nach einem gemeinsamen Gebet hab ich mich gestärkt und ermutigt von ihr verabschiedet. Ihr Beispiel zeigt, wie wir durch das Danken das Leben als wunderbares Geschenk Gottes neu wertschätzen können. In der Tat: wir haben mehr als tausend Gründe, Gott zu danken! Keiner Generation vor uns ging es jemals so gut wie der unseren. Kein Krieg im Land, keine Hungersnot, gute Gesundheitsversorgung  und viele Möglichkeiten einer selbstbestimmten Lebens- und Freizeitgestaltung. Natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt. Natürlich muß man immer Einiges verbessern, vor allem, was die gerechte  Verteilung der Lebenschancen und Güter betrifft. Aber im Vergleich mit anderen Weltregionen geht es uns richtig gut! Welche Konsequenzen hat diese Einsicht? Ich meine die, dass wir uns die himmelschreiende Not anderer Menschen auf der Welt zu Herzen gehen lassen und aus unserer Dankbarkeit heraus nicht müde werden, da zu helfen, wo wir können.

Pfarrer i.R. Walter Scheck, Göppingen

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